HENRY BECQUEREL lebte in einer Zeit der Vollendung der klassischen Physik und des Beginns der Entwicklung der modernen Physik. Viele Physiker beschäftigten sich in dieser Zeit mit Katodenstrahlen und ihren Eigenschaften. HEINRICH HERTZ hatte 1886–1888 die Existenz elektromagnetischer Wellen nachgewiesen. RÖNTGEN entdeckte 1895 die X-Strahlen (Röntgenstrahlen). Ein wichtiger Bereich der physikalischen Forschung war die Untersuchung der Eigenschaften bereits bekannter Strahlungen sowie die Suche nach weiteren Arten von Strahlung.
HENRI ANTOINE BECQUEREL, meist kürzer HENRI BECQUEREL genannt, wurde am 15. Dezember 1852 in Paris geboren. Er entstammt einer bekannten Physikerfamilie: Sowohl sein Großvater wie auch sein Vater waren Physiker und als Professoren in Paris tätig. Damit wuchs auch HENRI BECQUEREL in einer Umgebung auf, in der er schon früh mit naturwissenschaftlichen und speziell mit physikalischen Problemen bekannt wurde.
Nach einer normalen schulischen Ausbildung und dem Studium an der berühmten École Polytechnique von 1872 bis 1874 setzte BECQUEREL sein Studium von 1874 bis 1877 an einer Ingenieursschule fort und wurde zum Straßen- und Brückenbauingenieur ausgebildet.
Nach seinem Ingenieurstudium wandte sich BECQUEREL aber relativ schnell der Physik zu. 1878 wurde er Assistent am Musée d'Histoire Naturelle in Paris und beschäftigte sich dort mit den verschiedensten naturwissenschaftlichen Problemen. Zehn Jahre später, im Jahre 1888, promovierte er an der Sorbonne, der Pariser Universität, über die Lichtabsorption in Kristallen.
Ein Jahr später wählte man BECQUEREL zum Mitglied der Académie des Sciences, 1908 wurde er kurz vor seinem Tode deren Präsident.
1891 wurde BECQUEREL Professor für Physik am Musée d'Histoire Naturelle in Paris. Er erhielt damit die Stelle, die vorher bereits sein Großvater und sein Vater inne hatten. 1892 wurde als als Professor an die École Polytechnique berufen.
1896 machte BECQUEREL seine bedeutendste Entdeckung, die ihn als Physiker bekannt machte: Er entdeckte die natürliche Radioaktivität. Für diese wissenschaftliche Leistung erhielt er zusammen mit dem Ehepaar MARIE und PIERRE CURIE 1903 den Nobelpreis für Physik. In den folgenden Jahren zog er sich allmählich aus der Forschung zurück. Bereits zur Zeit der Verleihung des Nobelpreises litt BECQUEREL unter schweren Radiumverbrennungen. Sie rührten daher, dass er stets eine Probe dieses radioaktiven Stoffes in seiner Westentasche trug. BECQUEREL starb am 25. August 1908 in Le Croisic in der Bretagne an den Folgen radioaktiver Strahlung. Ihm zu Ehren wurde die Einheit der Aktivität radioaktiver Stoffe BECQUEREL genannt.
Henri Antoine Becquerel (1852 bis 1908)
BECQUERELs erste wissenschaftliche Untersuchungen erfolgten im Bereich der Optik und der Kristallografie. Er beschäftigte sich u. a. mit der Untersuchung des Sonnenspektrums und gilt neben HERSCHEL als Entdecker der Infrarotstrahlung im Sonnenlicht.
In den achtziger Jahren waren Untersuchungen zur Lichtabsorption in Kristallen sein Forschungsschwerpunkt. Seit Beginn der neunziger Jahre beschäftigte sich Becquerel mit Erscheinungen der Fluoreszenz und der Phosphoreszenz, also mit Leuchterscheinungen, die unter bestimmte Bedingungen zustande kommen.
