- Lexikon
- Mathematik Abitur
- 13 Wahrscheinlichkeitstheorie
- 13.3 Bedingte Wahrscheinlichkeiten
- 13.3.3 Unabhängigkeit von Ereignissen
- Unabhängigkeit von zwei Ereignissen
Lottospieler vertrauen darauf, dass jede Ausspielung der Gewinnzahlen unter gleichen Bedingungen stattfindet und dass die Ergebnisse der vorangegangenen Ausspielungen keinen Einfluss auf die kommende Ausspielung haben.
Sei A das Ergebnis der vorangegangenen Ausspielung bei der Spielart „6 aus 49“, dann gilt für die bedingte Wahrscheinlichkeit:
Ganz anders ist die Situation während einer Ausspielung.
Jede gezogene Zahl beeinflusst die Wahrscheinlichkeit für die nachfolgende Ziehung erheblich, da die gezogene Kugel nicht in die Ziehungstrommel zurückgelegt wird. In diesem Fall gilt:
Das heißt, wenn die zuerst gezogene Zahl vom Spieler getippt wurde, erhöht sich für ihn die Wahrscheinlichkeit auf sechs Richtige.
Mit obigem Beispiel wird eine grundlegende stochastische Beziehung thematisiert, und zwar die der Unabhängigkeit zweier Ereignisse.
Wenn A und B unabhängig voneinander sind und gilt, ist ebenso die bedingte Wahrscheinlichkeit für das Ereignis B nicht von der Bedingung A abhängig.
Anmerkung: Vorsicht ist beim Übertragen des Begriffs der stochastischen Unabhängigkeit auf mehr als zwei Ereignisse geboten. Die Forderung nach paarweiser Unabhängigkeit reicht nicht aus, da man jegliche Abhängigkeit ausschließen muss.
Unmittelbar aus der Definition ergeben sich einige wichtige Eigenschaften für zwei voneinander stochastisch unabhängige Ereignisse A und B mit und :
Die scheinbar einfache und einsichtige Definition stochastischer Unabhängigkeit bereitet in der Anwendung mitunter Schwierigkeiten. Das hat seine Ursache unter anderem darin, dass dieser Begriff der Stochastik bewusst oder unbewusst mit anderen Vorstellungen (z.B. aus dem täglichen Sprachgebrauch) verbunden wird, die nicht mit der Definition zu vereinbaren sind:
(1) Die Begriffe Unabhängigkeit bzw. unabhängig werden in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen benutzt, u.a. in der Umgangssprache, im Völkerrecht, in der Geschichte und in der Philosophie. In der Mathematik spricht man im Zusammenhang mit Funktionen von unabhängigen Variablen und in der Analytischen Geometrie von linear unabhängigen Vektoren.
Der Begriff der stochastischen Unabhängigkeit kann aber nur aus der oben angegebenen Definition verstanden werden und nicht aus vermeintlichen Ähnlichkeiten oder Parallelen zu anderen Begriffsverwendungen.
(2) Die Unabhängigkeit von Ereignissen darf nicht mit der Unvereinbarkeit von Ereignissen verwechselt werden.
Die Unvereinbarkeit zweier Ereignisse A, B wird definiert als , d.h. Unvereinbarkeit ist lediglich eine Eigenschaft der Ereignisse ganz ohne Wahrscheinlichkeit. Unabhängigkeit von zwei Ereignissen kann aber nicht bestimmt werden ohne die Wahrscheinlichkeiten dieser Ereignisse. Es kommt hinzu, dass die gemeinsame Vorsilbe „un“ manchen zu der Vorstellung verleitet, unvereinbare Ereignisse müssten unabhängig sein. Das ist falsch, denn es gilt das Gegenteil:
Beweis:
Aus und folgt ; aus folgt . Somit ist und folglich (w.z.b.w.).
(3) Nicht selten wird stochastische Unabhängigkeit auch mit Kausalität in Verbindung gebracht und vermutet, dass zwei Ereignisse, zwischen denen keine kausale Beziehung besteht, unabhängig sein müssten. Das ist nicht der Fall, wie folgendes Beispiel zeigen soll:
Beispiel: Eine Urne enthält zwei weiße und zwei schwarze Kugeln. „Auf gut Glück“ werden nacheinander zwei Kugeln ohne Zurücklegen entnommen. Wir betrachten die folgenden Ereignisse A und B:
Das zeitlich nachfolgende Ereignis B hat keinen kausalen Einfluss auf das Ereignis A. Trotzdem sind beide Ereignisse nicht unabhängig, auch nicht A von B, denn es gilt und .
(Da die zweite Kugel weiß ist, kann auch interpretiert werden als die Wahrscheinlichkeit, aus einer Urne mit drei Kugeln (zwei schwarzen und einer weißen) die weiße Kugel zu ziehen.)
Trotz dieser genannten Schwierigkeiten steht man in der Praxis häufig vor der Situation, die Unabhängigkeit zweier Ereignisse auf der Grundlage einer Analyse der entsprechenden Sachzusammenhänge anzunehmen.
Das ermöglicht es einerseits, die Definitionsgleichung bzw. den Multiplikationssatz als Berechnungsformel zu nutzen. Andererseits hat eine fälschlicherweise angenommene Unabhängigkeit oft gravierende Auswirkungen in Gestalt eines systematischen Fehlers.
Ereignisse, die sich bei der getrennten Wiederholung eines Zufallsexperiments unter gleichen Bedingungen ergeben, wird man als voneinander unabhängig ansehen können.
Aber wie ist es z.B. mit zwei Personen, die getrennt voneinander ein Manuskript korrigieren? Die erste Person findet a Fehler, die zweite b Fehler, und c Fehler wurden sowohl von der ersten als auch von der zweiten Person entdeckt. Man wird aber nicht davon ausgehen können, dass gilt, d.h. dass Unabhängigkeit vorliegt, da beide Personen im Allgemeinen über ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Erfahrungen bei der Fehlersuche verfügen und so mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit einen Fehler finden werden.
Da man aber bei vielen Anwendungen die Unabhängigkeit als Modellannahme machen möchte, wurden spezielle Testverfahren entwickelt, um dies zu überprüfen.
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