Tonarten

Überblick

Als Tonart bezeichnet man die Bestimmung des Tongeschlechts als Dur und Moll auf einer bestimmten Tonstufe. In der abendländischen Musik der Neuzeit wurden und werden die Tonarten durch die Tonleiter (melodisch) und die Kadenz (harmonisch) dargestellt.

Bestimmend für Dur ist die große Terz eines Dreiklangs (z.B. c–e–g), für Moll die kleine Terz (z.B. a–c–e). Grundskalen sind C-Dur und a-Moll. Aus der Transposition der beiden Grundskalen auf andere Ausgangstöne ergeben sich mit jeweils 12 Durtonarten und Molltonarten die 24 Tonarten des sogenannten temperierten Systems. Da sich z.B. Fis- und Ges-Dur im temperierten System klanglich nicht unterscheiden, lassen sich die Tonarten als Quintenzirkel darstellen.

Molltonarten und Durtonarten mit denselben Vorzeichen heißen Paralleltonarten; quintverwandt (beziehungsweise terzverwandt) heißen Tonarten, deren Grundtöne zueinander im Verhältnis einer Quinte (beziehungsweise Terz) stehen.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts hat dieses Tonartensystem seine Verbindlichkeit für die Werke der Kunstmusik weitgehend eingebüßt (so in der atonalen, seriellen und elektronischen Musik). Andererseits sind die meisten Menschen von diesem System so geprägt, dass die meisten Rock- und Pop-Titel heriauf basieren.

Dur und Moll

In der mehrstimmigen Musik des 17. Jahrhunderts verschwand die Vorherrschaft der Kirchentonarten und mit ihren sieben Stammtönen allmählich. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde die wohltemperierte Stimmung eingeführ und brachte eine Bereicherung der harmonischen Möglichkeiten:

  • Alle zwölf Tonhöhen waren gleichberechtigt; es gab keine Haupt- und Nebentöne mehr. Dies bedeutete, dass nicht nur mit den weißen Tasten des Klaviers, sondern nun auf jedem der zwölf Töne eine Dur- oder Molltonleiter gebildet werden konnte. Das siebenstufige Tonmaterial (diatonisches Tonmaterial) der jeweiligen Tonleiter wird durch Vorzeichen am Anfang jedes Notensystems (Generalvorzeichen) festgelegt und bildet die Dur-Tonart bzw. die parallele Moll-Tonart (Beispiel: C-Dur ist zu a-Moll parallel, G-Dur zu e-Moll).
     
  • Melodien, und Harmoniefolgen konnten nun beliebig transponiert werden, d.h. in einer anderen Tonhöhe gespielt werden, ohne dass sich das Klangbild veränderte, und Musikstücke konnten in allen zwölf Dur- und Molltonarten komponiert werden.
     
  • Töne konnten nun beliebig enharmonisch verwechselt werden (enharmonische Verwechslung bedeutet, dass zum Beispiel fis und ges oder a-is und b auf dem Klavier gleich klingen).

In der Notenschrift und in der Anordnung der Klaviertasten hat sich die Struktur aus sieben Haupttönen (weiße Tasten, Noten ohne Versetzungszeichen) und fünf Nebentönen (schwarze Tasten, Noten mit Versetzungszeichen) bis heute erhalten, obwohl seit dem 18. Jahrhundert alle Töne gleichberechtigt sind.

Ein Meilenstein dieser Entwicklung ist das „Wohltemperierte Klavier“ (1722/1744), ein Zyklus von zwei Mal vierundzwanzig Präludien und Fugen in allen zwölf Dur- und Molltonarten, das JOHANN SEBASTIAN BACH als Demonstration der neuen harmonischen Vielfalt präsentierte.

Der neuen Vielfalt der Tonarten steht aber auch eine Vereinfachung gegenüber: Von den vier bzw. acht „Modi“ mit ihrem individuellen melodischen Charakter bleiben im 18. Jahrhundert die zwei Tongeschlechter Dur und Moll übrig.

