Napster und die Folgen

Der Erfolg und seine Gründe

Die MusiktauschböreNapster“ erwies sich als die am schnellsten wachsende Online-Community in der Geschichte des Internets. Schon wenige Monate nach der Gründung hatten sich über 20 Mio. Nutzer registriert. Bei der Übernahme des Online-Dienstes durch die Gütersloher Bertelsmann AG – die den jungen Firmengründer ein reichliches Jahr nach Firmengründung um fast 90 Mio. US-Dollar reicher machte – waren es bereits annähernd 60 Mio. registrierte Nutzer.

Die Attraktivität des Online-Dienstes hatte mehrer Gründe, unter denen der Kostenaspekt – sowohl Napster wie die hier angebotene Musik waren kostenlos – nur einer ist.

Zwar hatte es schon 1994 mit dem „Internet Underground Music Archive“ den ersten Online-Musikdienst gegeben, aber der war und ist als Alternative zu einem Plattenvertrag Newcomern gewidmet. Den gleichen Ansatz verfolgte auch der 1997 gegründete Online-Dienst „MP3.com“. Das Angebot des 1998 entstandenen kommerziellen Dienstes „Emusic.com“ war nicht nur kostenpflichtig, sondern auf die beteiligten Firmen beschränkt, und das waren gerade nicht die mit der attraktiven Musik.

Napster lieferte dagegen einen unbegrenzten Zugang zu faktisch aller Musik der Welt, denn es stellte sich schnell heraus, dass die gängigen Hits zwar einen Schwerpunkt der auf den Rechnern der Napster-Gemeinde liegenden Musik-Dateien darstellten, hier aber auch mühelos Raritäten aller Art gefunden werden konnten. Irgendwo im grenzenlosen Universum des Internets gab es immer jemanden, der die eigenen Vorlieben teilte. Und eben das, das Wissen um die anderen – die Gleichgesinnten und Gleichgestimmten – und damit der Community-Aspekt, war eine Dimension, die Napster eine ungeheure Anziehungskraft gab. Diese Dimension wurde vom Firmengründer SHAWN FANNING (* 1981) durch Integration eines Internet-Relay-Chat-Kanals (IRC) dann auch rasch ausgebaut. An Stelle der Anonymität des Marktes trat hier die Gemeinschaft der Nutzer – eine User-Community.

Der Kampf gegen Napster

Den Community-Aspekt der Internet-Tauschbörsen und die Besonderheiten solcher Netz-Gemeinschaften hat die Musikindustrie bis heute nicht wirklich verstanden. Daher kämpft sie zwar mit den richtigen Argumenten – dem wirtschaftliche Schutz der Urheber (Komponisten und Musiker) und natürlich auch dem Schutz ihrer eigenen Investitionen – auf verlorenem Posten gegen die Musiktauschbörsen (trotz einer Entspannung der Situation durch eine inzwischen entstandene Vielzahl legal nutzbarer Online-Angebote).

Noch im Gründungsjahr von Napster, 1999, ging der Verband der Tonträger-Hersteller in den USA, die „Recording Industry Association of America“, mit einer ganzen Armee von Rechtsanwälten gegen den jugendlichen Firmengründer vor. Die Rechtslage erwies sich freilich als erheblich komplizierter als auf den ersten Blick ansehbar. Der Austausch von Privatkopien zwischen Privatpersonen ist auch nach geltendem Recht nicht unerlaubt. Darüber hinaus war der rechtliche Status digitaler Kopien grundsätzlich umstritten. Und selbst der geltend gemachte wirtschaftliche Schaden erwies sich als nicht leicht zu belegen. Wie das renommierte, auf das Internet spezialisierte Markforschungsunternehmen „Jupiter Research“ in einer Studie aus dem Jahr 2000 nachwies, sind die intensivsten Napster-Nutzer zugleich die intensivsten Käufer von CDs; File-Sharing ersetzt den Kauf von CDs also nicht, sondern ergänzt ihn.

Als im Februar 2000 die Heavy Metal Band METALLICA am US District Court, Central District of California, unterstützt von einer Reihe von Majorfirmen eine Klage gegen Napster einreichte, richtete sich der Angriff gegen die Softwarearchitektur von Napster, die die Tauschvorgänge und Abfragen über einen zentralen Server vermittelte. Erst durch diesen kam die Direktverbindung (Peer-to-Peer, P2P) zwischen zwei privaten Rechnern zustande. Das aber ist dann prinzipiell genauso zu bewerten, so die Argumentation der Kläger, wie eine unerlaubte Veröffentlichung, denn auf den Zentralserver des Napster-Netzwerks haben alle angeschlossenen Rechner gleichermaßen Zugang. Das ist eine eklatante und auch nicht zu bestreitende Verletzung des Urheberechts. Noch bevor der Urteilsspruch vom Februar 2001 das Ende von Napster in der bisherigen Form besiegelte, veräußerte Firmengründer SHAWN FANNING die Software und vor allem seine 40 Mio. registrierten Nutzer an die „Bertelsmann AG“, die zunächst mit einem Kredit und einer Anteils-Option einstieg und dann mit der Stillegung 2001 Napster Inc. komplett übernahm.

