Raum und Zeit in der klassischen Physik

Auffassungen zu Raum und Zeit in der Antike

Angeregt durch Naturbeobachtungen und insbesondere auch durch Himmelsbeobachtungen bildeten sich unterschiedliche Anschauungen über das Naturgeschehen und seine Einordnung in Raum und Zeit heraus.

Schon HERAKLIT (um 544-um 483 v. Chr.) entwickelte Vorstellungen über Veränderungen und Konstanz:
„Wir steigen in den Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht“. Das wurde später zu dem berühmten „Panta rhei“ (Alles fließt) verkürzt.
Zum Kosmos, der objektiv-realen Weltordnung, meinte HERAKLIT:
Diesen Kosmos, denselben für alle, hat weder irgendein Gott oder ein Mensch gemacht, sondern er war immer und ist und wird sein ein ewig lebendes Feuer, nach Maßen erglimmend und nach Maßen erlöschend“.
Nach DEMOKRIT (5. Jh. v. Chr.) ist das All unendlich, unerschaffen und damit auch unveränderlich. Anzahl und Gestalt der Atome bleiben aber konstant, verändern sich nur ständig nach ihrer Lage und Anordnung. Das All enthalte zahllose Welten von unterschiedlicher Größe und Struktur. Manche wüchsen und ständen in Blüte, andere seien in Schwund begriffen.
ARISTOTELES (384-322 v. Chr.) dagegen begriff den Kosmos als kontinuierlich mit Stoff ausgefüllte Kugel, leerer Raum sei dort nirgendwo. Die äußere Grenze von Raum, Zeit und Stoff sei die Fixsternsphäre. Dieser Kosmos sei eingebettet in einem endlosen Leeren.

NEWTONs Auffassungen zu Raum und Zeit

Entscheidende Schritte in den Auffassungen zu Raum und Zeit wurden mit der Herausbildung der klassischen Mechanik gegangen. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatten Forscher wie GALILEO GALILEI (1564-1642), SIMON STEVIN (1548-1620), RENÉ DESCARTES (1596-1650), CHRISTIAAN HYUGENS (1629-1695) , ROBERT HOOKE (1635-1703) und ISAAC NEWTON (1643-1727).
Grundpositionen über Raum und Zeit formulierte I. NEWTON in seinem berühmten Werk „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ (Philosophische Prinzipien der Naturlehre):

„Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich.
Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand. Sie wird auch mit dem Namen Dauer belegt.“

Dieabsolute Zeit und absoluter Raum wurden damit als etwas Gegebenes und Unveränderliches angesehen. Diese Auffassung setzte sich in den Naturwissenschaften und insbesondere in der Physik durch und war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die allgemein anerkannte und nicht in Frage gestellte Auffassung. Es galt und gilt:

Die klassische Physik geht von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit aus.

Es bestand auch kein Anlass zum Nachdenken über andere Positionen, da alle bekannten Naturerscheinungen und experimentellen Ergebnisse widerspruchsfrei in die klassischen Auffassungen von Raum und Zeit eingeordnet werden konnten.

Zusammenfassend lassen sich die bis ins 20. Jahrhundert hinein anerkannten Grundpositionen zu Raum und Zeit folgendermaßen kennzeichnen:

  • Raum und Zeit existieren objektiv und insbesondere auch unabhängig vom Bewegungszustand eines Körpers.
  • Es gibt keine Wechselbeziehungen zwischen Raum und Zeit. Sie beeinflussen sich gegenseitig nicht.
  • Der Raum ist unendlich ausgedehnt. Alle Punkte und alle Richtungen des Raumes sind gleichberechtigt.
  • Die Zeit ist unendlich ausgedehnt und nur von einer Dimension. Damit sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eindeutig festgelegt. Alle Zeitpunkte sind aus physikalischer Sicht gleichberechtigt.
  • Raum und Zeit sind universell, d.h. die räumlichen Abmessungen eines Körpers und die Zeitdauer eines Vorgangs sind unabhängig vom Bezugssystem.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert gab es Ansatzpunkte, die klassischen Auffassungen von Raum und Zeit infrage zu stellen. Mit der Entwicklung der Theorie elektromagnetischer Felder, den negativen Ergebnissen der Experimente von MICHELSON und MORLEY sowie den grundlegenden Fragen, die insbesondere ERNST MACH (1838-1916) und JULES HENRI POINCARÉ (1854-1912) aufwarfen, wurde die Absolutheit von Raum und Zeit zumindest diskussionswürdig. So formulierte E. MACH bereits 1883 in seinem Buch „Die Mechanik in ihrer Entwicklung, historisch-kritisch dargestellt“:

„Eine Bewegung kann gleichförmig sein in bezug auf eine andere. Die Frage, ob die Bewegung an sich gleichförmig sei, hat gar keinen Sinn. Ebensowenig können wir von einer absoluten Zeit (unabhängig von jeder Veränderung) sprechen. Diese absolute Zeit kann an gar keiner Bewegung abgemessen werden, sie hat also auch gar keinen praktischen und auch keinen wissenschaftlichen Wert ...“

Zusammenfassend wurden neue Auffassungen über Raum und Zeit von ALBERT EINSTEIN (1879-1955) in seinen Arbeiten zur speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie formuliert. Dabei konnte er sich bei der speziellen Relativitätstheorie auf eine Reihe von Vorarbeiten stützen. Einer seiner Biografen schrieb dazu:

„Die allgemeine Relativitätstheorie ist unbestreitbar Einsteins genialste Tat. ... Sie ist zugleich Einsteins ursprünglichste Entdeckung. Denn im Unterschied zur speziellen Relativitätstheorie lagen für die allgemeine Relativitätstheorie noch keine fertigen physikalischen Bestandteile vor, und es gab auch sonst keine konkrete theoretische Vorarbeit, außer einige Gedanken von Riemann und Mach. Hier ist vor allem das machsche Prinzip zu nennen, wie Einstein die Zurückführung der Trägheit auf die Wechselwirkung der Massen ferner Himmelskörper genannt hat“.
(aus: Friedrich Herneck: Bahnbrecher des Atomzeitalters)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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