Gustav Hertz

GUSTAV HERTZ lebte in einer Zeit großer gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Umbrüche. In seine Lebenszeit fallen die beiden Weltkriege, die sein Leben entscheidend beeinflusst haben. Auf wissenschaftlichem Gebiet vollzogen sich gravierende Änderungen: Sein Onkel HEINRICH HERTZ (1857-1894) wies die Existenz elektromagnetischer Wellen nach und fand damit eine entscheidende Grundlage der modernen Nachrichtentechnik. MAX PLANCK (1858-1947) begründete im Jahr 1900 die Quantentheorie. Von ERNEST RUTHERFORD (1871-1937) und NIELS BOHR (1885-1962) wurden neue Atommodelle entwickelt. ALBERT EINSTEIN (1879-1955) schuf die Photonentheorie und die Relativitätstheorie, 1937 wurde die Kernspaltung entdeckt, die schließlich zur Entwicklung der Atombombe führte, an der auch GUSTAV HERTZ mit seinen Arbeiten in der Sowjetunion beteiligt war.

Kindheit, Ausbildung und Studium

GUSTAV HERTZ wurde als Sohn eines Rechtsanwalts am 22. Juli 1887 in Hamburg geboren. Sein Onkel war der berühmte Physiker HEINRICH HERTZ (1857-1894), der Entdecker der elektromagnetischen Wellen. Diese verwandtschaftliche Beziehung hatte allerdings nur geringen Einfluss auf das frühzeitige Interesse von GUSTAV HERTZ an mathematischen und physikalischen Problemen. Wichtiger war, dass sich sein Vater für die Arbeiten seines berühmten Bruders interessierte und sein Interesse für die Naturwissenschaften an seinen Sohn weitergab.
GUSTAV HERTZ besuchte ein Hamburg das Johanneum, ein Realgymnasium, in dem besonderer Wert auf die Naturwissenschaften gelegt wurde. Das verstärkte den Wunsch des Jungen nach einem entsprechenden Studium.

Nach seiner Reifeprüfung im Jahre 1906 studierte GUSTAV HERTZ zunächst zwei Semester in Göttingen und anschließend ein Semester in München. Hier entschloss er sich unter dem Einfluss von ARNOLD SOMMERFELD, einem seiner Münchner Lehrer, endgültig für die Physik.
Nach der Ableistung der obligatorischen einjährigen Militärzeit studierte HERTZ in Berlin weiter. Er begann 1909 unter der Leitung von HEINRICH RUBENS (1865-1922) an seiner Dissertation zum Thema „Über das ultrarote Absorptionsspektrum der Kohlensäure in seiner Abhängigkeit von Druck und Partialdruck“ zu arbeiten und schloss diese Arbeit 1911 erfolgreich ab.
Ab 1. Oktober 1911 war GUSTAV HERTZ als Assistent am Physikalischen Institut der Berliner Universität tätig. Hier begann auch seine enge Zusammenarbeit mit dem wenige Jahre älteren JAMES FRANCK, der sich 1911 an diesem Institut habilitierte.

Der FRANCK-HERTZ-Versuch

Die bedeutendste wissenschaftliche Leistung erbrachte GUSTAV HERTZ in den Jahren 1912 bis 1914 gemeinsam mit JAMES FRANCK in Berlin. Beide untersuchten systematisch des Verhalten von Quecksilberatomen bei Zusammenstößen mit bewegten Elektronen. Diese Elektronenstoßversuche ergaben, dass die Zusammenstöße von Elektronen mit Atomen erst ab bestimmten Werten und deren Vielfachen unelastisch sind und die übertragene Energie als Licht bestimmter Frequenz emittiert wird. Damit erhielt die Quantentheorie des Atoms eine experimentelle Grundlage. Die Versuche bestätigten zugleich das bohrsche Atommodell. Das wurde HERTZ und FRANCK allerdings erst um 1915 bewusst, insbesondere durch Hinweise von NIELS BOHR selbst.
Der grundlegende Versuch, den die beiden Physiker durchführten, wird heute als FRANCK-HERTZ-Versuch bezeichnet. Ausführliche Hinweise dazu sind unter dem Stichwort „FRANCK-HERTZ-Versuch“ zu finden. Beide erhielten für diese herausragende wissenschaftliche Leistung 1925 den Nobelpreis für Physik.
Zu diesem Versuch berichtet WILHELM WALCHER, ein Schüler von GUSTAV HERTZ, folgendes. Er hatte 1933 Studenten den FRANCK-HERTZ-Versuch mit folgenden Worten erläutert:

