Lichtmühle

Was ist eine Lichtmühle?

Es besteht aus einer evakuierten Glaskugel mit einem drehbar gelagerten vierflügeligen Rad darin, das sich bei Bestrahlung mit Licht oder Wärme dreht. Man spricht deshalb auch von einer Lichtmühle (Bild 1).

Ein dekorativer Schmuck

Vor allem in den Glasbläsereien von Thüringen werden sie hergestellt und als Fensterschmuck verkauft, aber auch in Optikerläden sind sie gelegentlich zu finden: Lichtmühlen sind kunstvoll gefertigte Glaskugeln von einigen Zentimetern Durchmesser, in deren Innerem sich ein beweglich aufgehängtes Kreuz mit vier Flügeln befindet, das sich im Licht dreht. Es gibt sie in vielerlei Varianten. Die Lichtmühle wurde vor etwa 125 Jahren erfunden und ist auch unter dem Namen ihres Erfinders als crookessches Radiometer bekannt. Allerdings war diese Erfindung für CROOKES keineswegs eine technische Spielerei, wenngleich sie schon damals von der Öffentlichkeit mit Faszination bewundert wurde. Sogar Königin VIKTORIA soll begeistert gewesen sein, als sie 1876 einige Wissenschaftler zu sich einlud und sich unter anderem die Funktion des crookesschen Radiometers demonstrieren ließ.

Wie groß ist der Druck des Lichts?

Der britische Physiker und Chemiker Sir WILLIAM CROOKES (1832-1919) hatte 1861 das Element Thallium entdeckt und war durch seine Untersuchungen von elektrischen Entladungen in verdünnten Gasen bekannt geworden. Er beschäftigte sich auch mit den Eigenschaften von Licht und wollte dessen Druck nachweisen. Im Jahre 1873 veröffentlichte er einen Bericht über die Erfindung eines Radiometers, also eines Geräts zum Nachweis und zur Messung von Strahlung. Der Aufbau dieses Geräts, das heute kunstgewerblich als physikalisches Spielzeug hergestellt wird, ist immer noch der gleiche, den auch CROOKES verwendete: In einer Glaskugel befindet sich ein auf einer Spitze drehbar gelagertes Kreuz, dessen Enden je ein meist rautenförmiges, leichtes Glimmerplättchen tragen. Die Auflagefläche des Kreuzes muss möglichst klein sein, um die Reibung gering zu halten. Eine Seite jedes Plättchens ist geschwärzt, die andere ist hell und glatt poliert. Die Seiten sind so angeordnet, dass jeweils die schwarze Seite des einen Flügels der weißen Seite des nächsten zugewandt ist. Das Glasgefäß wird auf einen Druck von etwa 0,05 Millibar evakuiert - das war zu Crookes' Zeiten nahe dem niedrigsten überhaupt erreichbaren Druck - und dann zugeschmolzen. Wird dieses Radiometer nun einer Licht- oder Wärmestrahlung ausgesetzt, so fängt das Flügelkreuz an zu rotieren. CROOKES glaubte, auf diese Weise den Strahlungsdruck nachgewiesen zu haben.

Die Strahlung wird auf der schwarzen Seite absorbiert, auf der hellen Seite reflektiert. Der ausgeübte Druck ist also unterschiedlich, und dadurch, so CROOKES, kommt die Drehbewegung zustande. Doch leider stellte sich diese Erklärung als falsch heraus.
Der Grundgedanke, nämlich dass das Licht auf den schwarzen Flächen absorbiert und auf den weißen reflektiert wird, ist völlig richtig. Doch was daraus folgt, muss man sich etwas genauer anschauen: Das Licht, das ja bekanntermaßen sowohl Teilcheneigenschaften wie auch Welleneigenschaften aufweist, hat einen bestimmten Impuls. Beim Auftreffen eines Photon s auf die schwarze Seite wird sein Impuls auf diese Seite übertragen. Ein Teilchen jedoch, das auf die helle Seite stößt, hat nach der Reflexion den entgegengesetzten Impuls. Die Impulsänderung ist doppelt so groß wie der ursprüngliche Impuls. Da der Gesamtimpuls des Systems konstant bleibt, wird von einem Lichtteilchen auf die weiße Fläche also ein Impuls in der Größe der Impulsänderung übertragen, mithin doppelt so viel wie auf die schwarze. Da im Mittel gleich viele Teilchen auf die helle wie auf die dunkle Fläche treffen, wird also eine stärkere Kraft auf die weißen Flügelseiten ausgeübt, sodass sich die Lichtmühle mit den schwarzen Seiten voraus drehen müsste.
Was wir aber beobachten können, ist eine Drehung in die umgekehrte Richtung. CROOKES hatte sich also geirrt, seine Argumentation konnte die beobachtete Drehbewegung nicht erklären. Doch zunächst wurde seine Erklärung von den meisten Wissenschaftlern akzeptiert, wenn auch der englische Physiker JAMES CLARK MAXWELL (1831-1879) äußerte, er habe einen geringeren Lichtdruck vermutet.

