- Lexikon
- Politik/Wirtschaft
- 4 Gesellschaft im Wandel
- 4.5 Gesellschaftspolitik
- 4.5.5 Ausländerpolitik
- Ausländerpolitik: Begriffe und Geschichte
Aus geschichtlicher Perspektive betrachtet, wird deutlich, dass Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland seit etwa 120 Jahren kontrovers diskutiertes Thema ist, mit ähnlichen Fragestellungen und Positionen.
Jeder dieser Begriffe markiert eine Etappe in der Geschichte der deutschen Ausländerpolitik. Ausländer waren niemals nur willkommene Arbeitskräfte, stets waren sie auch Objekte wirtschafts- und bevölkerungspolitischer Kalkulation sowie Zielscheibe völkischer und rassistischer Diffamierungen (während der Naziherrschaft 1933-1945).
Die Immigration (Einwanderung) nach Deutschland ist nicht nur ein aktuelles politisches Thema. Sie markiert gleichzeitig einen Bruch in der Geschichte des Landes. Denn über mehrere Jahrhunderte gab es aus dem Gebiet des heutigen Deutschland vor allem Auswanderung (Emigration). Zwischen 1800 und 1930 verließen an die 7 Mio. Deutsche aus wirtschaftlicher Not oder aus politischen Gründen ihre Heimat.
Erst seit Mitte des 20. Jh. ist die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland größer als die Zahl der Abwanderer. Seitdem hat die Migration wesentlich zur Bevölkerungsdynamik in Deutschland beigetragen: In den Jahren 1950–1998 gewann Westdeutschland 14 Mio. Einwohner, während der Osten des Landes fast 6 Mio. Einwohner verlor.
Mit der wirtschaftlichen Prosperität der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er-Jahren setzte generell auch eine Zuwanderung von Ausländern ein. Ausländische Arbeitskräfte wurden in großem Umfang angeworben.
1993 trat das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) in Kraft. Mit ihm wurde das seit 1953 geltende Bundesvertriebenengesetz (BVFG) im Hinblick auf Spätaussiedler und deren Aufnahme neu gefasst. Zwischen 1950 und 2001 sind 4 222 966 Aussiedler zugewandert. Deutschstämmige Aussiedler / Spätaussiedler können bei Nachweis einer deutschen Abstammung und dem Bestehen von Sprachtests einen Antrag auf Einwanderung stellen und die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Die Herkunftsgebiete sind:„... wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“
Gegen Ende der 1950-Jahre nahm die Zuwanderung aus dem Osten ab. Die Grenzschließung 1961 (Mauerbau) stoppte den Flüchtlingsstrom aus der DDR.
Aufgrund des anhaltenden Arbeitskräftebedarfs der Wirtschaft kamen verstärkt Arbeitsmigranten (so genannte Gastarbeiter), in die Bundesrepublik. In der Bundesrepublik setzte sich ein traditioneller Trend der Ausländerbeschäftigung fort: die „Gastarbeiter“ übernahmen vorwiegend die unqualifizierten Arbeitsplätze mit besonders schwerer, schmutziger, gefährlicher oder allgemein unbeliebter Arbeit.
Als erstes Regierungsabkommen wurde 1955 das deutsch-italienische Anwerbeabkommen geschlossen.
Ihm folgten Abkommen mit weiteren Ländern:
– Griechenland und Spanien 1960,
– der Türkei 1961,
– Portugal 1964 und
– Jugoslawien 1968.
Arbeitsminister BLANK begründete diese Abkommen damit, dass es zur Ausländerbeschäftigung keine Alternative gebe.
Eine öffentliche Debatte über die ausländischen Arbeitskräfte in der Bundesrepublik gab es bis Ende der 1960er-/ Anfang 1970er-Jahre nicht. Als selbstverständlich und unstrittig wurde die Notwendigkeit weiterer Arbeitskräfte in großer Zahl für die Perspektive anhaltenden Wirtschaftswachstums und steigenden Wohlstands betrachtet.
Stets wurden die positiven Auswirkungen ausländischer Arbeitskräfte hervorgehoben:
Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte stieg von 1968 bis 1973, als sie ihren Höhepunkt erreichte, von 1,014 auf 2,595 Mio. Insbesondere stieg die Zahl der türkischen Arbeitskräfte bis 1973 auf 600 000. Seit 1972 waren die Türken die größte unter den nationalen Gruppen der Arbeitsmigranten. Als belastende Auswirkungen der Ausländerbeschäftigung stellte sich heraus: Die Aufenthaltsdauer der Migranten stieg stetig an und folglich wurden zunehmend die Familien nachgeholt. Mit dem Familiennachzug und der Tendenz zum Daueraufenthalt stieg der Anteil der nichterwerbstätigen Ausländer mit der Perspektive steigender finanzieller Belastungen der Bundesrepublik.
