- Lexikon
- Physik
- 6 Atom- und Kernphysik
- 6.2 Kernumwandlungen und Radioaktivität
- 6.2.3 Radioaktive Strahlung
- Strahlenbelastung und Strahlenschutz
Natürliche Radioaktivität und künstliche Radioaktivität führen zu einer ständigen Strahlung. Wir alle sind also ständig einer gewissen Strahlenbelastung ausgesetzt. Als Strahlenbelastung wird meist die Äquivalentdosis, die ein Körper in einer bestimmten Zeit aufnimmt, angegeben. Man nennt diese Größe auch Dosisleistung und misst sie in Millisievert je Jahr (mSv/a).
Diese Strahlenbelastung ist nicht überall gleich groß, sie hängt von dem konkreten Umfeld ab. Insbesondere die natürliche Strahlenbelastung gibt es schon solange, wie die Erde existiert. Sie hat auch die Entwicklung des Lebens auf der Erde begleitet und führt nach allen Erkenntnissen zu keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vergrößert hat sich die Strahlenbelastung allerdings durch künstliche Strahlungsquellen. Zusätzliche Gefährdungen bestehen auch dadurch, dass durch Kernexplosionen oder durch Unfälle in Kernkraftwerken radioaktive Stoffe freigesetzt werden und zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung führen können.
Radioaktive Strahlung natürlichen Ursprungs hat verschiedene Quellen:
Insbesondere die von der Erde ausgehende Strahlung, man nennt sie terrestrische Strahlung, ist weitgehend vom geologischen Untergrund und von den verwendeten Baumaterialien abhängig. Für Deutschland gilt allgemein: Die terrestrische Strahlung nimmt vom Norden nach den Süden hin zu. Nachfolgend sind einige Durchschnittswerte genannt.
Ort/Land | Dosisleistung in mSv/a |
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern | 0,15 |
Weserbergland, Braunschweig | 0,60 |
Harz/Spessart | 1,00 |
Bayerischer Wald | 1,50 |
Katzenbuckel bei Eberbach (Baden-Württemberg) | 6,30 |
Brasilien/Atlantikküste | 8 |
einzelne Gebiete des Iran | 18 |
Die natürliche Strahlenbelastung beträgt in Deutschland im Durchschnitt 2,4 mSv/a. Davon ist etwa ein Drittel Strahlung, die von außen auf den Körper trifft. Etwa zwei Drittel der natürlichen Strahlenbelastung kommt "von innen". Das kommt dadurch zustande, weil wir zum einen Luft einatmen, in der sich auch radioaktive Gase befinden, insbesondere das Radon und seine Folgeprodukte. Es liefert den größten Beitrag zur Strahlenbelastung. Zum anderen nehmen wir mit der Nahrung auch radioaktive Stoffe auf. Bild 2 gibt einen Überblick über die einzelnen Bereiche.
Radioaktive Strahlung künstlichen Ursprungs hat ebenfalls verschiedene Quellen. Das sind vor allem
Die mit Abstand stärkste Belastung erfolgt im medizinischen Bereich (Bild 2), insbesondere durch Strahlendiagnostik und -therapie. Die Strahlenbelastung durch andere Strahlungsquellen ist heute vernachlässigbar gering.
Die durchschnittliche Strahlenbelastung durch künstliche Quellen beträgt in Deutschland 1,5-1,6 mSv, die Gesamtbelastung etwa 4 mSv/a. Das bedeutet für einen Menschen, dass er im Jahr durch radioaktive Strahlung eine Energie von 4 mJ je Kilogramm Körpergewicht aufnimmt. Der genannte Wert ist ein Durchschnittswert. Örtlich kann in Deutschland die Strahlenbelastung zwischen 1 mSv/a und 10 mSv/a liegen.
Nach gegenwärtigen Erkenntnisse können ab 250 mSv/a Schäden auftreten, eine kurzzeitige Strahlenbelastung von über 5000 mSv ist in der Regel tödlich. Für Menschen, die beruflich radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, gilt z. Z. ein Grenzwert von 20 mSv/a. Für Personen untr 18 Jahren liegt dieser Grenzwert bei 6 mSv/a.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass z.B. in großen Höhen eine wesentlich höhere Strahlenbelastung auftreten kann. Als Beispiel sei die Strahlenbelastung in Flugzeugen genannt. In 12.000 m Flughöhe beträgt die Dosisleistung etwa 0,007 mSv/h. Geht man von 25 Flugstunden in dieser Höhe im Jahr (mehrere Transatlantikflüge) aus, dann ergibt daraus eine Dosisleistung von etwa 0,2 mSv/a, und damit ca. 1/10 der natürlichen Strahlendosis.
Wegen möglicher Schäden durch radioaktive Strahlung gilt als Grundsatz:
Die Strahlung, der man sich aussetzt, sollte so gering wie möglich sein.
