Grundlagen

Mikrofone haben in Abhängigkeit von Fabrikat und Bauweise einen Eigenklang. Sie bilden das vorhandene Frequenzspektrum nicht linear ab, sondern reagieren in bestimmten Bereichen empfindlicher als in anderen, besitzen Richtcharakteristika, mit denen sie ein Mehr oder Weniger an Direkt- und Reflexionsschall aufnehmen. Mikrofone stehen zwar mit einer Vielzahl klangrelevanter technischer Spezifikationen zur Verfügung, die gekoppelt mit Equalizern und Filtern zur Bearbeitung des Frequenzspektrums, Kompressoren, Limitern und Expandern zur Anpassung der Dynamik, Reverb-, Delay- und Echo-Geräten zur Feineinstellung der Ein- und Ausschwingvorgänge im Zeitverlauf oder Aural Excitern zur Anreicherung des Klangs mit zusätzlichen Obertönen grenzenlose Möglichkeiten der technischen Klanggestaltung bieten.

Doch verglichen mit dem menschlichen Ohr, das über das Trommelfell ein ganzes Schallfeld abzubilden in der Lage ist und schon im Innenohr mit dessen Verarbeitung beginnt, sind Mikrofonmembranen starr und mechanisch, transformieren die komplexen Schallverhältnisse des musikalischen Klanggeschehens in ein einziges elektrisches Signal. Schon dabei kommt es zwangsläufig zu Reduktions- und Interferenzeffekten, die sich beim Einsatz mehrerer Mikrofone potenzieren, da am Ende immer nur ein Summensignal von jedem Lautsprecher nutzbar ist.

In der technischen Übertragungskette sind zudem Veränderungen des Klangsignals unvermeidlich, die ausgeglichen werden müssen. Lautsprecher als punktförmige Schallquellen haben mit dem sich im Raum entfaltenden komplexen Klangeschehen eines akustischen Instruments wenig zu tun. Auch das muss technisch so kompensiert werden, dass für den Hörer der gewünschte Klangeindruck entsteht. Und schließlich muss das Klanggeschehen am Aufnahmeort schon im Prozess der Aufnahme stets den ganz anderen akustischen Bedingungen am Wiedergabeort angepasst werden.

Insbesondere die populären Musikformen sind im Verlauf des 20. Jahrhunderts dabei so eng mit der Technologie der Klangaufzeichnung zusammengewachsen, dass sich die Grenze zwischen dem Musizieren bzw. Komponieren einerseits und der technischen Dienstleistung zur Realisierung der Musikproduktion andererseits nahezu aufgelöst hat. Mit Einführung des Tonbandes in die Musikproduktion und der hierdurch gegebenen Möglichkeit zur unkomplizierten Wiederholung der Aufnahme potenzierte sich der Stellenwert des technischen Klangdesigns im Aufnahmeprozess. Mehrspurtechnik und vielfältige Bearbeitungsmöglichkeiten auch nach der Aufnahme (Post Production) ermöglichten eine differenzierte technische Klanggestaltung, die Produzenten und Toningenieure zu mitgestaltenden Partnern der MusikerInnnen machte.

Als erste Firma stellte 1948 Capitol Records in Los Angeles, damals eines der führenden Pop-Labels in den USA, die Musikproduktion vollständig auf Tonband um, statt wie bisher die Aufnahme direkt auf einen Plattenmaster zu schneiden. Die Geschichte der Popmusik wurde damit zu einer Geschichte von Klangbildern und ist seither in klangtechnischen Innovationen verschiedenster Art eingebunden. Aber auch alle anderen Musikformen sind in wachsende Maße durch die klanggestalterischen Möglichkeiten des Aufnahmeprozesses geprägt worden. Das einstige Ideal, den Klangeindruck live aufgeführter Musik in den häuslichen vier Wänden zu reproduzieren, wich einem kreativen, dem Werk verpflichteten Einsatz der Technik, der Hörerlebnisse schuf, wie sie bei live aufgeführter Musik unmöglich sind. Technische Verfahren wie Dolby Surround oder das Medienformat Super Audio CD (SACD) haben diese Entwicklung entscheidend befördert.    

Vom Supervisor zum Musikproduzenten

Angesichts der ständig wachsenden Bedeutung der Aufnahmeprozeduren für die endgültige Gestalt eines Musikstücks begannen schon in den 1950er-Jahren die ersten Songschreiber und Bandleader, sich selbst um die Realisierung ihrer Musik im Studio zu kümmern. Vordem war diese Funktion den A&R-Leuten in den Plattenfirmen vorbehalten und weitgehend auf die Kontrolle des Budgets beschränkt. »Supervisor« nannte sich diese Funktion durchaus zutreffend, sofern sie überhaupt Erwähnung fand, denn der Prozess im Studio galt als bloße Aufzeichnung von etwas bereits Vorhandenem, auch wenn die Songs immer häufiger erst im Studio wirklich Gestalt annahmen.

