Geometrie, Anfänge

Die Geometrie (griechisch, Erdmessung) mit ihren Teildisziplinen Planimetrie (griechisch, Flächenmessung) und Stereometrie (griechisch, Körpermessung) untersucht die uns umgebende Wirklichkeit auf sehr abstrakte Weise. Sie beschäftigt sich nur mit den äußeren Formen der Gegenstände und lässt die stoffliche Zusammensetzung der Dinge und damit die biologischen, physikalischen und chemischen Eigenschaften unberücksichtigt.
Ein Blick in die Geschichte der Mathematik zeigt uns, dass in der Regel Beobachtungen und praktische Versuche, ja oft gezielte Experimente die Ausgangspunkte und Anlässe für die Festlegung von Begriffen oder die Formulierung von Sätzen waren.
Traten früher alljährlich der Nil oder der Gelbe Fluss über die Ufer, brachten die Hochwasser nicht nur fruchtbaren Schlamm auf die Felder, sondern auch die Notwendigkeit, dieses Land anschließend wieder neu gerecht zu vermessen und die alten Grenzen der Felder herzustellen.

Landvermessung, astronomische Beobachtungen und der Bau von Tempeln und Pyramiden gaben erste Anstöße zu geometrischen Überlegungen: Winkel mussten gemessen und konstruiert, Flächen- und Rauminhalte ermittelt oder im Voraus berechnet werden.
Zum Herstellen von Rädern mit oder ohne Speichen waren Kenntnisse über den Kreis und insbesondere über die Lage und Bestimmung seines Mittelpunktes erforderlich.
In den Anfängen der Geometrie zog man Geraden und Kreise, indem man Schnüre spannte.

Um eine Strecke abzustecken, spannt man zwischen zwei Punkten eine Schnur; um einen Bogen zu schlagen, hält man ein Ende fest und lässt das andere kreisen. Auch wenn die Schnur für beide Tätigkeiten dieselbe ist, so unterscheiden sich die Ergebnisse wesentlich: es ist leicht, einen guten Kreis zu zeichnen, aber viel schwieriger, eine gute Gerade zu ziehen.
Das Gleiche passiert, wenn man sich anderer Werkzeuge bedient. Es genügt ein einfacher Zirkel, um fast perfekte Kreise zu zeichnen. Im Gegensatz dazu hängt aber eine Gerade, die man mit einem Lineal zeichnet, nicht nur von der Genauigkeit des Lineals ab, sondern auch von einem logischen Zirkelschluss: um eine Gerade zu ziehen, muss man eine gegeben haben (das Lineal). Von daher rührt die Notwendigkeit, die Verwendung des Lineals auf ein Mindestmaß zu beschränken oder besser noch zu Gunsten des Zirkels vollständig darauf zu verzichten.

Der Ort des Geschehens der Geometrie verlagerte sich bald vom Erdboden auf den Tisch, auf dem der Mathematiker seine Figuren und Diagramme zeichnete, von hier auf das Papier und das Buch. Es änderten sich auch die Werkzeuge: Was man im Großen durch das Spannen von Schnüren erzielte, zeichnete man im Kleinen mit dem Lineal und dem Zirkel, die dadurch zu geistigen Werkzeugen wurden. Die daraus folgende Verkleinerung des Maßstabes machte damit den Erdboden für den, der sich mit Geometrie beschäftigte, nicht mehr notwendig und erlaubte ihm, viele Probleme komplexer Natur zu überschauen, die dem Blick des Landmessers durch den begrenzten Horizont verborgen blieben.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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