- Lexikon
- Physik Abitur
- 7 Atom- und Kernphysik
- 7.2 Physik des Atomkerns
- 7.2.1 Atomkerne, Radioaktivität und radioaktive Strahlung
- Anwendung von Radionukliden in Medizin und Technik
Beim Bestrahlungsverfahren wird die Eigenschaft radioaktiver Strahlung genutzt, in Stoffen chemische, biologische oder physikalische Veränderungen hervorzurufen, insbesondere auch Zellen zu beeinflussen. Nachfolgende sind einige Beispiele genannt.
Verbesserung der Lagerfähigkeit von Lebensmitteln: Zwiebeln, Kartoffeln und andere Lebensmittel müssen zum Teil über einen längeren Zeitraum mit möglichst wenig Qualitätsverlusten gelagert werden. Solche Qualitätsverluste treten vor allem durch Keimung auf. Führt man eine Bestrahlung mit radioaktiver Strahlung durch, so werden die besonders empfindlichen Keimzellen so beeinflusst, dass kaum Keimung auftritt und damit die Lagerfähigkeit wesentlich verbessert wird. Die bestrahlten Stoffe werden zwar beeinflusst, werden aber selbst nicht radioaktiv. Nachteilige Folgen der Nutzung des Verfahrens für den Verbraucher sind nicht bekannt.
Strahlentherapie: Radioaktive Strahlung kann genutzt werden, um Zellen nicht nur zu schädigen, sondern sie auch zu zerstören. Man spricht allgemein von Strahlentherapie. Sie wird u.a. zur Bekämpfung von Tumoren genutzt. Es erfolgt eine intensive Bestrahlung der Tumorzellen, wobei durch Bündelung der Strahlung und durch Bestrahlung aus unterschiedlichen Richtungen das umliegende Gewebe geschont wird. Da in den ersten Jahren der Nutzung dieses Verfahrens meist mit Cobalt-60 als Strahler gearbeitet wurde, nannte man die entsprechenden Geräte Kobaltkanonen . Um Tumorzellen zu zerstören, wird mit einer relativ hohen Strahlendosis gearbeitet. Die Energiedosis beträgt bei der Strahlentherapie zwischen 40 Gy und 70 Gy.
Nutzung in der Technik: Radioaktive Strahlung beeinflusst nicht nur die Zellen von Menschen, Tieren und Pflanzen, sondern auch von Werkstoffen. Das kann genutzt werden, um die Eigenschaften von Werkstoffen gezielt zu beeinflussen. So lässt sich z. B. die Reißfestigkeit dünner Folien aus Hochpolymeren (Polystyrol, Polyethylen) durch Bestrahlung mit radioaktiver Strahlung deutlich verbessern. Bei Halbleitern können durch Bestrahlung gezielt die elektrischen Eigenschaften verändern werden.
Beim Durchstrahlungsverfahren wird die Durchdringungsfähigkeit radioaktiver Strahlung von Stoffen und ihr Absorptionsvermögen in Stoffen genutzt. Damit kann man Werkstoffprüfungen durchführen, die Dichte, Konzentration oder Dicke von Stoffen messen oder Füllstandsmessungen realisieren.
Prüfung von Werkstoffen: Bei massiven Werkstücken (Trägern, Behältern, Lagerungen für Brücken) kann man mögliche Fehler oder Mängel von außen meist nicht erkennen. Die Werkstoffprüfung kann aber mithilfe radioaktiver Strahlung erfolgen. Das betreffende Werkstück wird durchstrahlt. Die hindurchtretende radioaktive Strahlung wird mit einem Strahlungsmessgerät erfasst oder mithilfe eines Films registriert. Ist ein Fehler in dem Werkstück vorhanden, so erfolgt dort eine andere Absorption radioaktiver Strahlung als bei den benachbarten Bereichen. Damit wird an der betreffenden Stelle eine andere Intensität der hindurchtretenden Strahlung registriert. Mit diesem Verfahren kann man nicht nur erfassen, ob in einem Werkstück Einschlüsse oder Luftblasen vorhanden sind, sondern
z. B. auch die Qualität von Schweißnähten prüfen.
Dicken- und Füllstandsmessungen: Bei der Herstellung von Folien aus Kunststoff oder von Papier muss ständig geprüft werden, ob diese Folien oder das Papier die gewünschte Dicke haben. Solche kontinuierlichen Dickenmessungen können mithilfe radioaktiver Strahlung durchgeführt werden. Dazu wird eine Strahlungsquelle mit einem langlebigen Radionuklid oberhalb der Folienbahn angebracht. Unterhalb befindet sich ein Empfänger, der die durch die Folien hindurchtretende Strahlung ständig registriert. Bei einer bestimmten Schichtdicke hat die hindurchtretende Strahlung einen bestimmten Wert. Ändert sich die Schichtdicke, so wird mehr oder weniger radioaktive Strahlung als vorher registriert. Über einen Regelungsmechanismus wird dann die Materialzufuhr so verändert, dass wieder die gewünschte Schichtdicke erreicht wird.
