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- Bordun und Borduntechnik
Der Begriff Bordun (lat. burdo) ist in schriftlichen Quellen seit 1240 belegt (frz. bourdon; ital. bordone; engl. burdon und drone; griech. ison: dt. Brummer oder Stimmer).
Unter Bordun versteht man im allgemeinen einen langgezogenen Halteton oder eine Gruppe von zusammenwirkenden Haltetönen, die als ausgehaltene (mehr oder weniger statische) Klänge eine Melodie als Stütze begleiten. Das Prinzip des Borduns ist als Dauerton sowohl in der Instrumental- als auch in der Vokaltechnik ein weit verbreitetes Phänomen. Es dient innerhalb des modalen Melos der sich meist über dem Bordunklang entfaltenden Melodiestimme vor allem als tonale Orientierungsbasis. Diese tritt vor allem in Form des Pedalborduns der vox organalis im gregorianischen Gesang oder des ison im griechisch-orthodoxen bzw. byzantinischen Kirchengesang auf.
PIETER BRUEGEL D. Ä.: Bauerntanz, Detail: Ein Dudelsackspieler.
Das Bild entstand um 1568, es wurde in Öl auf Holz gemalt und befindet sich im Kunsthistorisches Museum in Wien.
In Albanien wird der vokalen Mehrstimmigkeit gelegentlich auch ein ausgehaltener oder rhythmisierter iso-Bordun untergelegt, welcher ein stabiles Fundament zu den zwei bis vier darüber singenden Frauenstimmen abgibt.
In Indonesien schmückt ein Vorsänger den chorischen Liegeton des Männerbordungesangs mit Sekundtönen darüber und darunter aus.
Grundsätzlich können alle oder einzelne Bordun-Formen miteinander kombiniert werden: Der Chor des Appenzeller Gradhäbe (Töne „gerade halten“) führt einen harmonischen Wechselbordun aus den Stufen von Tonika und Dominante aus und bestimmt hierbei das tonikale Fundament zu den sich darüber entfaltenden Jodelstimmen des ersten und zweiten Zaurers (Vorjodlers, Hörbeispiel 1).
Aber auch Geräusche, wie das Rauschen des Wassers oder Glockenklänge, können als Bordune verstanden werden. Das „Schellenschötte“, das rhythmische Schütteln von Kuhschellen (Hörbeispiel 2) oder das „Talerschwingen“ (Hörbeispiel 3) sind dafür beredte Beispiele.
Als Begleitung zum mehrstimmigen Naturjodel (mit Alphorn-fa) lässt man beim Talerschwingen in drei im Dreiklang aufeinander abgestimmten irdenen Milchbecken durch schwingende Arm- und Handbewegungen je ein Fünffrankenstück den Beckenrand entlang kreisen. So entsteht ein gleichmäßig-brummend-schleifender bzw. bordunierender Begleitklang, der das Geräusch des Herdengeläutes imitiert. Hier handelt es sich um einen mehrfachen Geräuschebordun, der sich harmonisch zu einem darüber liegenden Jodelgesang als Dauerton entfaltet.
Zu den einfachsten Bordun-Instrumenten gehören Doppelflöten, wie die satara aus Radschastan und süd- und mittelamerikanische Doppel- und Dreifachflöten aus Ton. Letztere sind aus präkolumbischer Zeit überliefert und vermutlich auch mit Bordunklängen gespielt worden. Das gleiche gilt von der Doppelklarinette bzw. der Doppeloboe, dem altgriechischen Doppelaulos. Möglicherweise erzeugte hier – wie bei der indischen Doppelflöte – eine der beiden Röhren einen Bordunton. Ähnlich verhält es sich mit der indischen Doppelklarinette pûngî und der ägyptischen Doppelklarinette argûl, deren griffloses Bordunrohr wesentlich länger sein kann als die Melodiepfeife mit ihren sechs Grifflöchern. Der argûl wird vor allem zu Feiern und Hochzeiten gespielt.
