Tom Dowd

Kindheit und Jugend

TOM DOWD, * 20.10.1925 in New York,  wuchs als Kind einer Opernsängerin und eines Konzertmeisters in einem musikalischen Elternhaus auf, das ihm Instrumentalunterricht in Klavier, Violine, Tuba und Kontrabass ermöglichte. Nach dem Abschluss der New Yorker Stuyvesant High School vervollkommnete er ab 1942 seine musikalische Ausbildung am City College of New York. Nebenher wirkte er in einer Studenten-Band an der New Yorker Columbia University mit, die er ab 1943 leitete. Ende 1943 wurde er zum Militär eingezogen und beim Bau der US-Atombombe (Manhattan Projekt) eingesetzt. Sein Plan, nach Kriegsende Nuklear-Physik zu studieren, scheiterte an der Geheimhaltung des Manhattan Projekts, das ihn zum Geheimnisträger gemacht hatte und eine Tätigkeit in einem hierfür relevanten zivilen Bereich ausschloss.

Anfänge als Toningenieur

Er begann eine Tätigkeit als freiberuflicher Toningenieur, die ihn 1949 mit Atlantic Records in Kontakt brachte, für die er „Drinkin' Wine Spo-dee-O-Dee“ des Rhythm & Blues-Sängers STICK McGHEE (1917–1961) aufnahm. Der Erfolg der Aufnahme begründete eine langjährige Zusammenarbeit mit Atlantic Records, die ihn 1954 schließlich zum leitenden Aufnahmeingenieur des renommierten Soul-Labels werden ließ. Sein transparentes Klangdesign wurde zu einem Markenzeichen des Atlantic Sounds. Er zeichnete für zahllose stilprägende Aufnahmen u.a. der CLOVERS, von RUTH BROWN (1928-2006), JOE TURNER (1911–1985), CLYDE McPHATTER (1932–1972), LaVern BAKER (1982–1997), der DRIFTERS und RAY CHARLES (1930–2004), aber auch von Jazzmusikern wie JOHN COLTRANE (1926–1967), ORNETTE COLEMAN (geb. 1930), THELONIOUS MONK (1917–1982) und CHARLIE PARKER (1920–1955) verantwortlich.

Technische Innovationen

Das Klangbild seiner Aufnahmen resultierte aus einer Reihe technischer Innovationen, die TOM DOWDS Ruf als einen der führenden Toningenieure seiner Zeit begründeten. Er galt in den 1950er Jahren als ein Meister der damals eher selten genutzten Mehrkanalaufnahme, d.h. Vokalist und die diversen Instrumentengruppen (Melodieinstrumente, Rhythmusinstrumente, Soloinstrumente) wurden jeweils mit einem eigenen Mikrofon aufgenommen. Da bis 1954 nur Vollspuraufnahmen möglich waren, wurden die Mikrofone über ein Mischpult zu einem Tonsignal zusammengefasst. Die maximal achtkanaligen Mischpulte waren mit großen Drehreglern ausgestattet, die ein Mitregeln während der Aufnahme nur sehr begrenzt zuließen. Gerade das aber machte die Aufnahmen, bei denen TOM DOWD an den Reglern saß, so einzigartig. Um statt mit zwei Händen mit allen zehn Fingern während der Aufnahme mitregeln zu können, ließ er sich 1954 für die Aufnahme des Soul-Klassikers „I Got a Woman“ von RAY CHARLES, der als Initialsong der Soulmusik gilt, Schieberegler in sein Mischpult einbauen, die sich mit der Fingerspitze auf- und abführen ließen. Damit etablierte er einen Standard, der sich bis heute nicht wesentlich verändert hat, nur dass  moderne Studiomischpulte bis zu 128 Kanäle mit Schiebereglern aussteuerbar machen.

