Pythagoras

Zur Person

PYTHAGORAS lebte etwa in der Zeit von 580 bis 500 v. Chr. (die Zahlenangaben schwanken). Er wurde auf der Insel Samos geboren und wird deshalb – alten Gepflogenheiten gemäß – auch PYTHAGORAS VON SAMOS genannt. In seiner Jugend unternahm er ausgedehnte Reisen durch Nordafrika und Kleinasien, lernte dabei das mathematische Wissen sowohl der Ägypter als auch der Babylonier kennen und wurde mit religiösen Ansichten in diesen Ländern vertraut. Eine Zeitlang soll auch THALES VON MILET sein Lehrer gewesen sein.

Nach Samos zurückgekehrt, verließ PYTHAGORAS jedoch seine Heimat bald wieder, weil auf der Insel ein tyrannisches Regime herrschte.

Der Geheimbund der Pythagoreer

Ein neues Zuhause und zugleich einen Förderer fand PYTHAGORAS in der griechischen Kolonie Kroton in Süditalien. Dort gründete er den Geheimbund der Pythagoreer, dessen Mitglieder strengen Regeln unterworfen waren. Bei ihrer Aufnahme mussten sie alles persönliche Habe an den Bund abtreten, auch durften sie kein Fleisch essen, keinen Wein trinken und keine wollene Kleidung tragen. Außenstehenden durften sie nichts über ihre Gemeinschaft und die Ergebnisse ihres Forschens mitteilen. Die Pythagoreer glaubten an die Seelenwanderung und hüteten sich deshalb, Tiere zu töten. Das große Ziel der Gemeinschaft war es, den Aufbau der Welt zu ergründen und die Geheimnisse der Natur zu entschleiern. In diesem Zusammenhang soll PYTHAGORAS auch den Begriff Philosoph (d. h. Freund der Weisheit) geprägt haben.

Die Pythagoreer waren der Auffassung, dass es notwendig sei, möglichst viele Erscheinungen zahlenmäßig zu erfassen. „Alles ist Zahl“, war ihr Grundsatz, wobei sie unter „Zahl“ nur natürliche Zahlen und die aus ihnen zu bildenden Verhältnisse (wir würden heute dazu „Brüche“ sagen) verstanden. Sie untersuchten die Zahlen und Beziehungen zwischen ihnen, unterschieden gerade und ungerade Zahlen, Primzahlen und zusammengesetzte Zahlen (letztere nannten sie „körperliche Zahlen“) und begründeten die Teilbarkeitslehre. Manche ihrer Entdeckungen, bestärkten sie in ihrer Auffassung von der grundlegenden Bedeutung der Zahlen.
Zum Beispiel suchte man nach Zahlen, die gleich der Summe ihrer echten Teiler sind. Man nannte sie „vollkommene Zahlen“. Die beiden kleinsten Zahlen dieser Art sind 6 und 28 (wegen 1 + 2 + 3 = 6 bzw. 1 + 2 + 4 + 7 + 14 = 28 ). Man fand diese Zahlen in der Natur wieder: Der Überlieferung nach war die Erde in sechs Tagen geschaffen worden, und der Mond umkreist die Erde in 28 Tagen. (Übrigens stellte sich heraus, dass solche Zahlen sich auch als Teilsummen der Folge der natürlichen Zahlen ergeben: Es ist 28 = 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 , und die Summe der Zahlen von 1 bis 31 liefert die nächste vollkommene Zahl 496).

Auch die Tatsache, dass Dreiecke, deren Seitenlängen im Verhältnis 3 : 4 : 5 stehen, immer rechtwinklig sind, fügte sich in die Grundauffassungen der Pythagoreer ein. Bei ihrer Suche stießen sie auch auf die Tatsache, dass sich aus Saitenlängen, die in einem einfachen Verhältnis stehen, harmonische Töne ergeben, so z. B. bei dem Verhältnis 1 : 2 die Oktave, bei 2 : 3 die Quinte und bei 3 : 4 die Quarte. Es wird berichtet, dass PYTHAGORAS auf den Gedanken kam, solche Zusammenhänge zu untersuchen, als er an einer Schmiede vorbeikam, in der das Zusammenspiel einiger Hämmer einen Wohlklang ergab (nämlich dann, wenn die Massen der Hämmer harmonisierten), in anderen Fällen jedoch einen Missklang erzeugte. Dergleichen ist möglicherweise nur Legende, wie überhaupt nicht festzustellen ist, welche Entdeckungen auf PYTHAGORAS, welche auf seine Schüler zurückgehen und welche die Pythagoreer von anderen übernommen hatten.