Es bedurfte des inzwischen legendär gewordenen Autoren- und Produzententeams JERRY LEIBER (geb. 1933) und MIKE STOLLER (geb. 1933), die in den 1950er-Jahren sowohl ELVIS PRESLEY als auch vielen anderen Repräsentanten des Rock’n’Roll jener Jahre die Hits geliefert haben, um der Funktion des Produzenten und der damit verbundenen kreativen Leistung unwiderruflich Geltung zu verschaffen. Die Single Charlie Brown (1959) der Coasters enthält erstmals den Aufdruck »Supervisor« hinter ihren Namen. Auf der Greatest Hits-Kompilation der DRIFTERS aus dem Jahr 1960 ist die Bezeichnung »Supervisor« dann schließlich durch »Producer« ersetzt. Seither findet dieser dem Filmgeschäft entlehnte Begriff auch in der Musik Verwendung.

Vom Song zum Sound

Anfang der 1960er Jahre wurde mit den Produktionen der MARVELETTES, der MIRACLES, der TEMPTATIONS, MARTHA AND THE VANDELLAS und der SUPREMES bei der Detroiter Plattenfirma Motown Records erstmals ein Klangkonzept – der Motown Sound – zum Markenzeichen für eine ganze Musikrichtung. Ein wesentlicher Faktor für den phänomenalen Erfolg der Motown-Produktionen, für die das Autoren- und Produzenteam BRIAN HOLLAND (geb. 1941), LAMONT DOZIER (geb. 1941) und EDDIE HOLLAND (geb. 1939) verantwortlich zeichnete, war die damals revolutionäre Abstimmung des Klangdesigns auf die populäre Wiedergabe per Transistorradio. So wurden alle Produktionen unter der Leitung des Chefingenieurs von Motown, LAWRENCE HORN (1940–2009), und des Aufnahmeingenieurs Harold KEITH TAYLOR (geb. 1946) nicht nur im Kontrollraum mit Monitor-Lautsprechern, sondern auch über die Billig-Lautsprecher der damals populären Transistorradios abgehört.

Von jeder Produktion wurden mehrere Abmischungen gemacht und dann der geeignete Mix für die Veröffentlichung ausgewählt. Dabei entdeckte man, dass diejenigen Abmischungen über die Lautsprecher der Transistorradios am besten klangen, aus denen die tiefsten Frequenzen herausgenommen waren. Trotzdem war der Sound überraschend voluminös und tiefenbetont, aber die Verzerrungseffekte blieben aus, die bei den kleinen Lautsprechern unvermeidlich sind, werden sie mit für ihre Größe zu tiefen Tönen angesprochen. Der Grund hierfür lag in den sogenannten »Residualtöne« – Töne, die das Ohr ergänzt, um das Klangspektrum zu vervollständigen, obwohl sie im Schallfeld gar nicht vorhanden sind. So ergänzt das Ohr den tief liegenden Grundton, wenn es die Obertöne hierzu hat. Das Geheimnis des Motown-Sound hat maßgeblich mit diesem Klangkonzept zu tun, das aus den heutigen Lautsprecherboxen mit den darin verbauten »Tieftönern« aus eben diesem Grund keineswegs mehr so spektakulär klingt, wie aus den Transistorradios der 1960er-Jahre.

Die Kunst der Phonographie

Die Klangaufzeichnung (Phonographie) entwickelte sich zu einer Kunst eigener Art, die namhafte Musikproduzenten und Toningenieure hervorgebracht hat.

  • WALTER LEGGE (1906–1979),
  • JOHN CULSHAW (1924–1980) oder
  • MANFRED EICHNER (geb. 1943)

haben im Klassik-Bereich Maßstäbe gesetzt. Im Pop-Bereich sind u.a.

  • PHIL SPECTOR (geb. 1940),
  • GEORGE MARTIN (geb. 1926) und
  • TREVOR HORN (geb. 1949)

zu nennen. Unter den Toningenieuren ragen

  • KENNETH WILKINSON (1912–2004),
  • ARTHUR HADDY (1906–1989),
  • VOLKER STRAUS (1936-2002),
  • SUVI RAJ RUBB (1917–1999),
  • TOM DOWD (1925–2002),
  • GEOFF EMERICK (geb. 1946) und
  • BRUCE SWEDIEN (geb. 1934)

mit ihren innovativen Klangkonzepten heraus.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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