Zwei Jahre später ließ er sich von der amerikanischen Firma Ampex eine Achtspur-Tonbandmaschine in das New Yorker Atlantic Studio stellen, die erste in einem Musikstudio. Die Mehrspurtechnik, der er damit den Weg in die Musikproduktion ebnete, ermöglichte die getrennte Aufzeichnung der Mikrofonsignale und ihre nachträgliche kontrollierte Abmischung, in dem die acht getrennt aufgezeichneten Spuren anschließend auf ein Vollspur- später Zweispurstereo-Band umkopiert wurden. So konnte er ungemein differenzierte Klangbilder realisieren, für die er berühmt wurde. Das 1959 erschienene Ray Charles-Album „What I'd say“ war das erste, das mit der neuen Achtspurtechnik aufgenommen worden ist.

Und noch eine aufnahmetechnische Besonderheit hat die von ihm kreierten Klangbilder charakterisiert und ihn berühmt gemacht. Es war die für den Atlantic Sound damals wichtigste Komponente. Eigenhändig hatte er ein ausgedientes Büro durch Verkleidung mit unregelmäßig angebrachten Wandfliesen, die jede in einem anderen Winkel zur Wand aufgesetzt waren, in eine einzigartige Echo-Kammer verwandelt. Echo-Kammern dienten zur Erzeugung künstlicher Raumeffekte, die den Aufnahmen zugemischt wurden. Genutzt wurde dabei die Reflexionseigenschaften leerer Räume, in deren einer Ecke ein Lautsprecher stand, in der anderen ein Mikrofon. Wurde beispielsweise das Signal des Bassmikrofons auf den Lautsprecher in der Echokammer gelegt und über das Mikrofon in der anderen Raumecke der Aufnahme wieder zugeführt, ließ das den Bass viel voluminöser klingen. Echo-Kammern spielten in der Musikproduktion bis zu ihrer Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Genutzt wurde von Treppenhäusern, Toiletten bis zu eigens dafür gebauten Räumen alles, was einen hörbaren Raumeffekt erwarten ließ. Der in den Tiefen voluminöse, zugleich transparente Atlantic Sound, über den die Singstimme deutlich abgehoben zu schweben scheinen, ohne hallig zu werden, ist der Echo-Kammer von TOM DOWD geschuldet.

Memphis und Miami

Ein Label-Vertrag, den Atlantic mit den in Memphis beheimateten Stax Records abgeschlossen hatte, führte TOM DOWD ab 1962 in die unter seiner Leitung technisch neu ausgestatteten Stax-Studios, wo er u.a. Aufnahmen mit SOLOMON BURKE  (geb. 1940) und OTTIS REDDING (1941–1967) betreute.  Auf gleicher Grundlage arbeitete er wenig später in den Muscle Shoal-Studios in Alabama für die Atlantic-Produktionen von ARETHA FRANKLIN (geb. 1942) und WILSON PICKETT (1941–2006). Ab 1969 nahm er für Atlantic Records in der Criteria Studios Miami u.a. die ALLMAN BROTHERS, ERIC CLAPTON (geb. 1945). LYRNYRD SKYNYRD, MEATLOAF (MARVIN LEE ADAY, geb. 1947), die DEXY'S MIDNIGHT RUNNERS, PHIL COLLINS (geb. 1951) und TINA TURNER (geb. 1939) sind weitere Namen aus der langen Reihe von hochkarätigen Künstlern, die er bis zu seinem Tod in den Criteria Studios als Toningenieur, in den letzten zwei Dekaden auch als Toningenieur/Produzent betreut hat.

TOM DOWD gehört zu einer handvoll von Studioprofis, die die Musikproduktion tiefgreifend verändert haben. Er starb am 27. 10. 2002 in seinem Haus in Florida.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

Lexikon Share
Lernprobleme?
 

Mit deinem persönlichen Nachhilfe-Tutor Kim & Duden Learnattack checkst du alles.

  • KI-Tutor Kim hilft bei allen schulischen Problemen
  • Individuelle, kindgerechte Förderung in Dialogform
  • Lernplattform für 9 Fächer ab der 4. Klasse
  • Über 40.000 Erklärvideos, Übungen & Klassenarbeiten
  • Rund um die Uhr für dich da

Einloggen