An die Stelle des bis dahin für den Jazz charakteristischen spontanen Aufeinander-Reagierens im Musizieren auf der Basis vorher getroffener Absprachen (Head Arrangement) trat im Swing nun das geschriebene Arrangement, denn anders war das Zusammenspiel bei einer größeren Anzahl von Musikern nicht mehr zu organisieren. Hinter jeder erfolgreichen Band stand damit im Swing ein profilierter Arrangeur. Die Ausdrucksmöglichkeiten für die Musiker blieben jetzt auf die in den Stückablauf eingefügten Soli beschränkt. Die durcharrangierten Stücke ließen dafür aber einen erheblichen Ausbau der harmonischen Basis zu, so dass immer kompliziertere Akkordfolgen mit spätromantisch-impressionistischen Einflüssen, chromatischen Vorhalts-, Durchgangs- und Wechselakkorden das musikalische Geschehen zu beherrschen begannen. Damit setzte sich auch der homophone Satzaufbau, der sich im Chicago Jazz schon angedeutet hatte, endgültig durch. Zum wichtigsten und Namen gebenden Kennzeichen der neuen Spielweise wurde jedoch die „swing“ genannte metrisch-rhythmische Eigenschaft des Jazz, die hier mit dem durchgängigem Offbeat-Spiel ganzer Melodiepassagen (Offbeat-Phrasierung) eine besondere Dominanz erhielt. So wurde jetzt zum Stilkriterium, was zuvor nur als ein Mittel der Ausdruckssteigerung im Jazz an den melodischen Höhepunkten eingesetzt war.
Als erste weiße Band dieses Stils begann das CASA LOMA ORCHESTRA des Altsaxophonisten GLEN GRAY (1906–1963) ab Ende der 1920er-Jahre mit der Popularisierung des Swing. Wirklich durchgesetzt hat er sich jedoch ab 1935 dann mit dem Orchester von BENNY GOODMAN. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte der Rundfunk dabei, eine zwischen Dezember 1934 und Mai 1935 als Werbekampagne von der National Biscuit Company organisierte Radio-Show mit drei Bands unterschiedlicher Stilrichtung, darunter auch das BENNY GOODMAN ORCHESTRA, die über die Rundfunkstationen der NBC wöchentlich landesweit ausgestrahlt wurde und den Siegeszug des Swing einleitete.
„Let’s Dance“ (1934), die Erkennungsmelodie des Goodman-Orchesters, wurde zum Synonym für den Swing. In der Folge dessen kam fast schlagartig noch eine Reihe anderer Bands zu großer Popularität, die dann neben dem Goodman-Orchester zu den Hauptrepräsentanten des Swing gehörten:
Dass die künstlerischen Leiter jetzt Instrumente vertraten, die bisher nicht als Lead-Instrumente (Führungsinstrumente) üblich gewesen sind, weist darauf hin, dass mit dem Swing-Stil sich auch die Funktion einzelner Instrumente im Jazz veränderte. So wurden nun alle Rhythmusinstrumente auch als vollwertige und gleichberechtigte Soloinstrumente behandelt, was insbesondere dem Klavier eine weitaus größere Bedeutung eingebracht hat. Die Klarinette war jetzt häufig als Soloinstrument eingesetzt, und es entstand der Bläsersatz, der die Blasinstrumente wie einen einheitlichen, in sich geschlossenen und homogenen Klangkörper führt. Mit der E-Gitarre, dem Vibraphon und dem Xylophon kamen neue Melodieinstrumente hinzu.
GLENN MILLER (1904–1944) war mit seiner Big Band einer der Protagonisten der Swingära.
Immer deutlicher prägte sich im Swing auch der Doppelcharakter aus, den der Jazz im Spannungsfeld zwischen Tanzmusik und konzertanter Darbietung inzwischen angenommen hatte:
Das Ende der Swing-Ära wurde durch den Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg ausgelöst, denn die sich häufenden Einberufungen zum Militär machten es in den meisten Fällen unmöglich, die Big Bands zu halten. Nach dem Krieg kam es innerhalb der kommerziellen Tanzmusik zu einer Renaissance des Swing-Stils, die Jazzentwicklung selbst führte mit dem Bebop nicht nur vom Swing, sondern von da ab auch von der Funktion des Jazz als Tanzmusik weg.
Stand: 2010
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