Ein Enkel des jüdischen Philosophen MOSES MENDELSSOHN (1729–1786), nach dessen Vorbild G. E. LESSING (1729–1781) „Nathan der Weise“ entwarf, wurde FELIX MENDELSSOHN als Sohn von ABRAHAM UND LEA MENDELSSOHN 1809 in Hamburg geboren. Wegen der französischen Besetzung Hamburgs zog die Familie 1811 nach Berlin, wo die Eltern 1816 ihre vier Kinder protestantisch taufen ließen und ihnen den Familiennamen von LEAs bereits konvertiertem Bruder JAKOB BARTHOLDY gaben, FELIX die weiteren Vornamen JAKOB und LUDWIG. Die Eltern konvertieren schließlich 1822 zum Christentum. Im Haus des aufgeklärten väterlichen Bankiers erhielten FELIX und seine Geschwister eine frühe musikalische und vielseitige Allgemeinbildung, sein erster öffentlicher Auftritt erfolgte mit neun Jahren.
Die Kinder der Familie erhielten Unterricht in Komposition bei CARL FRIEDRICH ZELTER (1758–1832), in Klavier bei LUDWIG BERGER und Violine bei CARL WILHELM HENNING und E. RIETZ; ihre allgemeine Ausbildung erhielten sie vom Vater des Schriftstellers PAUL HEYSE (1830–1914). Die regelmäßigen sonntäglichen Hauskonzerte gaben FELIX einen Rahmen für seine ersten Kompositions- und Dirigierversuche. Zusammen mit seiner innig geliebten Schwester FANNY – nach der Heirat 1829 FANNY HENSEL (1805–1847), Komponistin und Pianistin – trat er 1820 der Berliner Singakademie unter der Leitung von ZELTER bei, der ihn insbesondere mit dem Werk JOHANN SEBASTIAN BACHs (1685–1750) vertraut machte.
Im Herbst 1821 nahm ihn ZELTER mit nach Weimar, wo JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832) sich sehr angetan von dem „Wunderkind“ zeigte.
Im selben Jahr bereiste er England, und nach Aufführungen der 1. Sinfonie und der „Sommernachtstraum“-Ouvertüre verbreitete sich von London aus sein Ruf als Komponist. Die Weiterreise nach Schottland inspirierte ihn zu seiner
1830 ging er auf eine dreijährige Reise, die ihn nach einem mehrwöchigen Aufenthalt bei GOETHE in Weimar nach Italien, Paris und London führte.
Auf Drängen seines Vaters bewarb er sich für die Nachfolge von ZELTER an der Berliner Singakademie, die aber an den älteren CARL FRIEDRICH RUNGENHAGEN (1778–1858) vergeben wurde. Nach der Anstellung als Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf 1833 nahm er 1835 die Stelle als Kapellmeister der Gewandhauskonzerte in Leipzig an, wo er als erster Berufskapellmeister nicht vom Instrument aus, sondern mit dem Taktstock dirigierte. 1837 heiratete MENDELSSOHN CÉCILE CHARLOTTE SOPHIE JEANRENAUD (1817–1853), mit der er fünf Kinder hatte. MENDELSSOHN machte Leipzig zu einem musikalischen Zentrum von europäischer Bedeutung.
1841 wurde MENDELSSOHN von FRIEDRICH WILHELM IV. (1795–1861) als Kapellmeister nach Berlin berufen und 1842 zum preußischen Generalmusikdirektor ernannt. Seine ehrgeizigen Pläne scheiterten trotz einiger Erfolge an verschiedenen Widerständen, und 1844 konnte er den König davon überzeugen, ihn der lästigen Pflichten zu entheben. Neben Konzertreisen konzentrierte er sich weiterhin auf die Gewandhauskonzerte. Nach der Uraufführung seines Oratoriums „Elias“ 1846 war seine Gesundheit angegriffen. Die Nachricht vom Tod seiner Schwester FANNY am 14.05.1847 wirkte auf ihn wie ein Schock, und er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Am 28.10. erlitt er in Leipzig einen Schlaganfall und starb am 4. November 1847.
