HEINRICH HERTZ lebte in einer Zeit, in der fast alle Grundprobleme der klassischen Physik geklärt schienen. Die Erkenntnisse aus der Elektrizitätslehre, der Wärmelehre und der Optik trugen zur Fundierung neuer Produktionszweige bei, die sich schnell entwickelten. Es entstanden solche interdisziplinären Gebiete wie die Astrophysik, die Biophysik oder die physikalische Chemie. Noch offen waren die Einordnung einiger Entdeckungen und die Lösung einiger ungeklärter theoretischer Probleme.
HEINRICH RUDOLPH HERTZ - meist wird der zweite Vorname weggelassen - wurde am 22. 2. 1857 als ältester Sohn des Rechtsanwaltes und späteren Senators GUSTAV HERTZ geboren. Seine Eltern legten Wert auf eine solide Erziehung. Nach Besuch einer Privatschule und häuslichem Unterricht besuchte er die Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg, wo er 1875 ein ausgezeichnetes Abitur ablegte.
Seine Begabung lag nicht nur auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet, auch Sprachen lagen ihm und sein handwerkliches Geschick war ebenfalls stark ausgeprägt. So besuchte er sonntags die Gewerbeschule, um dort handwerkliche Fähigkeiten zu erwerben. Als einer seiner dortigen Lehrer, ein Drechslermeister, nach Jahren hörte, HERTZ sei Professor geworden, soll er geantwortet haben: „Ach wie schade, was wäre das für ein tüchtiger Drechsler geworden!“ Nur in einem Fach - der Musik - versagte er völlig.
Typisch für HERTZ war neben seiner Vielseitigkeit auch lebenslang seine Bescheidenheit. Das mag ihn davon abgehalten haben, sofort eine wissenschaftliche Laufbahn anzustreben. Er beschloss, Ingenieurwissenschaften zu studieren und begann nach einer einjährigen Vorbereitung im Büro eines Architekten 1876 ein Studium in Dresden. Nach Ableistung seines einjährigen Militärdienstes setzte er das Studium an der Technischen Hochschule in München fort. Bald erkannte er, dass seine wirklichen Interessen der Naturwissenschaft gehörten und wechselte zunächst zur Universität in München, 1878 nach Berlin. Dort waren u. a. die berühmten Physiker GUSTAV KIRCHHOFF (1824–1887) und HERMANN VON HELMHOLTZ (1821–1894) seine Lehrer. Besonders HELMHOLTZ wurde bald auf HERTZ aufmerksam und hat seine wissenschaftliche Entwicklung stark beeinflusst.
Seine erste selbstständige wissenschaftliche Arbeit war die Lösung einer Preisaufgabe der Berliner Universität über den Nachweis der trägen Masse von Selbstinduktionsströmen. Diese Preisaufgabe bearbeitete er erfolgreich, wenn auch mit negativen Ergebnis. Bereits 1880 promovierte er mit einer theoretischen Arbeit über die Induktion in rotierenden Kugeln. Er erhielt das in Berlin selten vergebene Prädikat „magna cum laude“ (sehr gut).
Nach zwei Jahren Assistententätigkeit bei HELMHOLTZ in Berlin habilitierte sich HERTZ in Kiel in theoretischer Physik und war dort von 1883–1885 tätig. 1885 wurde er als Professor für Physik an die Technische Hochschule Karlsruhe berufen. Dort heiratete er 1886 ELISABETH DOLL, die Tochter eines Kollegen.
In den folgenden Jahren gelangen ihm in Karlsruhe seine grundlegenden Entdeckungen über elektromagnetische Wellen. Diese brachten ihm zahlreiche Ehrungen ein. 1889 erfolgte seine Berufung an die Universität Bonn. Kurz danach begann eine quälende Kiefererkrankung, der er am 1. 1. 1894 erlag, noch nicht 37 Jahre alt.
Zu Ehren von HEINRICH HERTZ wurde als Einheit der Frequenz das Hertz (Kurzzeichen: Hz) festgelegt. Die in der Nachrichtentechnik genutzten elektromagnetischen Wellen bezeichnet man auch als hertzsche Wellen.
Die Probleme, die zu seiner berühmtesten Entdeckung, dem Nachweis der elektromagnetischen Wellen, führten, beschäftigten ihn mehr als 10 Jahre seines Lebens.
Im Jahre 1863 hatte der Schotte JAMES CLERK MAXWELL (1831–1879) Erkenntnisse der Elektrodynamik seiner Zeit in den berühmten maxwellschen Gleichungen zusammengefasst. Neben bekannten Tatsachen enthielten diese Gleichungen auch viel Neues. Eine ihrer wesentlichen Aussagen war, dass nicht nur bewegte elektrische Ladungen, also elektrische Ströme, Magnetfelder erzeugen. MAXWELL behauptete, dass auch in der Umgebung veränderlicher elektrischer Felder magnetische Felder entstehen. So etwas wurde aber noch nie experimentell nachgewiesen. Wenn es aber richtig war, dann hatte das die Konsequenz, dass sich eine elektromagnetische Störung wellenförmig im Raum ausbreiteten müsste.
HELMHOLTZ interessierte sich dafür, machte das Problem im Jahre 1879 zu einer Preisaufgabe der Berliner Universität und forderte HERTZ zur Bearbeitung auf. HERTZ stellte nach kurzer Berechnung fest, dass nur extrem schnell veränderliche elektrische Felder messbare Magnetfelder erzeugen, falls dieser Effekt überhaupt existiert. Solche schnell veränderlichen Felder waren aber nur in sehr hochfrequenten Schwingungen möglich, die man mit damaligen Mitteln nicht erzeugen konnte.