Ein Wendepunkt in der Ausländerpolitik wurde 1973 mit dem Anwerbestopp eingeleitet.
Nach der Verhängung des Anwerbestopps ausländischer Arbeitskräfte beherrschte Ratlosigkeit die Ausländerpolitik. Eine von der Bundesregierung beauftragte Bund-Länder-Kommission legte 1977 Vorschläge zur Entwicklung der Ausländerbeschäftigungspolitik vor. Die Prämissen und Vorschläge darin waren:
Zur Durchsetzung der daraus abzuleitenden politischen Maßnahmen wurde die Stelle eines „Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen“ geschaffen.
Rezession und steigende Arbeitslosigkeit hatten zu einem tiefgreifenden Meinungswandel zur Ausländerpolitik in der westdeutschen Bevölkerung geführt. Anfang der 1980er-Jahre begann die Zahl der nach Deutschland zuwandernden Ausländer wieder zu steigen. Besonders der Familiennachzug sowie die wachsende Zahl der Asylbewerber sorgten für Beunruhigung. Der Druck der Öffentlichkeit und die Furcht vor aufkommender Fremdenfeindlichkeit beschleunigten die Wende zu einer eindeutigen Begrenzungspolitik des Ausländerzuzugs durch Regierungsbeschlüsse.
Die Ausländerfrage wurde zunehmend Thema einer kontroversen innenpolitischen Debatte und zum Gegenstand scharfer parteipolitischer Auseinandersetzungen. Das bis dahin nachrangige Thema der Ausländerpolitik wurde aufgrund der ausländerkritischen Haltung in der Bevölkerung politisch von allen Parteien besetzt; mit ihm waren Mehrheiten zu gewinnen und zu verlieren. Die Ausländerpolitik wurde nunmehr auch zum Wahlkampfthema.
Die Konzeptionen der Ausländerpolitik haben sich im Laufe der Jahre auf Grund wechselnder Konstellationen mehrfach gewandelt.
Bis in die 1990er-Jahre waren die Prämissen aller Konzepte:
Der Entwurf eines neuen Ausländergesetzes 1988 scheiterte an gegensätzlichen Standpunkten in der Gesellschaft. Kritiker verwiesen darauf:
Die Kontroverse spitzte sich auf die Frage der Grundgesetzänderung in der Asylpolitik zu. Eine Expertenkommission der Regierungsparteien legte im April 1989 „Eckwerte“ für ein neues Ausländerrecht vor; im September 1989 wurde der Gesetzentwurf veröffentlicht.
Am 9. Juli 1990 wurde das neue Ausländergesetz , noch für die alte Bundesrepublik, verkündet, am 1. Januar 1991 trat es für das wiedervereinigte Deutschland in Kraft.
Die damalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung LISELOTTE FUNCKE hob in ihrer Stellungnahme u. a.
Eine positive, die Zuwanderung nach den Bedürfnissen der deutschen Gesellschaft lenkende und ordnende politische Orientierung enthielt das Gesetz nicht. Eine Umorientierung hin zu einem Selbstverständnis als Einwanderungsland wurde durch die Ängste, dass auf diese Weise unkontrollierte Zuwanderung erfolgen könnte, verhindert.
Die Geschichte der Gastarbeiter seit den 1960er-Jahren ist als ein klassischer Einwanderungsprozess zu begreifen. Zu einer gesellschaftlichen Verständigung über diese Tatsache und daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen ist es in der „alten Bundesrepublik“ nicht gekommen.
Die Erkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, war den meisten Experten und Politikern bereits seit Anfang der 1980er-Jahre klar.
1999
Der Bundestag verabschiedet im Mai 1999 das Einbürgerungsgesetz. Es ersetzt das seit 1913 geltende Staatsangehörigkeitsgesetz. Nach ihm galt das Abstammungsprinzip, wonach für die Staatsbürgerschaft die Nationalität der Eltern maßgebend war. Ergänzt wurde das Einbürgerungsgesetz zum 1. Januar 2000 durch das Territorialprinzip, wonach der Geburtsort entscheidend ist für die Staatsangehörigkeit, so geregelt, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich wurde.
Zu den Rechten, die mit dem neuen Erwerb der Staatsbürgerschaft verbunden sind, gehört
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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