Physikalische Experimente im Erkenntnisprozess
Als eine Frage an die Natur kann ein Experiment im Erkenntnisprozess unterschiedliche Funktionen haben:
- Das Experiment kann Mittel der Erkenntnisgewinnung sein. So lassen sich beispielsweise mithilfe von Experimenten Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen ermitteln oder der Wert von Naturkonstanten bestimmen.
- Das Experiment kann Mittel der Erkenntnissicherung sein. Es gehört zum Wesen naturwissenschaftlicher Forschung, Hypothesen und Prognosen aufzustellen. Der Wahrheitswert solcher Hypothesen oder Prognosen ist häufig zunächst unsicher. Leitet man aus ihnen experimentell prüfbare Folgerungen ab, so können durch die entsprechenden Experimente die abgeleiteten Folgerungen bestätigt oder widerlegt werden. Im Rückschluss bedeutet das eine Bestätigung oder Widerlegung der Hypothesen oder Prognosen. Dabei gilt: Ein positives experimentelles Ergebnis stützt eine Hypothese oder Prognose, ohne dass man aus einem einzelnen Ergebnis ableiten kann, ob sie tatsächlich richtig oder falsch ist. Ein negatives Ergebnis dagegen ist ausreichend, um eine Hypothese oder Prognose als falsch zu erkennen.
- Das Experiment kann Mittel der Erkenntnisanwendung sein. Gemeint ist damit, dass man mithilfe von Experimenten untersuchen kann, ob sich physikalische Zusammenhänge zwischen Größen z.B. für bestimmte technische Anwendungen eignen. So kann man z.B. experimentell ermitteln, ob Heißleiter bestimmter Zusammensetzung für Thermometer mit einem bestimmten Messbereich nutzbar sind oder welche Temperaturen erforderlich sind, um mit einem bestimmten Supraleiter das sehr starke Magnetfeld für einen Computertomografen zu erzeugen.
Grundsätzliche Anforderungen an physikalische Experimente
An ein physikalisches Experiment sind folgende grundsätzlichen Anforderungen zu stellen:
- Bedingungen, unter denen das Experiment durchgeführt wird, werden bewusst gewählt bzw. gesetzt. Dazu gehört z.B.: Es muss gesichert werden, dass konstant zu haltende Größen während des Experiments nicht verändert werden oder sich verändern.
- Parameter, die untersucht werden sollen, müssen veränderbar sein.
- Konstant zu haltende und sich ändernde Größen müssen erfassbar und auswertbar sein.
- Die Wiederholbarkeit des Experiments muss gesichert sein.
Forderungen an die Durchführung eines Experiments
Wichtige Forderungen an die Durchführung eines Experiments kann man für die drei Schritte formulieren, die zu einem Experiment gehören. An diesen Schritten kann man sich auch bei der Durchführung schulischer Experimente orientieren. Hinweise dazu sind darüber hinaus unter dem Stichwort „Experimentieren“ zu finden.
(1) Vorbereitung des Experiments
Zur Vorbereitung eines Experiments gehören u.a. folgende Schritte:
- Entwicklung der Experimentieranordnung
- Auswahl der Geräte und Hilfsmittel
- Überlegungen dazu, welche Größen konstant zu halten sind und wie das realisiert werden soll,
- Überlegungen dazu, welche Größen zu messen sind, wie die Größen variiert und wie sie erfasst werden sollen.
- Überlegungen dazu, wie genau die Messungen sein sollen und welche Anforderungen damit an die Messung der einzelnen Größen verbunden sind. Genauere Hinweise dazu findet man unter dem Stichwort „Fehlerbetrachtungen“.
(2) Durchführung des Experiments
Zur Durchführung eines Experiments gehören u.a. folgende Schritte:
- Aufbau der Versuchsanordnung.
- Planmäßige Durchführung des Experiments unter Einhaltung der gesetzten Bedingungen. Treten Abweichungen auf, so muss die Durchführung des Experiments unter Umständen wiederholt werden.
- Registrierung und Protokollierung der Messwerte bzw. der Beobachtungsergebnisse.
(3) Auswertung des Experiments
Zur Auswertung eines Experiments gehören u.a.:
- Die protokollierten Messwerte oder Beobachtungsdaten werden ausgewertet, z.B. in Diagrammen dargestellt oder rechnerisch ausgewertet.
- Es werden Fehlerbetrachtungen oder eine Fehlerrechnung durchgeführt, um die Genauigkeit des Ergebnisses zu erfassen.
- Das Ergebnis des Experiments wird zusammenfassend formuliert.
Arten von Experimenten
Bezogen auf die experimentellen Untersuchungen, die üblicherweise mit schulischen Mitteln durchgeführt werden, lassen sich folgende Arten von Experimenten unterscheiden:
(1) Experimente zur Bestimmung einer physikalischen Größe
Das Ziel solcher Experimente besteht in der Regel darin, den Wert einer Stoffkonstanten, einer Naturkonstanten oder einer anderen physikalischen Größe möglichst genau zu bestimmen.
Beispiele dafür sind die Bestimmung der Fallbeschleunigung mittels der Fallgesetze oder mithilfe eines Fadenpendels, die Bestimmung der Schmelzwärme eines Stoffes, die Bestimmung des Wirkungsgrades eines Transformators oder die Bestimmung der Geschossgeschwindigkeit.
(2) Experimente zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen zwei physikalischen Größen
Das Ziel solcher Experimente ist es, einen funktionalen Zusammenhang zwischen zwei Größen zu ermitteln, wobei in der Regel die eine Größe verändert wird und registriert wird, wie sich die zweite Größe dadurch ändert.
Beispiele dafür ist sind die Untersuchung der Abhängigkeit der Schwingungsdauer eines Fadenpendels von der Pendellänge, die Abhängigkeit des elektrischen Widerstands eines Thermistors von der Temperatur oder die Abhängigkeit des Wirkungsgrades eines Transformators von der Belastung.
(3) Experimente zur Bestätigung physikalischer Zusammenhänge
Dabei geht es häufig um die Bestätigung von bekannten Gesetzen, es können aber auch theoretisch abgeleitete Zusammenhänge, Hypothesen oder Prognosen sein, die der experimentellen Bestätigung bedürfen. Beispiele für solche Experimente sind die experimentelle Bestätigung des newtonsches Grundgesetzes, die Bestätigung, dass die Projektion einer gleichförmigen Kreisbewegung eine harmonische Schwingung ist oder dass die theoretisch hergeleitete Gleichung für die Spannung an einem belasteten Potenziometer richtig ist.