Was ist nun der Unterschied zwischen den Tongeschlechtern Dur und Moll?

Das lateinische durus bedeutet „hart“ (englisch major) und klingt auch so im Vergleich mit Moll. Dur ist die „männliche“ der beiden in der tonalen Musik üblichen Tongeschlechter.

Die Durtonleiter ist durch je einen Halbtonschritt zwischen dem 3. und 4. sowie dem 7. und 8. Ton, vom Grundton aus gerechnet, bestimmt, der Durdreiklang entsprechend durch die große Terz. Melodisch-harmonisch wichtige Töne sind Leitton (Lt) und Gleitton (Gt).

Das lateinische mollis bedeutet „weich“ (englisch minor). Moll ist das „weibliche“ Tongeschlecht. Charakteristisches Intervall ist die kleine Terz im 1. Tetrachord.
Es werden drei Molltonleitern (abweichend im 2. Tetrachord) unterschieden:

  • natürliches Moll (reines Moll, äolisch Moll)
  • harmonisches Moll (Erhöhung der 7. Stufe) und
  • melodisches Moll (Erhöhung der 6. und 7. Stufe bei der Aufwärtsbewegung, in der Praxis wird bei der Abwärtsbewegung meist wieder das natürliche Moll verwendet).

Aufgrund der sich durch den künstlichen Leitton im harmonischen Moll ergebenden Durdominante (Kadenz) war diese Leiter in der Schlager- und Unterhaltungsmusik bestimmend; erst mit dem Aufkommen der Beat- und der nachfolgenden Rockmusik trat unter dem Einfluss der Folklore auch das reine (natürliche) Moll wieder in den Vordergrund.

Quintverwandtschaft, Quintenreihe und Quintenzirkel, Transposition

Jede Tonart hat eine bestimmte Anzahl von Vorzeichen, die in ihrer Tonleiter enthalten sind. Wenn man die Tonarten in einer Reihe nach der Zahl ihrer Vorzeichen anordnet, stehen die Grundtöne benachbarter Tonarten jeweils im Abstand einer Quinte (Quintenreihe). Zwei solche Nachbartonarten haben sechs gemeinsame Töne; sie unterscheiden sich nur in einem einzigen Ton; dies wird Quintverwandtschaft genannt.

Beipiel: G-Dur und D-Dur sind quintverwandte Tonarten. D-Dur enthält cis, G-Dur enthält c. Alle anderen Töne kommen in beiden Tonleitern vor.

Bezüglich der Anzahl der Vorzeichen und der Quintverwandschaft gilt für die Tonarten folgende Regel:

Eine Quinte aufwärts: ein Kreuz mehr oder ein Be weniger.
Eine Quinte abwärts: ein Be mehr oder ein Kreuz weniger.

Merksatz für die Reihenfolge der Kreuztonarten:

„Geh, du alter Esel, hole Fisch“ (G D A E H Fis)

Merksatz für die Reihenfolge der Be-Tonarten:

„Frische Brötchen essen Assessoren des Gesetzes“ (F B Es As Des Ges)

Theoretisch könnte man die Reihe nach links oder rechts unendlich fortsetzen; man „biegt“ aber die beiden Enden der Quintenreihe an der Stelle zu einem Quintenzirkel zusammen, an der erstmals zwei identische (allerdings enharmonisch verwechselte) Grundtöne zusammentreffen, indem man die beiden Tonarten Fis-Dur (sechs Kreuze) und Ges-Dur (sechs Be) gleichsetzt.

Dieser Quintenzirkel hat zwölf Durtonarten, und jede Durtonart hat eine entsprechende Molltonart (Mollparallele), die die gleichen Vorzeichen hat, aber eine kleine Terz tiefer liegt. Man kann eine Melodie in allen zwölf Tonarten spielen; jede Transposition hat andere Vorzeichen.

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