Füllstandsmessung in Behältern wird ebenfalls das Absorptionsvermögen radioaktiver Strahlung genutzt. Das Prinzip ist aus Bild 1 erkennbar. Bei einem geringen Füllstand (Bild 1a) gelangt die Strahlung direkt zum Empfänger. Vergrößert sich der Füllstand, so muss die radioaktive Strahlung auch durch die Flüssigkeit hindurchtreten (Bild 1b) und wird dort teilweise absorbiert. Die Intensität der beim Empfänger ankommenden radioaktiven Strahlung ist wesentlichen geringer. Durch Anbringen mehrerer Strahlungsquellen und Empfänger lässt sich der Füllstand in unterschiedlichen Höhen feststellen.
Messungen der Dichte und der Konzentration von Stoffen: Das Durchstrahlungsverfahren kann man auch zur Dichtemessung und zur Konzentrationsmessung nutzen. Chemische Stoffe werden häufig durch Rohrleitungen transportiert. Bringt man an einer solchen Rohrleitung auf der einen Seite eine Strahlungsquelle und auf der anderen Seite einen Strahlungsempfänger an, so wird vom Empfänger bei einer bestimmten Dichte des Stoffes eine bestimmte Intensität der hindurchtretenden Strahlung registriert. Ändert sich die Dichte des Stoffes, so ändert sich auch sein Absorptionsvermögen. Es kommt mehr oder weniger Strahlung beim Empfänger an. Die Intensität der hindurchtretenden Strahlung ist somit ein Maß für die Dichte des Stoffes, der durch die Rohrleitung strömt.
In ähnlicher Weise können auch Konzentrationsmessungen durchgeführt werden.
Prinzip einer Füllstandsmessung
Beim Markierungsverfahren werden Radionuklide dazu genutzt, um die Anreicherung oder den Weg von Stoffen im menschlichen Körper, bei Tieren und Pflanzen, in Rohrleitungen, in Maschinen und Anlagen oder im Erdboden zu verfolgen. Das Grundprinzip des Verfahrens besteht darin, dass an einer geeigneten Stelle ein Radionuklid eingebracht wird und die Anreicherung dieses Radionuklids an bestimmten Stellen oder sein Weg verfolgt wird. Die Registrierung erfolgt mithilfe von Strahlungsmessgeräten, die die räumliche Verteilung des Radionuklids erfassen, indem sie die von dem Radionuklid ausgehende radioaktive Strahlung messen. Das Verfahren wurde 1913 zum ersten Male von den Radiochemikern G. HEVESY und F. PANETH angewendet und wird heute in vielen Bereichen der Technik und der Medizin genutzt.
Untersuchung der Schilddrüse: Das Markierungsverfahren wird u. a. verwendet, um beim Menschen die Schilddrüse auf krankhafte Veränderungen zu untersuchen. Dabei wird die Eigenschaft der Schilddrüse genutzt, dass sich in ihr Iod bevorzugt anreichert. Aus der Konzentration in einzelnen Teilen lassen sich Rückschlüsse auf die Organfunktion ziehen. Bei der Untersuchung wird zunächst radioaktives Iod gespritzt. Dieses radioaktive Iod reichert sich sehr schnell in der Schilddrüse an und gibt radioaktive Strahlung ab. Mit einem speziellen Zähler zur punktförmigen Aufnahme von Messwerten wird die Strahlung des radioaktiven Iods registriert und mithilfe eines Computers ausgewertet.
Das Bild, das der Arzt erhält, wird als Szintigramm bezeichnet. Aus einem solchen Szintigramm ist für den Arzt erkennbar, ob krankhafte Veränderungen der Schilddrüse vorliegen oder nicht.
Dieses Untersuchungsverfahren, die Szintigrafie , wurde in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt und ist heute ein Standardverfahren. Während man früher das Radionuklid Iod-131 mit einer Halbwertszeit von etwa 8 Tagen nutzte, wird heute in der Regel Iod-123 mit einer Halbwertszeit von 12,3 Stunden oder Technetium-99 verwendet. Dadurch ist die Strahlenbelastung des Patienten deutlich geringer als bei den Untersuchungen, die früher durchgeführt wurden. Die Aktivitäten der Radionuklide, die dabei auftreten, liegen zwischen 2 MBq und 40 MBq.
Neben Untersuchungen der Schilddrüse können mit diesem Verfahren auch die Leber und die Bauchspeicheldrüse untersucht werden. In welches Organ ein Radionuklid bevorzugt wandert, hängt davon ab, in welche chemische Verbindung es eingebaut worden ist.
Weg von Stoffen in einer Pflanze: Das Markierungsverfahren kann auch genutzt werden, um den Transportweg von Stoffen in einer Pflanze zu verfolgen. Dazu wird z. B. dem Wasser, das die Pflanze aufnimmt, ein Radionuklid beigegeben und die von der Pflanze dann ausgehende radioaktive Strahlung in zeitlichen Abständen gemessen. Man erhält damit jeweils ein Bild darüber, wo sich das Radionuklid befindet und wie sich seine Verteilung verändert hat. Bild 2 zeigt zwei Aufnahmen einer Pflanze: In Bild 2a ist das Radionuklid Phosphor-32 im Stängel konzentriert. Nach einer gewissen Zeit ist es zu den Blatträndern gewandert (Bild 2b).
Als Radionuklide für das Markierungsverfahren nutzt man u. a. neben den beiden bereits genannten Iod-123 und Technetium-99 auch Kohlenstoff-14, Calcium-45, Caesium-137 und Cobalt-60.
Szintigramm einer Schilddrüse
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