Der Beruf des Studiomusikers entstand mit der systematischen Nutzung des Phonographen von THOMAS ALVA EDISON (1847–1931) als Unterhaltungsmaschine Ende des 19. Jahrhunderts. Bereits EDISON selbst unterhielt in seinem Laboratories in West Orange, New Jersey, ab 1896 ein eigenes Aufnahmestudio mit fest angestellten Musikern, die für seine im gleichen Jahr gegründete National Phonograph Company tätig waren. In den 1910er-Jahren war daraus ein komplettes Studioorchester geworden.
Die Praxis, die Tonträger von hauseigenen Musikern bespielen zu lassen, hatte nicht zuletzt technische Gründe und war bald allgemein üblich. Angesichts der Grenzen des Aufnahmeverfahrens in der Frühzeit der Musikproduktion verlangte die Tätigkeit im Studio nicht nur eine hohes Maß an musikalischer Professionalität, sondern die Fähigkeit zur Anpassung an die teils noch sehr mühseligen und umständlichen Aufnahmeprozeduren.
Beim kleinsten Einspielfehler musste bis zur Einführung des Magnettonbandes Ende der 1940er-Jahre jede Aufnahme komplett wiederholt werden, wobei die ab 1925 eingesetzten elektrischen Aufzeichnungsgeräte unter Umständen auch solche Spielfehler hörbar machten, die normalerweise akustisch untergegangen wären, denn die Positionierung der Musiker vor dem Mikrofon war, um ein einigermaßen ausbalanciertes Klangergebnis zu erhalten, nicht musikalischen, sondern physikalischen Gesichtspunkten verpflichtet – laute und in der Mittellage liegende Instrumente nach hinten, leise Instrumente im Vordergrund, dabei tief liegende weiter vorn als die durchdringenderen hohen Lagen.
Und auch ansonsten bedingten beim damaligen Stand der Technik technische Parameter, wie etwa Frequenzgang der Aufnahmeapparatur oder Auslöschungseffekte bei der Transformation der Schallschwingungen in elektrische Impulse und wieder zurück – von dem zuvor üblichen mechanischen Verfahren der Tonaufzeichnung gar nicht zu reden –, eine spezifische Musikalität, die sich nicht mehr allein am eigenen Instrument, sondern am technischen Gesamtergebnis orientieren musste, denn musikalisch relevant war hier nur das, was der Hörer am Ende der apparativen Kette aus dem Lautsprecher empfing.
Bis in die 1950er-Jahre hinein verfügte praktisch jede Plattenfirma über ein eigenes Ensemble, das für ihre Einspielungen verantwortlich zeichnete. Zu den bekanntesten in Deutschland gehörte das Odeon-Studio-Tanzorchester unter BILLY BARTHOLOMEW (1901–1972) der Odeon Schallplatten GmbH, das in den dreißiger Jahren zu den wichtigsten deutschen Repräsentanten des Jazz gehörte.
Auch die Sendeanstalten unterhielten unmittelbar nach Gründung des Rundfunks eigene Klangkörper. In Deutschland, wo das Rundfunkzeitalter 1923 begann, verfügte bereits Ende der 1920er-Jahre jede der neun Reichsrundfunkstationen sowohl über ein Sinfonie- wie über ein Unterhaltungsorchester. In den 1930er-Jahre bemühte sich die Musikergewerkschaft in den USA, die American Federation of Musicians, sogar eine zeitlang, wenn auch erfolglos darum, zur Sicherung von Arbeitsplätzen den Radiostationen eine Mindestzahl von fest angestellten Studiomusikern gesetzlich vorzuschreiben. Auch bei den Filmstudios gehörten eigene Klangkörper mit Studiomusikern nach Einführung des Tonfilms 1927 zum Standard.
Mit den sich erweiternden technischen Möglichkeiten der Aufnahmestudios wuchsen auch die Anforderungen an die Studiomusiker. Zwar wurde auf die großen Klangkörper schon aus Kostengründen in den Aufnahmestudios nach und nach verzichtet, zumal Musikaufnahmen nun auch ohne größere Schwierigkeiten aus dem normalen Musiziervorgang heraus möglich waren. Aber es blieben die Spezialisten.
Das Berufsbild des Studiomusikers entwickelte sich ab den 1950er-Jahren in zwei ganz unterschiedliche Richtungen. Zum einen etablierten sich im Studio die Begleitspezialisten – Musiker, die in der Lage sind vom Blatt, also ohne Vorbereitung, jeder spieltechnischen und stilistischen Anforderung zu entsprechen. Sie standen als Hauspersonal des Studios für jede, bei der Produktion notwendige musikalische Zusatzaufgabe zur Verfügung und mussten somit auf Zuruf einsatzbereit sein.
Zum anderen wurden Studiomusiker als eingespielte Begleitensembles, die einen ganz bestimmten Sound verkörpern, zu Markenzeichen von Studios. Beispielsweise besaß die Plattenfirma Stax Records in Memphis, Tennessee, durch ihre Crew von Studiomusikern in den 1960er-Jahren einen so unverwechselbaren Sound, dass sich damals Plattenfirmen aus den ganzen USA dieses Studios bedienten, darunter Atlantic Records in New York, die bis Mitte der 1960er-Jahre ARETHA FRANKLIN (* 1943) dort aufnehmen ließen.
Bekanntestes Beispiel dafür ist jedoch die auch mit eigenen Produktionen hervorgetretene Crew von Studiomusikern der Philadelphia International Records, die nicht nur für den Philly Sound der 1970er-Jahre verantwortlich zeichneten, sondern als MFSB (Mothers, Fathers, Sisters, Brothers) auch mit mehreren eigene Alben erfolgreich waren. Ansonsten gehört es zum Berufsbild des Studiomusikers, dass sein Name allenfalls unter dem Kleingedruckten erscheint.
An Funktion und Stellenwert von Studiomusikern hat sich auch in der Gegenwart nichts verändert, nur dass der Kostendruck die festen Arbeitsverhältnisse inzwischen nahezu völlig vernichtet hat. Fest angestellte Studiomusiker sind die große Ausnahme geworden, in der Regel arbeiten sie heute freiberuflich und auf zeitlich befristeter Projektbasis.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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