JOHANN SEBASTIAN BACH wurde am 21. März 1685 in Eisenach als Sohn des Rats- und Stadtmusikus JOHANN AMBROSIUS BACH (1645–1695) und der ELISABETH BACH, geborene LÄMMERHIRT (1644–1695), geboren. Er war das jüngste von acht Kindern. Seit mehreren Generationen waren die Mitglieder der Familie Musiker und auch vier von BACHs Söhnen folgten dieser Tradition.
Da BACH bereits mit 10 Jahren die Eltern verloren hatte, wuchs er bei seinem älteren Bruder JOHANN CHRISTOPH (1671–1732) in Ohrdruf auf, der dort als Organist tätig war. Bei ihm und später in der Michaelisschule in Lüneburg erhielt er seine musikalische Ausbildung. Er sang im Chor und lernte Orgel, Cembalo, Violine und Bratsche spielen.
1703 wurde BACH eingeladen, die neue Orgel in Arnstadt zu prüfen. Nach einem Probevorspiel wurde er als Organist angestellt und hatte dieses Amt bis 1707. Auch in den späteren Jahren wurde BACH mehrfach als Orgelprüfer bestellt. Um sich zu vervollkommnen, wanderte er nach Hamburg, Celle und Lübeck und lernte die großen Orgelmeister JOHANN ADAM REINKEN (1623–1722) und DIETRICH BUXTEHUDE (1637–1707) kennen. In dieser Zeit komponierte BACH Choralvorspiele, Präludien und Fugen für Orgel und Cembalo.
1707 ging er als Organist an die Sankt-Blasius-Kirche nach Mühlhausen. Hier entstanden Kantaten und weitere Orgelwerke. Am 17.10.1707 heiratete er seine Cousine MARIA BARBARA BACH (1684–1720).
1708 wechselte BACH vom Kirchenmusiker zum Kammermusiker und Hoforganisten. Er wurde „Cammermusicus und Concertmeister“ am Hof des Herzogs WILHELM ERNST VON WEIMAR (1662–1728). Als Organist der herzoglichen Kapelle spielte er bei der höfischen Kammermusik auch Cembalo und Bratsche.
Beeindruckt von italienischen Virtuosen, insbesondere aber von der Kompositionsweise des Italieners ANTONIO VIVALDI (1678–1741) übertrug BACH einige von dessen Violinkonzerten auf andere Instrumente. Auf diese Weise entstanden insgesamt 21 Konzert-Transkriptionen für Cembalo und Orgel (1713/1714).
Als Orgelvirtuose wurde er bald auch an anderen Höfen Deutschlands bekannt. In den neun Jahren in Weimar komponierte er seine größten und heute berühmtesten Orgelwerke.
Um sein Können an andere weiterzugeben, verfasste BACH Zeit seines Lebens verschiedene Unterrichtswerke. Als erstes entstand das „Orgelbüchlein. Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird“. Der Widmungstext:
„Dem Höchsten Gott allein zu Ehren / dem Nechsten, draus sich zu belehren."
lässt den Einfluss MARTIN LUTHERs (1483–1546) auf BACHs Erziehungs- und Kunstauffassung erkennen.
1716 ließ Herzog WILHELM ERNST VON WEIMAR BACH für knapp einen Monat einsperren. Die Gründe hierfür lagen in Zwistigkeiten um ein Entlassungsgesuch BACHs.
Seine neue Anstellung fand BACH 1717 in Köthen als Hofkapellmeister beim Fürsten LEOPOLD VON ANHALT-KÖTHEN (1694–1728). Der Fürst zeigte großes Interesse an Musik. Er selbst spielte Geige, Gambe und Cembalo. BACH fühlte sich durch freundschaftliche, ins Familiäre reichende Beziehungen mit dem Fürsten verbunden.
Die meisten seiner Klavier- und Kammermusikwerke entstanden in Köthen. Zu den bekanntesten gehören seine Violinkonzerte und 6 „Brandenburgische Konzerte“. BACH widmete diese 1721 dem Markgrafen CHRISTIAN LUDWIG VON BRANDENBURG (1677–1734), der in Berlin residierte. Der Name wurde ihnen erst später von einem Bach-Biografen verliehen. In ihrer Vielfalt an Formen, an experimenteller Spielfreude mit Klangfarben, Virtuosität und mehrstimmigen Satztechniken werden sie als klingende Zusammenfassung vorklassischer Orchestermusik angesehen.
Um seine Kinder musikalisch zu unterweisen, begann BACH 1720, für seinen Sohn das „Clavier-Büchlein vor Wilhelm Friedemann“ anzulegen.
Nachdem 1720 seine Frau verstorben war, heiratete BACH 1721 die Sängerin ANNA MAGDALENA WILCKEN (1701–1760). Ihr widmete er zwei Klavierbüchlein (1722 und 1725). Diese beiden Büchlein lassen erkennen, was im Familien- und Freundeskreis BACHs musiziert wurde: Stücke von BACH, von seinen Söhnen und von Zeitgenossen.
