Interferenz von Röntgenstrahlung

Der entscheidende Gedanke

Der Charakter der 1895 von WILHELM CONRAD RÖNTGEN (1845-1923) entdeckten neuen Strahlung, die er selbst als X-Strahlen bezeichnete und die im deutschsprachigen Raum Röntgenstrahlen genannt werden, war längere Zeit unklar. MAX VON LAUE (1879-1960) schilderte in seinem Nobelvortrag, wie ihm im Februar 1912 der entscheidende Einfall kam. Ein Doktorand des berühmten theoretischen Physiker ARNOLD SOMMERFELD, PAUL EWALD, besuchte M. VON LAUE zu Hause, um sich zu einer wellenoptischen Arbeit fachlich beraten zu lassen. Zwar hatte LAUE zu dem von EWALD angesprochenen Problem auch keine Lösung, äußerte aber während der Unterhaltung den Gedanken, man sollte doch einmal Kristalle mit Röntgenstrahlen durchleuchten. Denn wenn Röntgenstrahlen wirklich Wellencharakter besäßen und ihre Wellenlängen sehr klein waren und wenn Kristalle tatsächlich aus Raumgittern aufgebaut wären, dann müssten - so folgerte LAUE - bei der Durchstrahlung von Kristallen mit Röntgenstrahlen ähnliche Interferenzmuster auftreten wie bei Gittern, die mit Licht bestrahlt werden. LAUE verband also zwei Hypothesen aus zwei verschiedenen Forschungsbereichen miteinander - die Wellentheorie der Röntgenstrahlen und die Raumgitter-Hypothese der Kristalle. Er verknüpfte damit zwei vorhandene, aber bis dahin unabhängig voneinander existierende Gedankengänge. LAUE selbst formulierte später zu seiner Entdeckung:

„Die ihr zugrunde liegende Idee schien mir, nachdem ich sie einmal gefaßt hatte, so selbstverständlich, dass ich das Erstaunen, das sie in der Fachwelt hervorrief, nie verstanden habe, ebensowenig die Zweifel, denen sie ein paar Jahre später noch begegnete.“

Als der damals 28-jährige WALTHER FRIEDRICH, ein Assistent, der bei W. C. RÖNTGEN promoviert hatte und der mit Röntgenstrahlung große Erfahrung besaß, von der Idee LAUEs hörte, erklärte er sich sofort bereit, die Hypothese experimentell zu prüfen. Zusammen mit einem zweiten Assistenten, F. KNIPPING, führte er die Untersuchungen durch. Es gelang beiden relativ schnell, Interferenzen nachzuweisen und zu dokumentieren. Entscheidend für das Gelingen war, dass FRIEDRICH aufgrund seiner Erfahrungen mit Röntgenstrahlen eine vielstündige Belichtungszeit ansetzte und damit erstmals Röntgenstrahlinterferenzen nachwies. Dabei waren Kristalle schon ca. 15 Jahre lang mit Röntgenstrahlung durchleuchtet worden, ohne dass jemand ein Beugungsbild erhalten hätte.
Für seine wissenschaftliche Leistung erhielt MAX VON LAUE bereits zwei Jahre später, also im Jahr 1914, den Nobelpreis für Physik.

Interferenz am Kristallgitter - die Zusammenhänge

Einen Kristall kann man sich aufgebaut denken aus Gitterebenen . Sie werden auch als Netzebenen oder Kristallebenen bezeichnet. Trifft Röntgenstrahlen unter einem Winkel zwischen 0° und 90° auf solche Gitterebenen, so erfolgt eine Reflexion. Die an der Gitterebene reflektierte Röntgenstrahlen überlagert sich, es kommt zur Interferenz. Auf einem Film, den man in den Strahlengang bringt, sind regelmäßige Interferenzmuster zu beobachten.
Eine Verstärkung von Röntgenstrahlung tritt nur dann auf, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