Die wichtigste Entdeckung BECQUERELs ist die Geschichte eines Irrtums. Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen im Jahre 1895 beschäftigten sich viele Forscher mit dieser neuen Art von Strahlung. BECQUERELnahm an, dass Röntgenstrahlen als Begleiterscheinungen von Fluoreszenz entstehen. Um das zu beweisen, setzte er in schwarzes Papier eingepackte Fotoplatten dem Sonnenlicht aus. Nur dann, wenn auf der Packung ein Stück Uransalz lag, das in der Sonne fluoresziert, war die Platte geschwärzt. BECQUERELs Auffassung schien bestätigt. Eines Tages ließ er eine solche Platte mit Uransalz mehrere Tage im Labor liegen, weil er vergebens auf Sonnenschein wartete. Schließlich entwickelte er die Platte, weil er nicht sicher war, ob sie noch brauchbar sei. Zu seiner Überraschung fand er die Umrisse des Uranstückes auf der Platte abgebildet - ohne Sonneneinwirkung.
Sofort erkannte er, dass er eine neue Strahlung entdeckt hatte, die das Uransalz aussendet. Er nannte diese Strahlung „Becquerel-Strahlung“. Kurze Zeit später setzte sich aber der von MARIE CURIE vorgeschlagene Name „radioaktive Strahlung“ durch.
Die Erscheinung, dass Uran und andere Stoffe Strahlung aussenden, nannte man auf Anregung von MARIE CURIE Radioaktivität. BECQUEREL hatte mit seinen Untersuchungen die natürliche Radioaktivität entdeckt, die dann vor allem von dem Ehepaar CURIE genauer untersucht wurde.
1899 wies BECQUEREL die magnetische Ablenkbarkeit von Betastrahlung nach und konnte somit feststellen, dass Betastrahlen schnell bewegte Elektronen sind.
In den darauffolgenden Jahren beschränkte sich BECQUEREL im Wesentlichen darauf, die Forschungen auf dem Gebiet der Radioaktivität zu verfolgen. Eigene wissenschaftliche Leistungen vollbrachte er nicht mehr.
Nachfolgend ist ein Auszug aus seinem grundlegenden Werk zur Radioaktivität angegeben, in dem er die Entdeckung der Radioaktivität beschreibt. Es heißt dort:
Die Versuche, von denen ich hier berichten möchte, beziehen sich auf die Strahlung, die von Kristallplättchen des Uran-Kalium-Doppelsulfats emittiert wird. Die Phosphoreszenz dieses Stoffes ist sehr intensiv, aber die Nachleuchtzeit nicht länger als eine Hundertstelsekunde. Die charakteristischen Eigenschaften der Lichtemission dieses Stoffes waren früher von meinem Vater untersucht worden, so daß ich Gelegenheit hatte, einige ihrer Besonderheiten näher zu studieren.
Es kann leicht gezeigt werden, daß die Strahlung, die von diesem Stoff emittiert wird, wenn er dem Sonnenlicht oder diffusem Licht ausgesetzt ist, nicht nur einige Lagen schwarzes Papier, sondern auch Metalle durchdringt, z. B. eine Platte oder dünne Schicht aus Aluminium.
Ich möchte aber folgende Tatsache betonen, der ich große Bedeutung beimesse und die gänzlich außerhalb des Kreises jener Erscheinungen liegt, deren Beobachtung zu erwarten ist. Dieselben Kristallplättchen, unter denselben Versuchsbedingungen auf die photographische Platte gelegt, abgeschirmt, aber selber von der Einwirkung äußerer Strahlung geschützt, also in völliger Dunkelheit gehalten, ergeben genau dieselben Wirkungen auf der photographischen Platte.
Ich beschreibe nun, wie ich zu dieser meiner Beobachtung gekommen bin. Ich hatte einige der oben beschriebenen Versuche Mittwoch, den 26. und Donnerstag, den 27. Februar, vorbereitet. Da jedoch an diesen Tagen die Sonne nur zeitweise schien, führte ich die geplanten Versuche nicht aus, sondern legte die Plattenbehälter zurück in eine dunkle Schublade, wobei ich das Uransalz auf ihnen liegen ließ. Da nun die Sonne auch an den folgenden Tagen nicht schien, entwickelte ich am
1. März die photographischen Platten in der Erwartung, sehr schwache Bilder zu bekommen. Im Gegensatz zu meinen Erwartungen, erschienen aber die Silhouetten in sehr großer Intensität. Ich dachte mir sofort, daß die Wirkung auch im Dunkeln auftritt und stellte die darauffolgenden Versuche demgemäß ein...
(Aus : H. BECQUEREL: Sur les radiations invisibles emises par les corps phosphorescents. Comptes Rendus 1896, 122, 420–421)
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