- Lexikon
- Musik
- 5 Gattungsgeschichte
- 5.1 Vokalmusik
- 5.1.4 Messe und Requiem
- Requiem in der Musikgeschichte
Das Requiem – die Totenmesse („Missa pro defunctis“, Messe für die Verstorbenen) – ist ein Spezialfall der (katholischen) Messe. Die Bezeichnung „Requiem“ stammt von den Anfangsworten des ersten Teils her, des Introitus („Eingang“, der Einzugsgesang):
„Requiem aeternam dona eis Domine“ („Ewige Ruhe schenke ihnen, Herr...“).
Dieser Totengottesdienst wird vor allem zu folgenden Anlässen aufgeführt:
Das Requiem unterscheidet sich durch diese Funktionsbestimmung also erheblich von der sozusagen „alltäglichen“ Messe. Besonders die individuellen Anlässe prägen dann die Gattungsgeschichte. Musik- und kompositionsgeschichtlich ist das Requiem die Gattung der großen Einzelwerke. Die herausgehobene Thematik Tod (Gegenstück zum anderen Zentralthema der Musik, der Liebe), verstärkt Anspruch und Besonderheit.
Wie die Messe, so folgt auch das Requiem als sehr langlebige Gattung musiksprachlich, in Material, Technik, Stil, Satztypen u.Ä. im Prinzip den jeweils epochal und regional gültigen Standards kunstmusikalischen Komponierens.
Im Unterschied zur Messe gibt es (abgesehen vom 16. Jh.) keine derartige Fülle an zeitgleichen sowie kontinuierlich aneinander anknüpfenden Werken, als dass sich eine der Messkomposition vergleichbare Gattungstradition hätte bilden können. Der normative Text bildet allerdings einen gemeinsamen Bezugspunkt der oft sehr unterschiedlichen, stilistisch hochindividualisierten Werke.
Neben unmittelbar liturgischer Musik für den Gebrauch im Gottesdienst oder prunkvoller anlassbedingter Auftragsmusik dient das Requiem
Schon im 19. Jh. emanzipiert sich das Requiem häufig aus liturgisch-kirchlichen Bindungen und wird im Konzert aufgeführt. Im 20. Jh. weitet sich der Requiem-Begriff aus und bezieht sich auf eindeutig nicht-liturgische Werke: mit zusätzlichen Texten oder sogar als rein instrumentale Werke.
Das Requiem ist einer der ältesten Bestandteile der katholischen Liturgie und wird bis heute praktiziert. Im textlich-liturgischen Kern besteht das Requiem aus neun sehr verschiedenartigen Teilen. Es enthält Teile bzw. Sätze aus den „gewöhnlichen“, unverändert wiederkehrenden Textteilen der Messe, dem „Ordinarium missae“, und aus dem „Proprium missae“ (die „eigentümlichen“, im Kirchenjahr wechselnden Textteile der Messe; im Requiem liegen die Texte allerdings fest). Credo (Glaubensbekenntnis) und festlich-freudiges Gloria (Lobpreisung Gottes) des Ordinariums entfallen. Im Requiem-Zyklus verbinden sich Elemente von Ordinarium und Proprium missae. Die noch heute im Wesentlichen gültige Einteilung und Abfolge wurde im Gefolge der Gegenreformation nach dem Konzil von Trient 1570 festgelegt:
Diese Teile werden oft nochmals in weitere musikalische Sätze ausdifferenziert, besonders das „Dies irae“, das eindrucksvolle Kernstück des Requiems.
Der früheste bekannte mehrstimmige Messzyklus ist eine Komposition des Ordinariums: die dreistimmige Messe von Tournai aus der ersten Hälfte des 14. Jh. Das Ordinarium wird die Standardform für mehrstimmiges Komponieren. Propriums-Vertonungen sind selten, da sie den riesigen Zyklus des ganzen Kirchenjahrs umfassen, und daher kompositionsgeschichtlich weniger bedeutsam.
Die ältesten mehrstimmigen Requiem-Sätze sind in einer Handschrift aus Florenz vom Ende des 15. Jh. überliefert; der erste vollständig erhaltene Zyklus stammt von JOHANNES OCKEGHEM (um 1410–1497), in dem der Text der Sequenz („Dies irae“) nicht komponiert ist. Bis zum Ende des 16. Jh. vertonten dann fast alle Komponisten, die Messen schrieben, auch den Text des Requiems.
Mit dem konzertierenden, oft mehrchörigen Stil lockerte sich beim Requiem wie auch der Messe die Bindung an die Melodien des („gregorianischen“) Chorals als Ausgangspunkt und Grundlage der Komposition.
Im Zeichen von Aufklärung und Empfindsamkeit kommt verstärkt affektgeladene wie effektvolle Textausdeutung in die Gattung.
Ein Höhepunkt dieser Entwicklung ist WOLFGANG AMADEUS MOZARTs (1756–1791) unvollendetes Requiem (1791) mit seiner Verbindung von Aufklärung und Frömmigkeit, Freimaurertum und Katholizismus, das Stilelemente von JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750) und GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685–1759) umsetzt.
In der 1. Hälfte des 19. Jh. spaltete sich dann im deutschsprachigen Raum die gattungsgeschichtliche Entwicklung des Requiems in
HECTOR BERLIOZ (1803–1869), Gemälde von GASPARD-FÉLIX TOURNACHON (um 1863)
Mit dem 19. Jh. entwickeln sich drei Haupt-Typen des Requiems:
GIUSEPPE VERDI (1813–1901), Gemälde von GASPARD-FÉLIX TOURNACHON (um 1866)
Nach Vorläufern im 19. Jh. entfalten sich dann drei weitere neue Typen im 20. Jh. Diese sind nun im Prinzip nur mehr für den Konzertsaal gedacht. Die oft groß angelegten Werke des Totengedenkens sind Requien vom Charakter, weniger von der Struktur her. Häufig mischen sich hier Merkmale von Requiem, Oratorium und Kantate. Fast durchweg verbinden sich dabei im Sinne Politischer Musik Klage und Anklage in politisch-humanitärer Dimensionierung.
Vorformen waren hier kleinere instrumentale, außerliturgische Gattungen des Totengedenkens:
HANS WERNER HENZE (1926-2012)
Der Aufbau der Instrumentalwerke im 20. Jh. erfolgt dabei
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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