Die zweistimmigen Inventionen (Invention bedeutet so viel wie Einfall) und die dreistimmigen Sinfonien waren für den Unterricht auf damals gebräuchlichen Tasteninstrumenten bestimmt: Cembalo, Clavichord und Orgel. Mit dem Studium dieser Stücke sollten die Schüler
In kompositorischer Hinsicht stellen die Stücke Modelle für motivische und thematische Erfindungen und deren Entwicklung dar.
Auch mit den Englischen und Französischen Suiten für Klavier verband BACH die Absicht, die spieltechnischen Fertigkeiten seiner Schüler zu verfeinern.
Ebenfalls als Unterrichtswerk entstand 1722 „Das wohltemperierte Klavier“, Teil 1. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von 24 Präludien und Fugen, die der Förderung der virtuosen Spieltechnik dienen. Mit ihnen beweist BACH, dass in allen denkbaren Dur- und Moll-Tonarten musiziert werden kann. Der Name der Sammlung „wohltemperiert“ leitet sich von einem neuen System der Stimmung (oder Temperatur) von Tasteninstrumenten her, das zu BACHs Zeit eine Neuheit darstellte.
20 Jahre später setzte BACH diese Sammlung fort und komponierte nochmals 24 Präludien und Fugen – den zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ (1744).
Nach der Heirat des Fürsten LEOPOLD mit einer Prinzessin von Anhalt-Bernburg schien dessen Interesse an Musik nachzulassen. Deshalb und auch, um seinen Söhnen ein Universitätsstudium zu ermöglichen, bewarb sich BACH für das Amt des Thomaskantors in Leipzig.
Ab 1723 bis zu seinem Tode wirkte BACH in Leipzig als Thomaskantor und als „Director musices lipsiensis“. In dieser Doppelfunktion war er für den Unterricht der Thomasschüler, für die musikalische Ausgestaltung des Gottesdienstes an vier Leipziger Kirchen sowie für das gesamte Musikleben der Stadt Leipzig verantwortlich.
Um seine qualitativen Ansprüche an die musikalische Gestaltung der Kirchenmusik durchsetzen zu können, hatte er viele Kämpfe mit seinen Vorgesetzten – der Schulbehörde, der Universität, dem Magistrat der Stadt – auszufechten. Zeugnis davon geben u.a. der Brief an seinen Jugendfreund GEORG ERDMANN (1730) sowie BACHs Denkschrift an den Rat der Stadt. Darin beschreibt er den Zustand der städtischen und der Kirchenmusik und erläutert Maßnahmen, um Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Doch auch diese Eingabe fand keine positive Resonanz.
In den ersten Jahren als Thomaskantor komponierte BACH für den sonntäglichen Gottesdienst jeden Sonntag eine neue Kantate, studierte sie ein und führte sie mit den Thomas-Schülern auf. Insgesamt soll BACH etwa 300 Kantaten komponiert haben. Da nicht alle erhalten geblieben sind, lässt sich die genaue Anzahl nicht mehr feststellen.
Im Rahmen des Kirchenjahres kommt der Karfreitagsliturgie besondere Bedeutung zu. Traditionell erklingen dazu Passionsmusiken. 1724 führte BACH seine Johannes-Passion auf. In ihr überwiegt die bildhafte und dramatische Gestaltung der Leidensgeschichte nach dem Evangelium des Johannes.
1729 erfolgte die Aufführung seiner Matthäus-Passion. Im Mittelpunkt dieses monumentalen Werkes steht der Bericht vom Leiden Christi – erzählt vom Evangelisten Matthäus. BACH sah bei diesem Werk den größten Aufführungsapparat vor, den er je verwendet hatte. Von seinen Zeitgenossen wurde die künstlerische Meisterschaft dieses Werkes allerdings kaum beachtet. Nach dem Tode BACHs geriet die Matthäus-Passion in Vergessenheit und wurde erst 100 Jahre nach ihrer Entstehung durch die Berliner Singakademie unter Leitung von JAKOB LUDWIG FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY (1809–1847) wieder aufgeführt (1829).
1729 übernahm BACH die Leitung eines Collegium musicum. Dies war eins der beiden bürgerlichen „Orchester“ der Stadt, das 1702 von GEORG PHILIPP TELEMANN (1681–1767) gegründet worden war. Es veranstaltete wöchentlich Konzerte im Zimmermannschen Kaffeehause. Dargeboten wurden
für den Kurfürsten FRIEDRICH AUGUST III. (1696–1763) und dessen Gattin MARIA JOSEPHA VON HABSBURG (1699–1757), wie „Tönet ihr Pauken, erschallet Trompeten“. Teile dieser Kantate hat BACH später mit anderen Texten versehen (Parodieverfahren) und in seinem „Weihnachtsoratorium“ (1734/1735) verwendet.