Wichtige Maßnahmen zum Schutz vor radioaktiver Strahlung sind:
Personen, die beruflich mit radioaktiver Strahlung in Berührung kommen, müssen eine Dosimeterplakette tragen, durch die radioaktive Strahlung registriert wird. Diese Plaketten werden regelmäßig kontrolliert.
Die Einhaltung aller Strahlenschutzmaßnahmen ist insbesondere auch deshalb unbedingt erforderlich, weil wir radioaktive Strahlung mit unseren Sinnensorganen nicht wahrnehmen können und bei Nichteinhaltung von Schutzmaßnahmen Strahlenbelastungen auftreten können, die erst Jahre später zu gesundheitlichen Schäden führen.
Nach dem Strahlenschutz-Vorsorgegesetz von 1986 wird in Deutschland die Umweltradioaktivität ständig nach einheitlichen Kriterien überwacht. Die Daten aus etwa 2200 Messstellen werden täglcih ausgewertet. Damit können sowohl die Verantwortlichen als auch die Öffentlichkeit schnell über eventuelle Gefahren informiert werden.
Mittlere Strahlenbelastung in der Bundesrepublik Deutschland
Bei Strahlenbelastungen ist zu beachten, dass dazu alle Arten ionisierender Strahlung einen Beitrag leisten. Dazu gehören nicht nur die beim Kernzerfall auftretenden Strahlungen (Alpha-, Beta- und Gammastrahlung), sondern auch Röntgenstrahlung, kurzwelliges UV und Höhenstrahlung. Erfasst werden die biologischen Wirkungen ionisierender Strahlung durch die Äquivalentdosis H. wobei gilt:
Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) hat 1991 anstelle dieses Qualitätsfaktors den so genannten Strahlungs-Wichtungsfaktor eingeführt. Für eine bestimmte Strahlungsart R gilt dann: Das Produkt aus der von einem Organ oder Gewebe T aufgenommenen Energiedosis und dem betreffenden Strahlungs-Wichtungsfaktor ergibt die Organdosis :
Sie wird in Millisievert (mSv) gemessen. Erfolgt die Bestrahlung durch mehrere Strahlungsarten R, so werden die einzelnen Beiträge summiert und man erhält:
Für die Strahlungs-Wichtungsfaktoren gilt:
Strahlungsart und | Strahlungs-Wichtungsfaktor |
Photonen beliebiger Energie | 1 |
Elektronen beliebiger Energie | 1 |
Neutronen < 10 keV 10 keV bis 100 keV 100 keV bis 2 MeV 2 MeV bis 20 MeV > 20 MeV | 5 10 20 10 5 |
Protonen | 5 |
Alphateilchen, Spaltfragmente, schwere Kerne | 20 |
Die Organdosis besagt nur wenig darüber, wie groß das strahlenbedingte Risiko für Schädigungen tatsächlich ist, da die Strahlenempfindlichkeit der einzelnen Organe sehr unterschiedlich ist. Maß für das gesamte Strahlenrisiko ist die effektive Dosis E. Die effektive Dosis E für eine Strahlungsart und ein Organ oder Gewebe T ist die mit dem Gewebe-Wichtungsfaktor multiplizierte Organdosis:
Sind mehrere Strahlungsarten und verschiedene Organe beteiligt, so ergibt sich die effektie Dosis als Summe aller Anteile zu:
Gemessen wird die effektive Dosis ebenfalls in Millisievert (mSv). Auf die Zeit bezogen wird sie effektive Dosisleistung genannt. Diese auf den menschlichen Körper bezogene effektive Dosisleistung liegt in Deutschland im Mittel bei etwa 4 mSv/Jahr. Wegen der sehr unterschiedlichen Individualität der Menschen geht man bei wissenschaftlichen Berechnungen von einem Standardmenschen aus. Dieser Standardmensch hat ein Alter von 20 bis 30 Jahren, eine Gesamtlebensdauer von 70 Jahren, ein Körpergewicht von 70 kg, eine Körperoberfläche von 1,8 Quadratmetern und eine Körpergröße von 170 cm. Auch die Zusammensetzung des Körpers dieses Standardmenschen ist festgelegt (z. B. 45,5 kg Sauerstoff, 12,6 kg Kohlenstoff, 7,0 kg Wasserstoff, 2,1 kg Stickstoff, 1,05 kg Calcium sowie Anteile von weniger als 700 g an Phosphor, Schwefel, Kalium, Natrium, Chlor, Magnesium, Eisen, Kupfer und Iod).
Einige Gewebe-Wichtungsfaktoren sind in der nachfolgenden Tabelle angegeben.
Gewebe oder Organ | Gewebe-Wichtungsfaktoren |
Keimdrüsen | 0,20 |
Dickdarm | 0,12 |
Knochenmark (rot) | 0,12 |
Lunge | 0,12 |
Magen | 0,12 |
Blase | 0,05 |
Brust | 0,05 |
Leber | 0,05 |
Schilddrüse | 0,05 |
Speiseröhre | 0,15 |
Haut | 0,01 |
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