Ein Beispiel, das auf den russischen Mathematiker SERGEJ NATANOWITSCH BERNSTEIN (1880 bis 1968) zurückgeht, soll das im Folgenden erläutern (neben den Problemen der Wahrscheinlichkeitstheorie beschäftigte sich BERNSTEIN auch mit der Approximationstheorie und mit partiellen Differentialgleichungen).
Beispiel 1: Von den vier Flächen eines fairen Tetraeders sei eine rot, eine blau, eine grün gefärbt. Die vierte Fläche ist mit allen drei Farben bunt bemalt. Das Tetraeder wird geworfen, und es werden die folgenden Ereignisse betrachtet:
Da bei jeweils zwei von den vier Flächen des Tetraeders die Farbe rot bzw. blau bzw. grün vorkommt, gilt . Andererseits ist nur eine Fläche mit allen drei Farben bunt bemalt, sodass sich ergibt:
Damit sind die Ereignisse paarweise voneinander unabhängig.
Es gilt aber nicht , denn es ist (nur eine Fläche trägt alle drei Farben) und .
Eine Definition der Unabhängigkeit für n Ereignisse muss also gewährleisten, dass alle Kombinationen von Ereignissen, die man mit bilden kann, voneinander unabhängig sind, d.h. es muss jegliche Abhängigkeit ausgeschlossen werden. Man spricht deshalb auch von vollständiger stochastischer Unabhängigkeit oder von stochastischer Unabhängigkeit in der Gesamtheit.
- Definition: Die Ereignisse heißen (vollständig) stochastisch unabhängig, wenn für jede natürliche Zahl k mit und für jede Teilmenge von k Ereignissen der Menge gilt:
Anmerkung: Zum Nachweis der Unabhängigkeit von n Ereignissen sind Gleichungen zu überprüfen.
Für drei Ereignisse bedeutet das, dass sie stochastisch unabhängig sind, wenn die folgenden vier Gleichungen erfüllt sind:
Die Notwendigkeit eines so umfassenden Unabhängigkeitsbegriffs wird auch dadurch bekräftigt, dass sich bezogen auf drei Ereignisse aus der Gültigkeit der Gleichung (4) nicht zwangsläufig die Gültigkeit der drei anderen Gleichungen ergibt. Auch das soll durch ein spezielles Beispiel belegt werden.
Beispiel 2: Es werden zwei faire Würfel einmal geworfen, von denen der eine weiß und der andere schwarz ist.
Betrachtet werden die folgenden Ereignisse:
In Mengenschreibweise können die Ereignisse auch wie folgt angegeben werden:
Dann gilt:
Es gilt folgender Satz (wobei diese Aussage nicht umgekehrt werden kann, wie das obige Beispiel gezeigt hat):
- Multiplikationsformel:
Sind die Ereignisse (vollständig) stochastisch unabhängig, dann gilt: