Felix Christian Klein

FELIX CHRISTIAN KLEIN wurde am 25. April 1849 in Düsseldorf als Sohn des persönlichen Sekretärs des dortigen Regierungspräsidenten geboren.

Nach dem ersten Unterricht durch seine Mutter und dem Besuch einer Privatschule sowie des humanistischen Gymnasiums in seiner Geburtsstadt begann FELIX KLEIN im Jahre 1865 ein Studium der Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Bonn.

Sein Hauptinteresse galt zunächst der Physik. Bereits 1866 wählte ihn JULIUS PLÜCKER (1801 bis 1868) zum Vorlesungsassistenten für seine Physikvorlesungen. Durch PLÜCKER, der durch bedeutende Arbeiten zur Physik und zur Mathematik hervorgetreten war, lernte KLEIN u.a. auch dessen „Liniengeometrie“ kennen und widmete sich von da an selbst mit großer Intensität Fragen der projektiven Geometrie und ihrer Weiterentwicklung. 1868 promovierte er zur Klassifikation der Linienkomplexe 2. Grades.

Im Bestreben, möglichst viele verschiedene mathematische Schulen kennenzulernen, setzte FELIX KLEIN ab 1869 seine Studien in Göttingen, Berlin und Paris fort. Nachdem er Paris wegen des Deutsch-Französischen Krieges vorzeitig verlassen musste, absolvierte er einen kurzen Militärdienst und habilitierte sich Anfang 1871 in Göttingen. In jener Zeit führte er weitere Untersuchungen zur projektiven Geometrie durch und beschäftigte sich mit der Konstruktion geometrischer Gebilde. Diese Überlegungen wurden der Ausgangspunkt für die Einrichtung umfangreicher Sammlungen von Modellen, die KLEIN später als Professor an seinen jeweiligen Wirkungsstätten anlegte.

FELIX KLEINS wichtigste Forschungsergebnisse waren jedoch zum einen die projektive Begründung der nichteuklidischen Geometrien, also jener Geometrien, in denen das Parallelenpostulat nicht erfüllt ist, und zum anderen die Systematisierung der Geometrien im Rahmen des „Erlanger Programms“.

Die nichteuklidischen Geometrien gehörten zum damaligen Zeitpunkt nicht zum Allgemeingut der Mathematiker. FELIX KLEIN knüpfte nun an die von CHRISTIAN VON STAUDT (1797 bis 1867) ohne Benutzung metrischer Elemente eingeführten projektiven Koordinaten an und konstruierte für die hyberbolische Geometrie ein Modell in der euklidischen Ebene. Mit diesem Modell trug er wesentlich zur Anerkennung der mathematischen Existenz nichteuklidischer Geometrien bei, auch wenn die philosophischen Diskussionen dazu noch bis ins 20. Jahrhundert andauern sollten.

Im Jahre 1872 wurde FELIX KLEIN Professor an der Universität Erlangen. In seiner Antrittsvorlesung, die er als „Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen“ publizierte und die als „Erlanger Programm“ bekannt wurde, demonstrierte er seine Fähigkeit, Anregungen aus verschiedenen Teilgebieten der Mathematik aufzunehmen und zu neuen Resultaten vorzudringen.

Zusammen mit dem Norweger SOPHUS LIE (1842 bis 1899) hatte er während des gemeinsamen Parisaufenthalts wichtige Einsichten in die Gruppentheorie erzielt. Mit gruppentheoretischen Mitteln gelang es KLEIN, scheinbar divergierende Richtungen der Geometrie unter einheitlichem Gesichtspunkt zusammenzufassen. Jede Geometrie charakterisierte er durch eine Gruppe von Transformationen, welche die bestimmenden Eigenschaften der jeweiligen Geometrie unverändert ließen. Das „Erlanger Programm“ übte einen beträchtlichen Einfluss auf die weiteren Forschungen zur Geometrie aus und hat insbesondere die Studien zum axiomatischen Aufbau der Geometrie unterstützt.

Seine berufliche Karriere führte FELIX KLEIN 1875 an die Technische Hochschule München und 1880 an die Universität Leipzig, bevor er 1886 an die Universität Göttingen ging, wo er bis zur vorzeitigen Emeritierung im Jahre 1913 wirkte. An allen drei Wirkungsstätten bemühte er sich erfolgreich, die Stellung der Mathematik zu verbessern, und hatte insbesondere großen Anteil an dem Aufstieg Göttingens zu einem führenden Zentrum der mathematischen Forschung.