Die Suche nach einer Erklärung

Der Irrtum wurde dann aber bald entdeckt, und sehr schnell gab es neue Erklärungsversuche. Dass das Rädchen bei intensiver Strahlung schneller läuft als bei schwacher, hätte auch CROOKES' Modell erklären können. Doch man kann auch beobachten, dass die Lichtmühle bei Sonnenbestrahlung oder beim Licht einer hellen Glühlampe besser funktioniert als bei Neonlicht. Der Grund: Sonne und Glühlampe haben einen hohen Anteil an Infrarot-, also Wärmestrahlung. Sogar mit reiner Wärmestrahlung lässt sich eine Lichtmühle betreiben. Wie CROOKES schon richtig erkannte, wird die Strahlung auf der hellen Seite reflektiert und auf der schwarzen Seite absorbiert, also aufgenommen. Dadurch erwärmen sich die schwarze Seite und die davor befindliche Luft stärker als auf der weißen Seite. Die Teilchen eines Gases sind ständig in Bewegung, und je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sie sich. Da nun die Teilchen in der Nähe der dunklen Fläche im Mittel schneller sind als die vor der hellen Fläche, wird bei den Stößen auf die dunkle Fläche auch durchschnittlich eine größere Kraft auf das Plättchen ausgeübt. Auf diese Weise versuchte man damals eine Drehung im beobachteten Sinne zu erklären, und die Erklärung war im Prinzip sogar richtig. Allerdings hatte man das Phänomen noch nicht systematisch untersucht - das blieb den deutschen Wissenschaftlern O. HETTNER, W. WESTPHAL und W. GERLACH in den 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts vorbehalten -, und so regte sich Widerspruch.
MAXWELL beispielsweise argumentierte:

„Beim Erwärmen eines Gases dehnt sich das Gas entweder aus, oder - in einem geschlossenen Raum - es steigt der Druck. Man stelle sich nun Folgendes vor: Ein Licht neben einer Lichtmühle wird eingeschaltet, und die schwarze Fläche beginnt sich langsam zu erwärmen. Die Luftschicht direkt davor erwärmt sich ebenfalls. Es ist nun leicht einzusehen, dass sich hier kein Druck aufbauen kann, während an anderen Stellen der Glaskugel, also vor der weißen Plättchenseite, wo es kühler ist, noch der ursprüngliche, niedrige Druck herrscht. Selbstverständlich wird sich das Gas sehr schnell ausdehnen, sodass der Druck in der gesamten Glaskugel gleich wird. Wir haben also in der Glaskugel unterschiedliche Temperaturen, ebenso unterschiedliche Dichten, aber überall den gleichen Druck! So kann das Flügelrad nicht in Bewegung geraten.“