Aus diesem Grund lehnte HERTZ die Bearbeitung der Aufgabe als aussichtslos ab. Aber seine „Aufmerksamkeit blieb geschärft für alles, was mit elektrischen Schwingungen zusammenhing“. Das belegen auch Einträge in seinem Tagebuch schon aus seiner Kieler Zeit. So heißt es dort:
Heinrich Hertz (1857 bis 1894)
Im Herbst 1886 begannen jene klassischen Experimente, die den wissenschaftlichen Ruhm von HEINRICH HERTZ begründeten. Seine „geschärfte Aufmerksamkeit“ ermöglichte ihm, eine zufällige Beobachtung bei der Vorbereitung und Erprobung eines Vorlesungsversuches richtig zu deuten: Beim Experimentieren mit elektrischen Entladungen bemerkte er das Überspringen von Funken an einer dicht danebenliegenden Spule. Er deutete diese Erscheinung als Resonanz. Offensichtlich war es möglich, mithilfe einer Funkenstrecke eine Spule mit wenigen Windungen zu schnellen elektrischen Schwingungen anzuregen. Am 2. Dezember 1886 heißt es in seinem Tagebuch:
„Gelungen, Resonanzerscheinung zwischen zwei elektrischen Schwingungen herzustellen“
Im Laufe weiterer Untersuchungen erkannte er, dass einfache langgestreckte Drähte - heute nennen wir sie Dipole oder Antennen - elektrische Schwingungen hoher Frequenz ermöglichen. Er erreichte bei den folgenden Versuchen Frequenzen von etwa 100 MHz, also den heutigen UKW-Bereich.
Mithilfe eines Funkeninduktors wird ein Dipol mit einer Funkenstrecke angeregt. Der Parabolspiegel reflektiert die entstehenden elektromagnetischen Wellen und bündelt sie.
In den weiteren Untersuchungen erforschte er die Eigenschaften elektromagnetischer Wellen und stellte fest, dass sie wie Licht reflektiert und gebrochen werden, sich polarisieren lassen und sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Damit wurde auch die Verbindung zwischen Elektrodynamik und Optik hergestellt: Licht ließ sich als elektromagnetische Welle einordnen An der Richtigkeit der maxwellschen Gleichungen zweifelte nun niemand mehr. HERTZ hat auch die maxwellschen Gleichungen auf die heute übliche einfache Form gebracht.
An eine Nutzung der nach ihm benannten hertzschen Wellen zur Nachrichtenübertragung hat er noch nicht gedacht. Er hielt sie auch nicht für möglich.
Während seiner Versuche beobachtete HERTZ 1887, dass der Funkenübergang in einer Funkenstrecke durch ultraviolettes Licht erleichtert wurde. Die weitere Untersuchung dieses Effektes überließ er seinen Mitarbeitern WILHELM HALLWACHS (1859–1922) und PHILIPP LENARD (1862–1947). Im Ergebnis der Untersuchungen wurde der lichtelektrische Effekt entdeckt.
In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte sich HERTZ mit Grundproblemen der Physik, insbesondere der Mechanik. Der folgende Text aus seinem Buch „Prinzipien der Mechanik“ (1894) zeigt, dass er dabei auch Fragen der Erkenntnisgewinnung behandelte. Hertz schrieb in der Einleitung zu diesem Buch:
Es ist die nächste und in gewissem Sinne wichtigste Aufgabe unserer bewußten Naturerkenntnis, daß sie uns befähige, zukünftige Erfahrungen vorauszusehen, um nach dieser Voraussicht unser gegenwärtiges Handeln einrichten zu können.
Als Grundlage für die Lösung jene Aufgabe der Erkenntnis benutzen wir unter allen Umständen vorangegangene Erfahrungen, gewonnen durch zufällige Beobachtungen oder durch absichtlichen Versuch. Das Verfahren aber, dessen wir uns zur Ableitung des Zukünftigen aus dem Vergangenen und damit zur Erlangung der erstrebten Voraussicht stets bedienen, ist dieses: Wir machen uns innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und zwar machen wir sie von solcher Art, daß die denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder die Bilder seien von den naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände.
Damit diese Forderung überhaupt erfüllbar sei, müssen gewisse Übereinstimmungen vorhanden sein zwischen der Natur und unserem Geiste. Die Erfahrung lehrt uns, daß die Forderung erfüllbar ist und daß also solche Übereinstimmungen in der Tat bestehen. Ist es uns einmal geglückt, aus der angesammelten bisherigen Erfahrung Bilder von der verlangten Beschaffenheit abzuleiten, so können wir an ihnen, wie an Modellen, in kurzer Zeit die Folgen entwickeln, welche in der äußeren Welt erst in längerer Zeit oder als Folgen unseres eigenen Eingreifens auftreten werden; wir vermögen so den Tatsachen vorauszueilen und können nach der gewonnenen Hinsicht unsere gegenwärtigen Entschlüsse richten.
Die Bilder, von welchen wir reden, sind unsere Vorstellungen von den Dingen; sie haben mit den Dingen die eine wesentliche Übereinstimmung, welche in der Erfüllung der genannten Forderung liegt, aber es ist für ihren Zweck nicht nötig, daß sie irgend eine weitere Übereinstimmung mit den Dingen haben. In der Tat wissen wir auch nicht und haben auch kein Mittel zu erfahren, ob unsere Vorstellungen von den Dingen mit jenen in irgendetwas anderem übereinstimmen als allein in eben jener einen fundamentalen Beziehung.
(Aus: Heinrich Hertz: Die Principien der Mechanik in neuem Zusammenhange dargestellt. 1894, Einleitung)
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