Die Folgen

Die Schließung der Napster-Plattform hatte weitreichende Folgen. Musiktauschbörsen schossen nun schneller aus dem Boden als sie geschlossen werden konnten. Da sie die angreifbare Netzarchitektur vermieden, Rechnerkontakte über einen Zentralserver zu routen, waren sie auch nicht so leicht zu schließen wie Napster. Schon das im April 2000 von der niederländischen Firma „FastTrack“ gestartete „KaZaA“, das zum unmittelbaren, aber keineswegs einzigen Napster-Nachfolger wurde, hatte als echtes Peer-to-Peer-Netzwerk eine rein dezentrale Architektur.

Im Juli 2003 ermittelte die „International Federation of the Phonographic Industry“ (IFPI) einen Umfang von 1,3 Mrd. Songs, die auf über 100 Mio. Rechnern zum Download bereit lagen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Verluste wurden auf 1,3 Mrd. US-Dollar geschätzt. Auch wenn solche Zahlen zu relativieren sind, da ein Download nicht mit einer nicht gekauften CD gleichzusetzen ist – der Online-Zugang auf Musik im Internet hatte sich nicht nur unwiderruflich etabliert, sondern Größenordnungen angenommen, die ohne Zweifel die wirtschaftlichen Grundlagen des Musikprozesses unterminierten.

Ein Grund für diese Entwicklung und die damit verbundene Erosion des Urheberrechts war der Widerstand der Tonträgerindustrie, legale Online-Angebote zu unterstützen oder selbst anzubieten. Dies hatte eine wesentliche Ursache in dem von der Industrie seit langem vorangetriebenen Bundle-Konzept, nach dem ein oder zwei erfolgreiche Songs den Verkauf eines ganzen Albums tragen und finanzieren. Online lässt sich aber nicht mit solchen Pauschalangeboten arbeiten, sondern per Download werden immer nur die tatsächlich gewünschten Songs verkauft, und nicht noch zehn oder zwölf weitere im Verbund damit. Das macht das Musikmarketing wesentlich schwieriger und verlangt seitens der Industrie einen ganz anderen Umgang mit Musik.

Doch die Entwicklung ließ keine Alternative. Zwar hatte Sony in den USA schon 2000 begonnen, Singles auch zum Download anzubieten, aber der Durchbruch kam erst 2003 mit dem „iTune-Store“ des Computer-Herstellers „Apple Corp.“, der mit dem dafür entwickelten transportablen Festplatten-Player „iPod“ eine komfortable Gesamtlösung bereithielt, die trotz der Kostenpflichtigkeit der Downloads auch angenommen wurde. Dagegen erwiesen sich die Versuche der Tonträgerindustrie, durch Übernahme von Musiktauschbörsen aus deren Plattformen kommerzielle Download-Portale zu machen, durchweg als Flop. Auch Bertelsmann veräußerte nach einem eher halbherzigen Versuch, Napster als kommerziellen Online-Dienst zu betreiben, 2003 das Unternehmen an „Roxio Inc.“, einen Hersteller populärer Brennersoftware, der es mit neuem Konzept unter „Napster 2.0“ im Oktober 2004 neu startete und seit Dezember 2004 selbst zu „Napster Inc.“ wurde.

Der Online-Umgang mit Musik zwingt nicht nur die Industrie zur Entwicklung neuer Marketingformen, auch das Musikhören verändert sich durch den allgegenwärtigen Zugang auf Musik per Mausklick. Damit ist eine Entwicklung in Gang gekommen, deren Folgen noch immer unabsehbar sind.

Kurzer historischer Abriss

Mai 1999Gründung von „Napster Inc.“
Dezember 1999Klage der „Recording Industry Association of America“ (RIAA) gegen Napster
April 2000„KaZaA“ als Software zur gemeinsamen dezentralen Nutzung von Dateien wird veröffentlicht.
November 2000Die „Bertelsmann AG“ in Gütersloh übernimmt Napster.
Juli 2001Napster unterliegt in einem im Februar 2000 von der Heavy Metal-Band METALLICA angestrengten Urheberrechtsprozess.
Mai 2003Der Hersteller von Brennersoftware „Roxio Inc.“, übernimmt Napster.
Oktober 2004Roxio Inc. startet Napster als kommerziellen Download-Dienst unter der Bezeichnung „Napster 2.0“ neu.
Dezember 2004Roxio Inc. verkauft seine Brennersoftware an „Sonic Solutions Inc.“ und ändert seinen Firmennamen in „Napster Inc.“

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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