Seit früher Kindheit war MENDELSSOHN offen antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, die auch nicht verstummten, als sich die Familie im Sinne des aufgeklärten, emanzipierten Judentums für die Konvertierung zum Protestantismus entschied.
Zu Lebzeiten ein angesehener und beliebter Komponist, traten nach seinem Tod Neid und antisemitische Tendenzen in der publizistischen Öffentlichkeit deutlich hervor und schufen eine Art „Sprachregelung“, eine Schablone, die MENDELSSOHNs Rezeption bis heute beeinflusst. Zentral ist der 1850 unter Pseudonym veröffentlichte Aufsatz „Das Judenthum in der Musik“ von RICHARD WAGNER (1813–1883), der noch wenige Jahre zuvor im Juni 1843 an MENDELSSOHN geschrieben hatte, er sei stolz,
„der gleichen Nation anzugehören, die Sie und Ihren Paulus hervorgebracht hat“.
Heutige Urteile, die MENDELSSOHNs Musik einen
bescheinigen, verwenden oft unbewusst antisemitistische Urteile WAGNERs und seines Umfelds der „Neudeutschen“ Schule. In polemischen Artikeln in der „Neuen Zeitschrift für Musik“, deren Herausgabe 1845 von SCHUMANN an FRANZ BRENDEL überging, wurde insbesondere MENDELSSOHN und GIACOMO MEYERBEER (1791–1864) als vermeintliche Vertreter einer „Judenmusik“ ohne analytischen Nachweis
vorgeworfen, und Juden generell als deutsche Kulturträger ausgeschlossen. In einem Klima von deutschtümelnden Männerbünden und revolutionären Nationalromantiken ging es den „Neudeutschen“ Kreisen um WAGNER und LISZT auch um eine Verschiebung der realen Machtverhältnisse im Musikbetrieb.
Das Werk MENDELSSOHNs verfiel somit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einer musikalischen Fehde, die sich zwischen
entwickelte, die sich dagegen um eine Bewahrung und stetige Reformierung der klassischen Formen von Sinfonie, Quartett und Oratorium bemühten. In der Nazizeit als „entartete“ Musik verboten und aus der Musikgeschichtsschreibung ausradiert, wurde MENDELSSOHN erst im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland rehabilitiert, noch lange stützten sich Urteile über seine Musik auf antisemitische, sachfremde „Argumente“.
„MENDELSSOHN ist der MOZART des 19. Jahrhunderts, der hellste Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt“,
urteilte ROBERT SCHUMANN. Das überkommene Bild von MENDELSSOHNs glücklichem, unkomplizierten Lebensweg kann genau wie die Vorstellung vom mühelos produzierenden, glatten Komponisten nicht die Differenzen
fassen. Befinden sich die beliebten Klavierstücke, Solo- und Chorlieder am ehesten im Einklang mit bürgerlichen Konventionen, so stehen auf der anderen Seite die Werke, die kompositorische Konflikte mit solchen Normen austragen.
MENDELSSOHN orientierte sich an dem von GOETHE vorgegebenen humanistisch-klassizistischen Ideal menschlicher und gesellschaftlicher Erhebung, kompositorisch der Ausbildung bei ZELTER folgend zunächst an BACH und HÄNDEL. Insbesondere in seinem reichen geistlichen Werk (darunter die Oratorien „Paulus“ und „Elias“, Psalmvertonungen, die „Reformationssinfonie“) greift MENDELSSOHN mit Kontrapunkt, Rezitativ und Choral-Bearbeitung auf die Formen des Barock zurück, aktualisiert sie und nutzt sie als Bedeutungsträger; verschmilzt die traditionellen Kompositionsprinzipien mit romantischer Tonsprache.
MENDELSSOHNs Gesamtwerk umfasst nahezu alle Gebiete der Komposition. Er schrieb
In der Verantwortung des selbstkritischen Komponisten standen lediglich die Werke op. 1–72.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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