Collegium musicum

Das Collegium musicum entwickelte sich in Kreisen des Bürgertums ansatzweise bereits im 16. Jh. mit einem Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum samt den Niederlanden. Ein Vorbild waren auch italienische und französische „Akademien“ der Renaissance und des Humanismus, sozial etwas höher angesiedelt.

1908 und nochmals nach 1918 wurde das Collegium musicum in zunächst akademisch-universitärem Zusammenhang restaurativ-historisierend wiederbelebt (1908 im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Leipzig, 1919/1920 in Freiburg i.Br.). Diese Typen des Collegium musicum sind Teil der Wiederbelebung „Alter Musik“, vor allem der Musik vor JOHANN SEBASTIAN BACH (1686–1750). Seither und bis heute ist „Collegium musicum“ besonders in Deutschland die Bezeichnung für instrumentale Ensembles, deren Betätigungsfeld vornehmlich die Alte Musik ist.

Herausbildung

Das Collegium musicum als Versammlung von Musikfreunden zu gemeinschaftlichem Laienmusizieren pflegte

  • im 16. Jh. vorwiegend vokale Musik,
  • später dann, entsprechend auch dem Umschwung durch die Stilwende seit 1580, vorwiegend instrumentale Musik.

Durch seinen privaten Charakter unterschied sich das Collegium musicum (bisweilen auch „Convivium musicum“ = „musikalisches Gastmahl, Musikkränzchen, Musikgesellschaft“ u.a. genannt) von der protestantischen Kantorei, die von Kirche und Stadt eingesetzt wurde. Solche Anfänge im

  • haus- und kammermusikalischen,
  • spontan-familiären oder
  • bereits vereinsmäßig organisierten, vorwiegend bürgerlichen Musizieren

nahmen etwa um 1600 festere Gestalt an (1613 ältestes schweizerisches Collegium musicum).

Im 17. Jh. entwickelte sich das Collegium musicum zur institutionell straffer gefügten bürgerlichen Vereinigung mit regelmäßigen Zusammenkünften. Die Mitglieder waren vor allem bürgerliche Musikliebhaber, in Universitätsstädten kamen Studenten dazu; gelegentlich wurden auch Berufsmusiker herangezogen.

Bei diesem Liebhabermusizieren spielten auch Geselligkeit und Unterhaltung aller Art eine Rolle. Es entwickelte sich in zwei Hauptstufen:

  1. Zug um Zug wurden nichtmusikalische Momente der Aktivität wie etwa geselliges Beisammensein mit Essen, Trinken, literarischen Debatten u.Ä. ausgeschieden.
     
  2. Mit dem Liebhaberkonzert öffnete sich der ursprünglich geschlossene, nur für sich selber musizierende Verein für ein zuhörendes Publikum. Ein Ansatzpunkt war dabei die Zulassung von Fremden oder auch Freunden der Mitglieder.

Die tendenziell unbeschränkte öffentliche Zugänglichkeit – gegen Geld freilich – war neben Konzerten von Berufsmusikern wichtiges Moment bei der Entwicklung eines bürgerlichen Konzertwesens.

Zentren

Zentren der Entwicklung wurden die bürgerlichen Handelsstädte. Treibende Kraft waren oft – neben dem Wunsch der Mitglieder, sich öffentlich hervorzutun – die mitwirkenden oder leitenden Berufsmusiker. So veranstaltete schon von 1660 an in Hamburg der Organist der Hauptkirche St. Jacobi in dem von ihm gegründeten Collegium musicum wöchentliche Konzerte im Refektorium des Domes. Damit übernahmen Patriziat und gehobenes Handelsbürgertum die Musikkultur der Höfe.

Der Sache nach handelt es sich eher um den Typus des professionellen Konzerts; der eingebürgerte Name diente als Nobilitierung und Kaschierung kommerzieller Motive. GEORG PHILIPP TELEMANN (1681–1767) als Pionier einer bürgerlichen Musikkultur baute in Frankfurt am Main seit 1712 dieses Musikleben auf:

  • Zuerst als Kapellmeister an der Barfüßer- und Katharinenkirche,
  • bald darauf als Städtischer Musikdirektor mit der Leitung des dortigen Collegium musicum.
  • 1721 wurde er in Hamburg Kantor am Gymnasium Johanneum und Direktor der Kirchenmusik für die fünf Hauptkirchen.

TELEMANN erneuerte das in Verfall geratene Collegium musicum und veranstaltete regelmäßig öffentliche Konzerte.

Die Konzerte des Leipziger Collegium musicum, seit 1729 von JOHANN SEBASTIAN BACH (1685–1750) geleitet, waren zum Teil nichts anderes als – höchst anspruchsvolle – Kaffeehaus-Konzerte.

CARL PHILIPP EMANUEL BACH (1714–1788) übernahm – nachdem seine Bewerbung um das Leipziger Thomaskantorat fehlgeschlagen war – die Nachfolge des 1767 verstorbenen TELEMANN als Musikdirektor in Hamburg. Nach dem Vorbild TELEMANNs in Frankfurt am Main und Hamburg veranstaltete auch er öffentliche Konzerte, nicht zuletzt, um seine wirtschaftliche Unabhängigkeit im Sinne eines neuzeitlichen freien Künstlertums zu fördern.

Im Verlauf der 18. Jh. verlor das Liebhabermusizieren mit gesteigerten Ansprüchen an die Ausführung der Musik an Rang und Ansehen. Es behielt aber in Gestalt leistungsfähiger, großer Chöre eine wichtige Position im bürgerlichen Musikleben, besonders im Konzertwesen. Anstelle der veraltenden Bezeichnung Collegium musicum trat häufig die Bezeichnung „Akademie“. Hier wirkten bis um die Mitte des 19. Jh. meist Dilettanten und Berufsmusiker zusammen: so z.B. in

  • der Academy of Ancient Music in London (um 1710–1792),
  • der 1791 gegründete Singakademie in Berlin und
  • der Accademia Filarmonica in Rom (gegründet 1821).

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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