„Im Jahre 1913 schuf Bohr sein Atommodell, daraus folgt, daß man durch Elektronenstoß Atome anregen und ionisieren kann. Franck und Hertz taten dies 1914 und erhielten dafür 1925 den Nobelpreis.
Hertz stand zufällig hinter dem Sprecher, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: 'So war es nicht.'

Und WALCHER weiter:
„Es ist eben ein Irrtum, wenn man glaubt, Geschichte müsse logisch ablaufen.“

Erster Weltkrieg und die Nachkriegszeit

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde GUSTAV HERTZ eingezogen und 1915 schwer verletzt. Nach seiner Genesung war er in unterschiedlichen Einrichtungen tätig, u.a. in einer technischen Abteilung der Armee für Funkgeräte, ab 1917 an der Berliner Universität, ab 1920 im neu gegründete Laboratoriums der Philips-Glühlampenwerke in Eindhoven (Niederlande). 1919 heiratete er ELLEN DIHLMANN.
1926 wurde er als Professor für Physik an die Universität Halle (Saale) berufen, ab 1927 war er als Hochschullehrer an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg tätig. Unter seiner Leitung entstand dort ein neues physikalisches Institut. In seiner Forschungsarbeit konzentrierte er sich in dieser Zeit auf Diffusionsverfahren zur Trennung von Gasgemischen und versuchte, diese Verfahren auf die Trennung von Isotopen zu übertragen. Technisch bedeutsam wurden diese Arbeiten erst im Zusammenhang mit dem Bau von Atomwaffen.

Da wegen seiner jüdischen Abstammung seine Arbeit als Hochschullehrer behindert wurde, ging HERTZ 1935 in die Industrieforschung und übernahm den Aufbau und die Leitung eines Forschungslaboratoriums in den Siemens-Werken in Berlin. Er beschäftigte sich dort u.a. mit der Feldelektronenemission, Halbleitern, Gasentladungen und der Nutzung von Ultraschall. Einer seiner Mitarbeiter, E. W. MÜLLER, entwickelte 1937 in diesem Laboratorium das erste Feldelektronenmikroskop.
1941 starb seine Frau. Er heiratete 1943 CHARLOTTE JOLLASSE.

Tätigkeit in der Sowjetunion

1945 gehörte GUSTAV HERTZ zu den Physikern und Technikern, denen durch die Sowjetunion eine weitere Forschungsarbeit in diesem Land nahegelegt wurde. Er gründete und leitete an der Küste des Schwarzen Meeres, in der Nähe von Suchumi, ein Forschungsinstitut, das sich vor allem mit der Isotopentrennung beschäftigte und damit Beiträge zur Entwicklung einer sowjetischen Atombombe zu erbringen hatte. In einem weiteren Institut in der Nähe arbeiteten z.B. MANFRED VON ARDENNE und MAX STEENBECK ebenfalls an Themen, die mit dem sowjetischen Atombombenprojekt zusammenhingen. 1954 kehrte GUSTAV HERTZ nach Deutschland zurück.