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Der Winkel α ' , in dem die Röntgenstrahlung nachgewiesen wird, muss so groß sein wie der Winkel α , mit dem die Röntgenstrahlung auf den Kristall auftrifft.
  •  
Es muss eine von dem englischen Physiker WILLIAM LAWRENCE BRAGG (1890-1971) aufgestellte Beziehung gelten, die als BRAGG-Gleichung bezeichnet wird und die lautet:

k λ = 2 d sin α k k 1 , 2 , 3 , ... λ Wellenlänge d Abstand der Gitterebenen α k Reflexionswinkel (BRAGG-Winkel)

Die BRAGG-Gleichung kann genutzt werden, um die Wellenlänge von Röntgenstrahlung zu ermitteln oder um die kristalline Struktur von Stoffen zu untersuchen.

Reflexion von Röntgenstrahlung an den Ebenen des Gitters eines Kristalls

Reflexion von Röntgenstrahlung an den Ebenen des Gitters eines Kristalls

Ableitung der BRAGG-Gleichung

Die BRAGG-Gleichung ergibt sich aus einfachen geometrischen Überlegungen: Wir betrachten Röntgenstrahlen, die an zwei unterschiedlichen Gitterebenen reflektiert werden. Soll Verstärkung erfolgen, so muss der Gangunterschied gleich der Wellenlänge oder einem ganzzahligen Vielfachen davon sein. Betrachtet man den in Bild 2 dargestellten Fall, dann beträgt der Gangunterschied zwischen den Strahlen 1 und 2:

Δ s = 2 d sin α Mit der Bedingung für Maxima Δ s = k λ ( k = 1, 2 , ... ) und der Bezeichnung α k für den betreffenden Winkel k-ter Ordnung erhält man: k λ = 2 d sin α k

Röntgenstrukturanalyse

Die Interferenz von Röntgenstrahlen wird bei der Röntgenstrukturanalyse genutzt. Darunter versteht man ein Verfahren zur Bestimmung der Anordnung von Atomen und Ionen in Kristallgittern unter Verwendung von Röntgenstrahlung.
Das historisch älteste Verfahren ist das LAUE-Verfahren. Es geht auf die erste Form des Nachweises von Röntgenstrahlinterferenzen zurück (siehe oben). Bei diesem Verfahren wird ein Kristall mit Röntgenstrahlung unterschiedlicher Wellenlänge - sogenanntem weißem Röntgenlicht - bestrahlt. Dadurch bekommt man auf einem Film Schwärzungspunkte (Maxima) an verschiedenen Stellen. Das betreffenden Bild wird als LAUE-Diagramm bezeichnet.

Beim Drehkristallverfahren wird ein Kristall einer monochromatischen Röntgenstrahlung ausgesetzt. Auf einem dahinter liegenden Film oder Detektor werden die Maxima registriert. Es würden sich - wie beim LAUE-Verfahren - Punkte ergeben. Dreht man aber den Kristall gleichmäßig um eine Achse parallel zur Verbindungslinien Röntgenröhre - Film, so erhält man auf dem Film statt Punkten Kreise. Der Vorteil besteht darin, dass man Kreise besser ausmessen kann als Punkte.

Drehkristallverfahren

Drehkristallverfahren

Beim DEBYE-SCHERRER-Verfahren , benannt nach dem niederländischen Physiker PETER DEBYE (1884-1966) und dem schweizer Physiker PAUL SCHERRER (1890-1969), wird ebenfalls mit monochromatischer Röntgenstrahlung gearbeitet. Dabei nutzt man aber statt eines einzelnen Kristalls ein Kristallpulver, in dem sich eine Vielzahl kleiner Kristalle mit den unterschiedlichsten Orientierungen befinden. Damit ist stets für einige die BRAGG-Gleichung erfüllt. Auf einem Film entstehen dann, wie beim Drehkristallverfahren, Ringe.

DEBYE-SCHERRER-Verfahren

DEBYE-SCHERRER-Verfahren

Interferenz von Röntgenstrahlung - DEBYE-SCHERRER-Verfahren
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