In Sardinien nimmt die launeddas eine herausragende Stellung ein. Sie ist eine bordunierende Tripelklarinette mit ungleich langen Pfeifen aus Schilfrohren und einfachem Rohrblatt. Nahezu zwei gleich lange Rohre, die größere mancosa manna und die etwas kleinere mancosedda, funktionieren im mehrstimmigen Spiel als Melodiepfeifen mit je fünf vorderständigen Grifflöchern. Das dritte, längste und grifflose Rohr ist die Bordunpfeife (tumbu). Die launeddas kann mit Hilfe der Zirkuläratmung¹ ohne Unterbrechung gespielt werden.
Die sardische launeddas war um 1950 fast verschwunden, erlebte aber durch den Tourismus einen neuen Aufschwung. Gespielt wird sie insbesondere zu Kettentänzen (ballu). Auf ihr erklingen Tarantella, Polka, Foxtrott und Mazurka.
Wo zwei oder mehrere Oboen zur Trommelbegleitung spielen – wie im türkischen davul-zurna-Ensemble oder im ägyptischen mizmâr-baladî-Ensemble – erzeugt eine der Schalmeien vielfach einen fundamentalen Bordunton. Der Bordunton ist auch bei den nordindischen śahanâî- bzw. südindischen nâgasvaram-Oboen-Ensembles ein mögliches Gestaltungsmittel. In Indien wurden zudem während der Kolonialzeit verschiedene traditionelle Borduninstrumente durch die śruti-Box ersetzt. Dies ist ein tragbares Harmonium mit einer Klaviatur über drei Oktaven und mehreren Borduntönen von kontinuierlich gehaltener Stärke. Die Borduntöne können vor Beginn des Spiels über Drehklappen eingestellt werden.
¹ Zirkuläratmung = besondere Atemtechnik, bei der zwei Ausatemphasen unterschieden werden, wobei die zweite Phase gleichzeitig des Luftholens durch die Nase dient.
Zu den verbreitetsten und bekanntesten Instrumenten der Bordunmusik gehören ohne Zweifel die Sackpfeife (Dudelsack) und die Drehleier bzw. Radleier. Die Sackpfeife (ital. zampogna, frz. cornemuse/musette, engl. pipe, span./portug. gaita, bulg. gajda, slovak. gajdy, ung. dudy, türk. tulum) weist – je nach Art – ein bis zwei Melodiepfeifen auf, die mit Einzel- oder Doppelrohrblatt versehen sind. Es handelt sich hierbei um Klarinetten- oder Oboen-Typen, die als solche einzeln oder auch gemischt in einem Instrument zusammen mit einem oder mehreren Brummern erklingen. Diese Borduntöne ertönen zur gespielten Melodie in der Regel unverändert je auf einem Ton, meistens auf der Oberquint und / oder dem Grundton der Melodiepfeifenskala bzw. deren Oktaven. Alle Pfeifen werden durch die Luft zum Klingen gebracht, indem diese aus einem Windsack – durch den Druck des Arms auf den Sack – in die Rohre gepresst wird. Der Windbehälter wird mittels eines Mundrohrs durch die Lungen des Spielers gefüllt oder mechanisch durch einen Blasebalg.
Die Sackpfeife ist seit dem 9. Jahrhundert in schriftlichen Quellen belegt. In ihren unterschiedlichen Formen ist sie
In Deutschland ist die Sackpfeife auch bekannt als
Die bordunierende Drehleier gehört zu den Chordophonen (Saiteninstrument mit Resonanzkörper). Ein mit einer Handkurbel versehenes Scheibenrad bringt die Saiten zum Klingen. Ein oder zwei Saiten können durch das Drücken von Tangententasten so verkürzt werden, dass sie als Melodiesaiten dienen, während zwei bis vier in Oktaven und Quinten abgestimmte freie Saiten zugleich bordunieren.
Seit dem 12. Jahrhundert bekannt, galt die Drehleier im Mittelalter vor allem als Instrument von Bettlern und blinden Musikern. Sie erfuhr am französischen Hofe im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Schäfermode im aristokratischen Umkreis ihre Blütezeit.
