Lagebeziehungen von Geraden im Raum

Die Aufgabe von Fluglotsen ist es, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten. In Deutschland müssen dazu täglich mehr als 6000 Flugzeuge überwacht und geleitet werden.
Wir wollen an dieser Stelle zu diesem Sachverhalt eine etwas einfachere Aufgabe betrachten:

  • Beispiel: Von zwei Flugzeugen sind die aktuelle Position, Kurs und Geschwindigkeit bekannt. Wie können wir prüfen, ob unter Beibehaltung von Kurs und Geschwindigkeit die Gefahr einer Kollision besteht?

Der aktuelle Ort eines Flugzeuges lässt sich durch Koordinaten in einem geeigneten Koordinatensystem, die Momentangeschwindigkeit durch einen entsprechenden Vektor beschreiben. Wir wollen hier auf eine Diskussion möglicherweise geeigneter Koordinatensysteme verzichten und stellen uns auf den Standpunkt, dass die in der Flugsicherung tatsächlich verwendeten Koordinaten letztendlich auch in das uns vertraute orthonormierte x yz- S y s t e m mit passenden Längeneinheiten und einer der Problemstellung angemessenen Lage der Koordinatenachsen umgerechnet werden können.

In einem derartigen Koordinatensystem wollen wir die aktuellen Positionen der Flugzeuge durch die Punkte P und Q darstellen; p u n d q seien dann die entsprechenden Ortsvektoren. Betrag und Richtung der Geschwindigkeiten können durch die Vektoren v 1 u n d v 2 aus dem Vektorraum 3 modelliert werden (der Betrag des Vektors v 1 entspreche also einem Vielfachen des Betrages der Geschwindigkeit des ersten Flugzeugs, dessen Flugrichtung werde durch die Richtung v 1 erfasst).

Die beiden Flugzeuge bewegen sich dann auf Geraden mit folgenden Gleichungen:
   g : x = p + t v 1 ( t ) h : x = q + t v 2 ( t ) ( )

Anmerkung: In der Zeiteinheit t = 1 bewegt sich das Flugzeug F 1 also um den Vektor v 1 , Entsprechendes gilt für das zweite Flugzeug F 2 . Darüber hinaus erscheint für unsere Modellierung die Einschränkung t 0 sinnvoll, die im Weiteren berücksichtigt wird.

  • Beispiel: Das erste Flugzeug befinde sich im Punkt P ( 14 ; 5 ; 11 ) , seine Geschwindigkeit lasse sich durch den Vektor
    ( 3 2 2 )
    beschreiben.
    Das zweite Flugzeug befinde sich entsprechend in Q ( 8 ; 17 ; 33 ) und bewege sich mit
    v 2 = ( 1 2 4 ) .

Für die „Bewegungsgeraden“ ergibt sich also:
g : x = ( 14 5 11 ) + t ( 3 2 2 ) h : x = ( 8 17 33 ) + t ( 1 2 4 ) ( t )

Als ersten Lösungsschritt wollen wir überlegen, wie (diese) zwei Geraden g und h zueinander liegen können und wie diese Lagebeziehung durch die die Geraden beschreibenden Ortsvektoren p u n d q sowie die Richtungsvektoren v 1 u n d v 2 bestimmt wird.

Aus der Anschauung ergeben sich die folgenden Lagemöglichkeiten:

  1. Die beiden Geraden sind identisch.
    Dies bedeutet insbesondere, dass der Punkt P auch auf h, der Punkt Q auch auf g liegt und die beiden Richtungsvektoren v 1 u n d v 2 Vielfache voneinander sind.
  2. Die beiden Geraden sind zueinander parallel, aber nicht identisch (man sagt auch, die Geraden g und h sind echt parallel).
    Dafür müssen offenbar die Richtungsvektoren der Geraden g und h Vielfache voneinander sein, der Punkt P darf allerdings nicht auf h liegen.
  3. Die beiden Geraden haben genau einen Punkt gemeinsam (man sagt auch, die Geraden g und h schneiden einander).
    Für diesen Fall dürfen die Richtungsvektoren der beiden Geraden offenbar keine Vielfachen voneinander sein. Außerdem gibt es genau einen Vektor s , der beide Gleichungen ( ) erfüllt; den Ortsvektor zum Schnittpunkt S der Geraden g und h.
  4. Die beiden Geraden sind weder parallel noch schneiden sie einander (man sagt auch, die Geraden g und h sind zueinander windschief ).
    Anschaulich ist klar, dass die beiden Geraden dann nicht in einer Ebene liegen können. Für diesen Fall dürfen die Richtungsvektoren der beiden Geraden keine Vielfachen voneinander sein und es gibt eben keinen Vektor s , der beide Gleichungen ( ) erfüllt.

Die folgende Übersicht fasst die notwendige Lageuntersuchung für zwei Geraden im Raum zusammen. Es sei:
g : x = p + r v 1 u n d h : x = q + s v 2 ( r , s )   

Anmerkung: Für den allgemeinen Fall wurde t in ( ) durch zwei verschiedene reelle Parameter ersetzt.

Bild

Nach diesem Schema wollen wir die Lagebeziehung der „Bewegungsgeraden“ g und h der beiden Flugzeuge aus dem obigen Beispiel untersuchen.

Dazu beginnen wir mit einem Test auf Parallelität der Richtungsvektoren:
Gibt es also eine reelle Zahl k mit
( 3 2 2 ) = k ( 1 2 4 ) ?

Aus der dritten Zeile folgt offenbar k = 2. Damit ergeben sich für die ersten beiden Zeilen falsche Aussagen. Die Geraden g und h sind also nicht zueinander parallel.

Durch Gleichsetzen der Geradengleichungen erhalten wir:
( I ) 14 + 3 r = 8 s ( I I ) 5 + 2 r = 17 2 s ( I I I ) 11 2 r = 33 4 s ¯ ( I ' ) s + 3 r = 22 ( I I ' ) 5 + 2 r = 6 ( I I I ' ) 4 s 2 r = 22

Die Gleichungen ( I ' ) u n d ( I I ' ) führen auf r = 8 u n d s = 2.
Damit ergibt sich ein Widerspruch zur Gleichung ( I I I ' ) .
Die Geraden g und h sind also zueinander windschief.

Anmerkung: Zu untersuchen wäre allerdings noch, ob eine Kollision der beiden Flugzeuge damit tatsächlich ausgeschlossen ist?

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