Tätigkeit in der DDR

Nach seiner Rückkehr war GUSTAV HERTZ von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1961 als Professor für Physik an der Universität Leipzig tätig. Besondere Verdienste erwarb er sich in dieser Zeit bei der Entwicklung der Kernphysik. So gab er u. a. ein dreibändiges „Lehrbuch der Kernphysik“ heraus. HERTZ trat nachdrücklich für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein. Er gehörte zu den Unterzeichnern der berühmten Mainauer Erklärung von Nobelpreisträgern, in der sie zum verantwortungsbewussten Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aufriefen. Diese Erklärung ist im Wortlaut unten angegeben.
GUSTAV HERTZ wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen vielfach geehrt. Der bedeutende Physiker starb am 30. Oktober 1975 in Berlin.
Seit 1993 vergibt die Deutsche Physikalische Gesellschaft jährlich den GUSTAV-HERTZ-Preis (ehemals Physik-Preis).

Mainauer Erklärung der Nobelpreisträger

1955 trafen sich in Mainau am Bodensee eine Reihe von Nobelpreisträgern für Physik und Chemie und gaben die nachfolgende Erklärung ab, die als Mainauer Erklärung der Nobelpreisträger bekannt wurde.

Wir, die Unterzeichneten, sind Naturforscher aus verschiedenen Ländern, verschiedener Rasse, verschiedenen Glaubens, verschiedener politischer Überzeugung. Äußerlich verbindet uns nur der Nobelpreis, den wir haben entgegennehmen dürfen.
Mit Freuden haben wir unser Leben in den Dienst der Wissenschaft gestellt. Sie ist, so glauben wir, ein Weg zu einem glücklicheren Leben der Menschen. Wir sehen mit Entsetzen, daß eben diese Wissenschaft der Menschheit Mittel in die Hand gibt, sich selbst zu zerstören.
Voller kriegerischer Einsatz der heute möglichen Waffen kann die Erde so sehr radioaktiv verseuchen, daß ganze Völker vernichtet würden. Dieser Tod kann die Neutralen ebenso treffen wie die Kriegführenden.
Wenn ein Krieg zwischen den Großmächten entstünde, wer könnte garantieren, daß er sich nicht zu einem solchen tödlichen Kampf entwickelte? So ruft eine Nation, die sich auf einen totalen Krieg einläßt, ihren eigenen Untergang herbei und gefährdet die ganze Welt.

Wir leugnen nicht, daß vielleicht heute der Friede gerade durch die Furcht vor diesen tödlichen Waffen aufrechterhalten wird. Trotzdem halten wir es für eine Selbsttäuschung, wenn Regierungen glauben sollten, sie könnten auf lange Zeit gerade durch die Angst vor diesen Waffen den Krieg vermeiden; Angst und Spannung haben so oft Krieg erzeugt. Ebenso scheint es uns eine Selbsttäuschung, zu glauben, kleinere Konflikte könnten weiterhin stets durch die traditionellen Waffen entschieden werden. In äußerster Gefahr wird keine Nation sich den Gebrauch irgendeiner Waffe versagen, die die wissenschaftliche Technik erzeugen kann.
Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören zu existieren.

Mainau am Bodensee, 15. Juli 1955

Die Erklärung haben insgesamt zweiundfünfzig Wissenschaftler unterzeichnet, unter ihnen:
MAX BORN
WALTHER BOTHE
ADOLF BUTENANDT
ARTHUR H. COMPTON
CLINTON JOSEPH DAVISSON
PAUL ADRIEN MAURICE DIRAC
JAMES FRANCK
OTTO HAHN
WERNER HEISENBERG
GUSTAV HERTZ
GEORG VON HEVESY
FREDERIC JOLIOT-CURIE
IRENE JOLIOT-CURIE
MAX VON LAUE
WOLFGANG PAULI
LINUS PAULING
CECIL E. POWELL
CHANDRASEKHARA V. RAMAN
BERTRAND RUSSELL
FREDERICK SODDY
HAROLD C. UREY
HIDEKI YUKAWA

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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