Die Drehleier war weit verbreitet, vor allem
Im Zusammenhang mit dem Folk-Revival der 1970er-Jahre erlebten fast alle Borduninstrumente einen neuen regen Zuspruch sowohl im Solo- und Ensemblespiel als auch im Instrumentenbau.
GEORGES DE LA TOUR: ghironda-Spieler (Drehleier), 1624-1650, Öl auf Leinwand, 162 × 105 cm, Nantes, Musée des Beaux-Arts.
Die Mundorgeln erklingen in Ost- und Südostasien seit etwa 1000 v.Chr. als Borduninstrumente. Mehrere Bambus- oder Holzrohre mit eingesetzten metallenen Durchschlagzungen sind in einem Windbehälter aus Kürbis oder Holz kreisförmig angeordnet.
Prinzip der orientalischen Mundorgel
Durch ein Mundstück wird die Luft über den Windbehälter ausgestoßen oder angesaugt. Nur jene Rohre erklingen, bei denen die seitlichen Löcher abgedeckt werden.
die oft im Ensemble einen bordunierenden Hintergrund abgeben und diesen mit durchgehaltenen, cluster-ähnlichen Klängen ausgestalten.
Die laotische khéne hat ihre Pfeifen (mit je einer freischwebenden Zunge) in parallelen Reihen angeordnet; sie wird auch in Kambodscha und Thailand gespielt.
Durch die asiatische Mundorgel kam das Prinzip der Durchschlagzungen im 18. Jahrhundert nach Europa und diente zur Entwicklung von Mund- und Ziehharmonika-Instrumenten.
Das australische didjeridu begleitet oft mit einem einfachen instrumentalen Liegeton einen Sänger. Sobald dieser pausiert, antwortet der didjeridu-Spieler mit kurzen rhythmischen Einwürfen oder aber er alterniert den Bordun-Liegeton mit kurzen Überschlagtönen in die Dezime darüber.
Chordophone weisen vielfach frei mitschwingende Bordunsaiten auf, wie etwa die nordindische Bundlaute sitâr und die südindisch-karnatische Langhalslaute vînâ, die neben den auf Bünden abgegriffenen vier Spielsaiten mit seitlich verlaufenden zwei bzw. drei oder auch mehr „sympathetisch“ resonierenden Bordunsaiten ausgestattet sind. Die bedeutendste Langhalslaute in Südindien ist die mit vier Spiel- und drei Bordunsaiten ausgestattete sarasvati vînâ, die ihren Namen von Sarasvati herleitet, der Göttin des Wissens und der Musik.
Im indischen Ensemblespiel ist das herausragende Borduninstrument die tamburâ, die zur Begleitung des Gesangs oder im Ensemble von sitâr oder vînâ im Zusamenspiel mit dem tablâ-Trommelpaar im Hintergrund auf den nicht abgegriffenen leeren Saiten kontinuierliche Bordunakkorde erklingen lässt. Die vier Stahlsaiten der tamburâ ertönen laufend, nacheinander angeschlagen, als Bordunklänge meist im Grundton-Quint- und Oktavklang. In Nordindien ist eine Saite der tamburâ häufig auch als Leitton-Sept gestimmt.Das auf einer Melodiesaite gestaltete Melos auf der türkischen saz und bağlama oder der dotar in Zentralasien wird in der Regel durch die den Bordunklang erzeugenden Begleitsaiten klanglich verdichtet und erweitert. Ähnliches trifft auch auf die zahlreichen Stabzithern in Indien und Afrika zu, die vielfach freischwingend erklingen.
Die europäische Theorbe (ital. tiorba, franz. tuorbe, engl. theorbo), eine Leierart, verfügt über einen zweiten Wirbelkasten zur Besaitung mit Bordunsaiten.
GERARD TER BORCH D. J.: Junge Frau, zwei Männer auf der Theorbe vorspielend, 2.Drittel 17.Jh., Leinwand, National Gallery London
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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