Auch die „Kaffekantate“, ein Singstück mit der humorvollen Anspielung auf die damalige Modeerscheinung des Kaffetrinkens in der Messestadt Leipzig, wurde für das Collegium musicum komponiert und durch dieses Ensemble aufgeführt.
Als 1733 FRIEDRICH AUGUST II. (1696–1763), Kurfürst von Sachsen, die Thronfolge antrat, überreichte ihm BACH zu diesem Anlass zwei Sätze einer Messe, die später zur h-Moll-Messe fertiggestellt wurde. Im Begleitschreiben bewarb er sich um ein „Praedicat“ der Dresdner Hofkapelle. Mit einem Hoftitel erhoffte er sich die Verbesserung seiner Stellung in Leipzig. 1736 erhielt er den Titel eines kurfürstlich-sächsischen Hofkomponisten ehrenhalber.
Die h-Moll-Messe ist von ihrem Umfang und von ihren aufführungspraktischen Erfordernissen eine Konzertmesse. Sie kann als Summe der künstlerischen Entwicklung BACHs und seiner religiösen Bekenntnisse aufgefasst werden.
1747 trat BACH eine Reise nach Berlin und Potsdam an, um seinen Sohn CARL PHILIPP EMANUEL BACH (1714–1788) zu besuchen, der am Hofe von König FRIEDRICH II. (1712–1786) als Kapellmeister angestellt war. FRIEDRICH II., selbst ein guter Flötist, hatte von BACHs Orgelkunst und seinem Talent zur Improvisation gehört. Er ließ sich nun davon überzeugen. Im Anschluss an die Reise arbeitete BACH das vom König erhaltene musikalische Thema in strenger Polyphonie dreistimmig und sechsstimmig aus. Die entstandenen Kanons sind die kunstvollsten, die BACH je geschrieben hat. Er widmete die Sammlung dem König unter dem Titel : „Musikalisches Opfer“.
In seinem letzten Lebensjahrzehnt konzentrierte BACH sein Schaffen auf das Zusammenstellen zyklischer Großwerke. Ein zyklisches Großwerk besteht aus mehreren Teilen, die innerlich zusammengehalten werden, sei es durch einen gemeinsamen Tonvorrat, durch ein Bassmodell oder durch ein vorgegebenes Thema, wie im „Musikalischen Opfer“.
Nach 1740 arbeitete BACH im Zeitraum von mehreren Jahren bis 1749 an der „Kunst der Fuge“. Kunst bedeutet in diesem Zusammenhang Demonstration von Möglichkeiten des kontrapunktischen, fugierenden Satzes. Die schöpferische Leistung BACHs bestand darin, alle Stücke dieser umfangreichen Sammlung – 14 Fugen, vier Kanons und mehrere ergänzende Sätze – aus einem einzigen nur vier Takte umfassenden Thema in d-Moll zu entwickeln.
Erst nach BACHs Tod wurden die Druckarbeiten abgeschlossen. Da er selbst keine Angaben zur instrumentalen Besetzung und Aufführung hinterlassen hat, wurde und wird die „Kunst der Fuge“ sehr unterschiedlich aufgeführt.
In den letzten Lebensjahren litt BACH unter einem Augenleiden, das schließlich zur Erblindung führte. Am 28. Juli 1750 starb BACH in Leipzig an einem Schlaganfall.
JOHANN SEBASTIAN BACH war zu seiner Zeit ein gefragter und berühmter Orgelvirtuose und Cembalospieler, dessen Kunst der Improvisation bewundert wurde. Seine Musik wurde von Musikkennern geschätzt. Vielen seiner Zeitgenossen kam sie als „gekünstelt“, „schwülstig“ und „verworren“ vor und wurde gegen Ende seines Lebens als zu gelehrt abgelehnt.
Nach seinem Tod geriet BACHs Musik lange Zeit in Vergessenheit. Erst im 19. Jh. begann die Musikwelt BACHs Musik durch die Wiederaufführung der Matthäus-Passion neu zu entdecken.
Die hohen spieltechnischen Anforderungen und die geistige Durchdringung seiner Werke setzten Maßstäbe für nachfolgende Musikergenerationen. Im Laufe der Entwicklung wurden viele seiner Werke bearbeitet und dem Zeitgeschmack angepasst. Die Auseinandersetzung mit BACHs Musik wird als Schlüssel zum Verständnis von abendländischer Musik betrachtet.
Das Gesamtschaffen JOHANN SEBASTIAN BACHs umfasst mehr als 1 000 Werke. Der deutsche Musikwissenschaftler WOLFGANG SCHMIEDER (1901–1999) hat sie im Bach-Werke-Verzeichnis (abgekürzt: BWV) thematisch-systematisch (nach Gattungen) geordnet. Zu BACHs Werken gehören:
Stand: 2010
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