- Lexikon
- Musik
- 7 Weltmusik Musiken der Welt
- 7.2 Musikalische Globalisierung Migration und Integration
- 7.2.3 Musikverstehen im Dialog der Zeiten und Kulturen
- Klanglandschaften: Ethnografie als Augen- und Ohrenzeugenschaft
Die Klanglandschaft eines typischen Markplatzes setzt sich beispielsweise zusammen aus Rufen der Händler, die ihre Waren auf dem Markt feil bietet, dem Reden und Plappern der Leute, dem Geläute der Kirchenglocken, den Lärmgeräuschen des Verkehrs, bis hin zum Plätschern der Brunnen, dem Gurren der Tauben, dem Geschrei der Kinder und den Klängen von Straßenmusik, Radio und Zeitansagen aus der Bahnhofshalle.
Einmannorchester: Drehorgelspieler mit Tanzäffchen und Schlagzeug
Der Begriff der „Klanglandschaft“ wurde nachhaltig durch den Komponisten R. MURRAY SCHAFER mit seiner Publikation „The Tuning of the World“ (1977), geprägt. Er untersuchte mit seiner Studie die sich verändernde Klangwelt von Städten und Dörfer und war damit ein Wegbereiter der akustischen Ökologie-Bewegung.
Nach seinen Untersuchungen haben sich die Menschen bereits an einen höheren Lärmpegel und an das alltägliche Grundrauschen in den Städten gewohnt. Durch die zunehmende Reizsteigerung der Hintergrundsgeräusche hat sich die Hörschwelle durch Lärmeinwirkungen beachtlich verschoben und in der Folge davon hat sich auch die Dynamikskala der Musik erheblich gesteigert. Geräusch, Lärm und Klang sind in der Welt des gestaltenden Hörens und der kreativen Schallerzeugung Gewohnheitssache. Das sound design der Städte- und Kulturlandschaften unterscheidet sich von Ort zu Ort, von Region zu Region, von Kultur zu Kultur. Der kulturbezogene Geräuschanteil ist sowohl in der Sprache wie in der traditionellen Musik ein wichtiges Identifizierungs- und Orientierungsmerkmal für jedes ethnisch konditionierte Ohr.
Verschiedene Foren für Klangslandschaften nehmen sich heute der Dokumentation der traditionellen und auch mediasierten Klangwelten an, nicht zuletzt auch im Sinne eines neuen akustischen, ästhetischen oder kulturorientierten Ökologiebewusstseins.
Die Klangjäger dokumentieren nahezu alles von den Geräuschen der Natur (Gewitter, Donner, Wasserfälle) bis zum Gesang der Tiere, Vögel und Wale, von den Sprachen der Menschen, ihren traditionellen musikalischen Äußerungen bis zu jenen der Technik, vom Rauschen der Planeten bis hin zu den molekularen Bewegungen. Das Rauschen der landscape wird somit die klangerfüllte Palette der soundscape.
Das „Welt Soundscape Projekt“ dokumentiert die alltäglichen und sich im Laufe der Zeit verändernden Klanglandschaften der Umwelt (Natur, Städte, Mensch, Technik und Musikkulturen der Welt).
Die Geburt der Musik geht aus der Organisation von Tönen hervor, die sich vorwiegend mit periodischen Schwingungen vom Hintergrund eines unstrukturierten, unperiodisch verlaufenden Rauschens abzugrenzen trachtet. Musik als Ritual der Wahrnehmung oder als geschaffenes Artefakt erklingt als eine in die Welt gesetzte Struktur, die sich mit einer intendierten Ordnung eine Distanz zur alltäglichen Geräuschkulisse schafft.
PRESOV LEVOCSKAI und RUDOLF GREGOR (Straßenmusiker) mit Geige und Gitarre (Tonaufnahme und Abbildung MATHIAS REUSS)
Im Zeitalter des rauschenden Lärms der Autobahnen, der dröhnenden Düsenjets, des Computerrauschens, der fortwährenden Berieselung durch Muzak und der stillschweigend hingenommenen noise pollution erscheint das sanfte Plätschern des Wassers in der friedvollen Kunst eines Zen-Gartens wie ein Zeichen aus einer anderen Welt.
Das berühmte Haiku des japanischen Dichters MATSUO BASHÔ (1644–1694) bleibt ein Erinnerungssprung in jene Stille, in der das zum Augenblick gefrorene Geräusch noch ein flüchtiger Teil eines ewig rauschenden Zeitflusses bleibt:
Der uralte Weiher,
Ein Frosch springt hinein –
Wasserplatschen!
Hörbeispiele:
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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