1879, also sechs Jahre nach CROOKES' Erfindung, legte der britische Physiker OSBORNE REYNOLDS (1842-1912), der sich mit Hydrodynamik und Strömungslehre befasste, eine neue Erklärung vor. Er hatte einen Effekt an porösen Festkörpern gefunden, den er „thermal transpiration“ nannte: Hat der poröse Körper auf beiden Seiten unterschiedliche Temperaturen, so strömt ein Gas durch den Körper hindurch immer in Richtung der wärmeren Seite. Herrscht auf beiden (abgeschlossenen) Seiten zunächst der gleiche Druck, so stellt sich nach einiger Zeit ein Gleichgewicht ein, bei dem das Verhältnis der Drücke auf den beiden Seiten gleich der Quadratwurzel aus dem Verhältnis der absoluten (also in Kelvin gemessenen) Temperaturen ist. Diese Beobachtung übertrug er nun auf die crookessche Lichmühle. Da deren Flügel aber nicht porös sind, dürfen nach REYNOLDS nur die Kanten betrachtet werden. Doch hier zeigt sich genau derselbe Effekt: Das Gas strömt von der kälteren zur wärmeren Fläche, es kriecht also gewissermaßen um die Kanten von der kälteren hellen Seite zur warmen schwarzen Seite und schiebt damit den Flügel in die Gegenrichtung. Aus dem Gasstrom resultiert eine Drehbewegung der Plättchen, und zwar mit den hellen Seiten voraus.
Damit konnte sich selbst der kritische MAXWELL zufriedengeben. Allerdings hatten sowohl MAXWELL als auch REYNOLDS eines nicht bedacht: Der Druck in der von CROOKES gebauten Lichtmühle war so gering, dass sich die beschriebenen Strömungseffekte und auch ein Druckausgleich in der gesamten Glaskugel gar nicht ausbilden konnten!

Mit System zum Ziel

In den 1920er Jahren beschäftigten sich die Physiker O. HETTNER, W. WESTPHAL und W. GERLACH erneut mit der Lichtmühle, und zwar sollte ein Gerät gefunden werden, das es gestattet, die Intensität von Lichtstrahlung genau zu messen - eben ein Radiometer. Die crookessche Lichtmühle in ihrer ursprünglichen Form war für systematische und genaue Untersuchungen zu grobschlächtig. Daher verwendeten HETTNER, WESTPHAL und GERLACH ein aus zwei leichten Flügeln bestehendes, an einem Quarzfaden aufgehängtes und mit einem Drehspiegel versehenes System (die crookessche Lichtmühle hat vier Flügel). Der eine Flügel war einseitig geschwärzt, der andere diente nur als Gegengewicht; der Drehspiegel war so klein und leicht, dass er keine störende Wirkung ausübte. Das Ganze war in einem evakuierten Glaskolben untergebracht. Ein feiner Lichtstrahl fiel auf den Drehspiegel, wurde reflektiert und traf in einiger Entfernung auf eine Messskala. Solange die Flügel dieses Radiometers nicht mit sichtbarem Licht oder Infrarotlicht bestrahlt wurden, blieb der Lichtpunkt an einer bestimmten Stelle der Messskala. Der „Radiometereffekt“, also die Drehung des Flügelsystems nach Einstrahlung von Licht, konnte an der Wanderung des Lichtpunkts auf der Skala abgelesen werden. Wie die Untersuchungen zeigten, hing der Radiometereffekt deutlich vom Gasdruck ab, der im Glaskolben herrschte. Eine entscheidende Größe ist dabei die freie Weglänge, also die Strecke, die ein Gasmolekül zurücklegen kann, bevor es mit einem anderen Gasteilchen zusammenstößt. Bei geringer Gasdichte (Vakuum) besitzt ein Gas eine große freie Weglänge, bei hoher Dichte ist die freie Weglänge klein.