Der Satz des Pythagoras

Der folgende nach PYTHAGORAS benannte Lehrsatz ist wohl der bekannteste Satz der (Schul-)Mathematik:

In jedem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat über der Hypotenuse flächeninhaltsgleich der Summe der Quadrate über den Katheten, d. h., im Dreieck ABC gilt:
c 2 = a 2 + b 2

Die Umkehrung dieser Beziehung für das Tripel 3, 4, 5 war schon lange vorher bekannt. Die ägyptischen Landvermesser (die sogenannten „Seilspanner“) benutzten Knotenschnüre mit diesen Maßen für Längen und rechte Winkel, wenn sie alljährlich nach der Nilüberschwemmung die Felder neu abzustecken hatten (Bild 5).
Den Pythagoreern gebührt wohl das Verdienst, diesen Satz in seiner Allgemeinheit ausgesprochen, logisch begründet und mit den Termen n 2 1 2 ; n und n 2 + 1 2 Ausdrücke gefunden zu haben, die für ungerade Zahlen n weitere „pythagoreische Zahlentripel“ liefern.

Abstecken einer Fläche mittels Knotenschnur

Figurierte Zahlen

Die Gewohnheit, Zahlen bildlich dazustellen (man nannte sie „figurierte Zahlen“) führte zu weiteren Erkenntnissen. Beispielsweise kannte man Dreieckszahlen, darunter die „heilige“ Tetraktys, und Quadratzahlen.

 

Bild

 

An der Darstellung der ineinander geschachtelten Quadratzahlen liest man sofort ab, dass die Summe der ersten n ungeraden Zahlen stets die Summe n 2 ergibt (Bild 4).

Aus anderen Darstellungen wurde z. B. Folgendes abgeleitet:

Die Summe s der ersten n natürlichen Zahlen ist s = 1 2 n ( n + 1 ) .

Für die Summe der Zahlen, die bei Division durch 3 den Rest 1 lassen, erhält man s = 1 2 n ( 3 n 1 ) .

Und weiter: Das in Bild 4 getönte Winkelstück (man nannte so etwas „Gnomon“) besteht aus neun Punkten, stellt also selbst eine Quadratzahl dar. Damit erhält man aus dem kleineren Quadrat, dem größeren Quadrat und dem Gnomon ein pythagoreisches Zahlentripel, nämlich 4; 5 und 3 und einen Weg zur Gewinnung weiterer derartiger Tripel.

 

Figur zur Satzgruppe des Pythagoras

Figur zur Satzgruppe des Pythagoras

Ineinandergeschachtelte Quadratzahlen

Ineinandergeschachtelte Quadratzahlen

Das Zeichen der Pythagoreer

Der Bund der Pythagoreer hatte auch sein geheimes Zeichen. Das war der (regelmäßige) fünfzackige Stern, das „Pentagramm“, das im Mittelalter als Amulett verwendet wurde. (Auch GOETHEs Faust zeichnet eine solche Figur, „Drudenfuß“ genannt, auf seine Schwelle, um den Teufel fernzuhalten.)

Es begab sich, dass einst ein alter, gebrechlicher und kranker Wanderer an einem Haus anklopfte und um etwas zu essen und zu trinken bat. Der Wirt des Hauses war ein gutherziger Mann, gab dem Wanderer Nahrung und ein Nachtlager und versorgte ihn auch weiterhin, da der alte Mann sterbenskrank war. Als es mit ihm zu Ende ging, bat er seinen Wirt um eine Tafel und ein Stück Kreide, malte ein Pentagramm darauf und forderte den Wirt auf, die Tafel in das Fenster zu stellen, denn er habe sonst nichts, womit er die Güte, die er erfahren hatte, vergelten könne. Dann starb er. Einige Zeit später kam ein vornehmer Reisender an dem Haus vorbei, sah die Tafel und fragte den Wirt, welche Bewandtnis es damit habe. Als der Wirt den Hergang erzählte, wurde er von dem Reisenden mit einen Beutel Geldes entlohnt.

Doch ausgerechnet die Figur des Pentagramms brachte die Philosophie der Pythagoreer ins Wanken, denn die Länge des Umkreises und die Seitenlänge des Fünfecks lassen sich nicht in einem Verhältnis natürlicher Zahlen ausdrücken. Auf solches Problem war man schon bei der Basis und den Schenkeln eines gleichschenklig-rechtwinkligen Dreiecks gestoßen. Heute wissen wir, dass dies zu irrationalen Zahlen führt. Als einer der Pythagoreer, ein gewisser HIPPASOS, solches auszusprechen wagte, war das wie eine Gotteslästerung, und die Götter sollen ihn bei einem Schiffbruch umkommen lassen haben. Immerhin begegneten die Pythagoreer dabei dem Problem des „Goldenen Schnitts“.

Die Geheimniskrämerei der Pythagoreer und ihre ungewöhnliche Lebensweise erregten den Unmut der Bevölkerung. So wurden sie zunächst aus Kroton, dann auch aus Megapontum, wohin sie sich geflüchtet hatten, vertrieben. Möglicherweise kam PYTHAGORAS bei einem solchen Pogrom ums Leben.

Pentagramm

Pentagramm

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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