KLEINS Interesse galt nun der komplexen Funktionentheorie und den automorphen Funktionen, zu denen er bedeutende Ergebnisse erzielte. Er stellte viele der riemannschen Ideen ausführlich dar und gab eine allgemeine Definition der sogenannten riemannschen Fläche, jenes Gebildes, das BERNHARD RIEMANN (1826 bis 1866) eingeführt hatte, um auch die „mehrwertigen Funktionen“ der komplexen Funktionentheorie mathematisch korrekt als Funktionen (also als eindeutige Zuordnungen) bezeichnen zu können. Durch diese Untersuchungen leistete KLEIN einen wichtigen Beitrag zum stärkeren Bekanntwerden der Verwendung geometrischer Vorstellungen in der Analysis, was sich für deren weitere Entwicklung als sehr fruchtbar erwies. 1882 publizierte er eine umfassende Ausarbeitung der geometrischen Funktionentheorie.

FELIX KLEIN widmete sich besonders den automorphen Funktionen und den Modulfunktionen. Wie der französische Mathematiker HENRI POINCARÉ (1854 bis 1912) legte er wichtige Ergebnisse zur eindeutigen Parameterdarstellung dieser Funktionen vor, wobei er auch neue Resultate zur Theorie linearer Differenzialgleichungen erzielte.

Mit der Behandlung der allgemeinen Gleichung 5. Grades gab KLEIN ein weiteres Beispiel seiner Fähigkeit, verschiedene mathematische Gebiete geschickt zusammenzuführen. Die Lösungen von Gleichungen 5. Grades lassen sich im Allgemeinen nicht in einer Formel angeben, in der die Koeffizienten der Gleichung nur durch die arithmetischen Grundoperationen und Wurzelschachtelungen verknüpft sind. Unter Rückgriff auf Ergebnisse der Lösungstheorie algebraischer Gleichungen, der Gruppentheorie, der Funktionentheorie und der Theorie des Ikosaeders sowie über Differenzialgleichungen konnte er 1884 eine vollständige Lösungstheorie der Gleichung 5. Grades angeben.

In den 90er Jahren widmete sich FELIX KLEIN verstärkt Problemen der Physik, speziell der Mechanik, und erzielte auch auf diesem Gebiet beachtliche Resultate. Gleichzeitig rückte jedoch die wissenschaftsorganisatorische Tätigkeit immer stärker in den Mittelpunkt seines Handelns. Große Aufmerksamkeit schenkte er der Verbreitung mathematischer Kenntnisse und dem mathematischen Unterricht. So war er maßgeblich an der Herausgabe der Fachzeitschrift „Mathematische Annalen“ und der „Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluss ihrer Anwendungen“ beteiligt. Intensiv versuchte er, den zwischen Mathematikern und Ingenieuren entstandenen Konflikt über den notwendigen Anteil der Mathematik in der Ingenieurausbildung zu schlichten und auf beiden Seiten ein gewisses Verständnis für die Argumente der Gegenseite zu erreichen.

Bezüglich des mathematischen Unterrichts an den Schulen trat FELIX KLEIN schon frühzeitig für eine Verbesserung des theoretischen Niveaus und eine anschaulichere, anwendungsorientierte Gestaltung sowie wie auch für eine entsprechend veränderte Ausbildung der Lehrer ein. Ab 1894 betätigte sich KLEIN aktiv im „Verein für die Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts“ (MNU) und stritt um eine bessere Stellung der Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften sowie eine stärkere Berücksichtigung dieser Fächer in den Lehrplänen. Die auf KLEINS Initiative 1904 im Rahmen der „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte“ gegründete Unterrichtskommission legte auf den Tagungen der Gesellschaft 1904 bis 1907 jeweils wichtige Vorschläge zur Reform des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts vor (u.a. Meraner Reform). Mit der Bildung des „Deutschen Ausschusses für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht“ und der „Internationalen Mathematischen Unterrichtskommission“ (IMUK) erreichten die Reformbestrebungen dann 1908 eine breitere Basis. In beiden Organisationen spielte KLEIN eine wichtige Rolle. Zudem verstand er es, geschickt Kontakt zu führenden Vertretern der Wirtschaft und der Politik aufzunehmen und sich die nötige Unterstützung für seine Ziele zu sichern. Auf diese Weise wirkte er sehr erfolgreich für die Förderung der angewandten Mathematik und für Umgestaltungen im Bildungswesen. In diesem Sinne war er bis zu seinem Lebensende (er verstarb am 22. Juni 1925 in Göttingen) ungewöhnlich aktiv.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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