Zur Lebensgeschichte von NEIDHART ist kaum etwas bekannt. Er lebte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und wurde um 1190 geboren. Er nannte sich selbst „DER VON RIUWENTAL“. Der Name „VON REUENTAL“ bezieht sich auf ein kleines Gut gleichen Namens. Jedoch ist die Verbindung von NEIDHART mit diesem Gut nicht eindeutig nachweisbar, sodass die im 19. Jahrhundert übliche Namensform NEIDHART VON REUENTAL später aufgegeben wurde.
NEIDHART hielt sich vermutlich bis ca. 1230 in Bayern auf und war dort bayrischer Ritter und Ministeriale am Hof Herzogs Otto II. Möglicherweise war er zwischen 1217 und 1221 oder auch 1228–1229 am Kreuzzug FRIEDRICH II. beteiligt; darauf weisen zumindest seine „Kreuzlieder“ hin.
Um 1230 überwarf sich Neidhart mit seinem Lehensherren und musste daher Bayern verlassen. Er fand in FRIEDRICH DEM STREITBAREN VON ÖSTERREICH einen neuen Gönner, der ihm zunächst in Melk, später in Lengenbach bei Tulln ein Lehen verlieh.
Da NEIDHART in dem um 1215 verfassten „Willehalm“ von WOLFRAM VON ESCHENBACH erwähnt wird, geht man davon aus, dass NEIDHART zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen ist. Sein Todesjahr ist wie sein Geburtsjahr nicht bekannt und wird mit um 1245 angenommen.
NEIDHARTS literarisches Schaffen hinterließ eine Vielzahl von Liedern, von denen heute in 21 Handschriften und Bruchstücken etwa 140 erhalten sind, des Weiteren 55 Melodien.
Die Lieder NEIDHARTs sind oft einfach gebaute Reigenlieder. In dem Bewusstsein um den Wirkungsverlust der stilisierten höfischen Dichtung besang er vor allem die sogenannte niedere Minne, die sich statt einer rein platonischen der handfesten, sinnlichen Liebe widmet. Liedgegenstand ist nicht, wie es die hohe Minne fordert, die Verehrung einer unerreichbar über dem ritterlichen Liebhaber stehenden Dame, sondern meist die Liebe zwischen einem Ritter und einem Mädchen aus dem Bauernstand.
Die Verlegung des Minnesangs aus dem ritterlichen und erhaben höfischen in das teils obszöne, bäuerliche Milieu war neu für die damalige Zeit und befreite die mittelalterliche Dichtung aus ihrer ritualisierenden Erstarrung.
Die Liedthemen NEIDHARTs spiegeln einerseits das wirkliche, pralle Leben wieder; andererseits erweisen sie sich häufig zugleich als Parodie auf den Ritterstand und verspotten die Standespoesie. Generell lassen sich zwei verschiedene Liedtypen unterscheiden:
In den Sommerliedern wirbt die Bauersfrau um den hoch über ihr stehenden Rittersmann. Meist versuchen Bauernmädchen oder -frauen, den Ritter zum Tanz im Freien zu bewegen. Häufig werden Konkurrenzsituationen und Streitgespräche um die Gunst des Ritters zwischen Mutter und Tochter besungen.
In den Winterliedern wird in der Bauernstube getanzt. Der ritterliche Sänger erobert – gegen die Konkurrenz der Bauernburschen – ein Bauernmädchen und wird in sogenannten Trutzstrophen von den Bauernburschen beschimpft.
Aufgrund seiner Lieder wurde NEIDHART im späten Mittelalter als Bauernfeind angesehen. Zur diesbezüglich sprichwörtlichen Figur wurde er vor allem in den zu den Fastnachtspielen gehörenden Neidhartspielen des 14. und 15. Jahrhunderts. Das „Neidhartspiel“ ist das älteste erhaltene Drama in deutscher Sprache (um 1200). Auch in dem Schwankroman „Neidhart Fuchs“ wird in 36 derben Schelmenanekdoten die Bauernfeindlichkeit des Dichters und seiner Zeit aufs Korn genommen.
NEIDHART (NEIDHART VON REUENTAL, „Herr NÎTHART“)
Das bekannteste überlieferte Lied NEIDHARTs ist das zum Volkslied gewordene „Nun will der Lenz uns grüßen“.
Nun will der Lenz uns grüßen
Nun will der Lenz uns grüßen,
von Mittag weht es lau;
aus allen Ecken sprießen
die Blumen rot und blau.
Draus wob die braune Heide
sich ein Gewand gar fein
und lädt im Festtagskleide
zum Maientanze ein.
Waldvöglein Lieder singen,
wie ihr sie nur begehrt.
Drum auf zum frohen Springen,
die Reis' ist Goldes wert!
Hei, unter grünen Linden,
da leuchten weiße Kleid!
Heija, nun hat uns Kinden
ein End all Wintersleid.
(NEIDHART, nachempfunden wahrscheinlich von A. FISCHER)
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
Ein Angebot von