Die Erklärung - nicht ganz einfach

Die Experimente ergaben nun Folgendes: Wenn die Gasdichte klein ist, die freie Weglänge also in der Größenordnung der Dimensionen der Radiometerflügel liegt, wächst der Radiometereffekt proportional mit dem Druck. Bei großer Gasdichte (Weglänge klein gegenüber den Radiometerdimensionen) dagegen nimmt der Effekt mit dem Druck ab. Dazwischen liegt ein Maximum des Radiometereffekts. Die Wirkungsweise des Radiometers in den beiden Grenzfällen (niedrige bzw. hohe Gasdichte) ist gänzlich verschieden.
Bei niedriger Gasdichte - und das trifft auch auf die crookessche Lichtmühle zu - ist die Zahl der Gasmoleküle, die pro Sekunde auf die Radiometerflügel prallen, auf der bestrahlten Seite ebenso groß wie auf der unbestrahlten Seite. Da aber die auf der bestrahlten, heißeren Seite auftreffenden Moleküle mit größerer Geschwindigkeit reflektiert werden (da sie etwas von der Energie der erwärmten Fläche übernehmen) als ihre Gegenspieler auf der Rückseite, erfährt das Flügelchen einen Rückstoß in Richtung des Gebiets der niedrigeren Temperatur, von der geschwärzten zur ungeschwärzten Seite hin: Das System dreht sich. Dabei ist es ganz egal, von welcher Seite die Strahlung einfällt, denn eine Aufheizung erfährt immer nur die geschwärzte Seite, weil sie die Strahlung absorbiert. Je stärker die Strahlung ist, desto größer ist der Radiometereffekt. Das bedeutet, ein solches System eignet sich in der Tat zur Messung der Intensität einfallenden Lichts.
Es zeigte sich damit auch, dass die Verhältnisse in einem evakuierten Radiometer - und daher in der crookesschen Lichtmühle - genau anders herum waren, als sie von MAXWELL angenommen worden waren: Die Dichte ist in einem solchen System überall gleich, aber die Gasdrücke auf der geschwärzten und ungeschwärzten Seite eines Flügels sind sehr unterschiedlich. Zu einem Druckausgleich kann es nicht kommen, denn er würde voraussetzen, dass die Gasteilchen miteinander in Wechselwirkung treten; das aber ist so gut wie ausgeschlossen, weil die freie Weglänge dafür zu groß ist. Bevor ein Gasteilchen auf ein anderes trifft, ist es bereits mit dem Flügel des Radiometers und mit den Wänden des Glaskolbens zusammengestoßen!
Um ein Vielfaches komplizierter ist die Funktionsweise eines Radiometers bei hoher Gasdichte. Hier spielt das Temperaturgefälle entlang eines Flügels eine große Rolle, und es können in der Tat Strömungserscheinungen auftreten, wie sie REYNOLDS angenommen hat. In solchen hettnerschen Radiometern sind die Flügel doppelt ausgeführt, das heißt, zwei Flügelflächen stehen sich gegenüber, wobei die eine fest montiert ist, während die andere sich bewegen kann. Es kommt nicht zu einer Drehung des Systems, sondern lediglich zu einer kleinen Auslenkung. Eine Rolle spielen (aus heutiger Sicht: spielten) diese Radiometer nur in der Wissenschaft. Mit der crookesschen Lichtmühle haben sie nicht mehr viel gemein.

Die crookessche Lichtmühle war ein Gerät, dessen Prinzip die Basis für Radiometer bildete, mit denen die Intensität von Licht- und Infrarotstrahlung gemessen werden konnte. Doch CROOKES' ursprünglicher Gedanke, die Frage nach dem Strahlungsdruck, war noch nicht geklärt. Das ließ die Forscher nicht ruhen. Kann eine der Lichtmühle ähnliche Apparatur allein durch den Strahlungsdruck von Licht angetrieben werden?
Es funktioniert in der Tat. Erstmals gelang es dem russischen Physiker PJOTR LEBEDEW (1866 bis 1912) im Jahre 1901, später führten auch ERNEST NICHOLS und GORDON HILL den Versuch erfolgreich durch. Für dieses äußerst schwierige Experiment ist ein wesentlich stärkeres Vakuum erforderlich, damit der Luftwiderstand bei der Drehung geringer ist. Um den Drehwiderstand zu verringern, wurden die Flügel an einem dünnen Faden aufgehängt, und ein Überzug aus Glas verhinderte, dass Material von den Flügeln verdampfte („ausgaste“) und so das Vakuum verschlechterte. Tatsächlich bewegt sich die so modifizierte Lichtmühle dann bei Bestrahlung wie vorhergesagt in Richtung der schwarzen Seiten.

Eine Lichtmühle dreht sich bei Bestrahlung mit Licht.

Eine Lichtmühle dreht sich bei Bestrahlung mit Licht.

Lichtmühle - Lichtmühle

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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