- Lexikon
- Mathematik Abitur
- 14 Beschreibende und beurteilende Statistik
- 14.2 Beurteilende Statistik
- 14.2.3 Alternativtests
- Beispiel eines Alternativtests
Produkte eines jeden Unternehmens werden insbesondere an ihrer Qualität (Preis-Leistungs-Verhältnis) gemessen. Gute Qualität sichert dem Unternehmen einen guten Ruf und im Allgemeinen eine gute Auftragslage. Erzeugen Unternehmen „Zwischenprodukte“ zur Weiterverarbeitung in anderen Firmen, so ist die Einhaltung strenger Qualitätsvorgaben besonders wichtig. Zumeist werden die Zwischenprodukte in Qualitätskategorien (nach internen Kriterien) eingeteilt. Eine falsche oder fehlende Kennzeichnung der jeweiligen Kategorie kann dem Unternehmen neben hohen finanziellen Verlusten auch erhebliche Imageschäden zufügen.
Statistische Untersuchungen bieten die Möglichkeit, solchen Gefahren vorausschauend zu begegnen.
Beispiel: Ein großes Unternehmen stellt Garn für die Fertigung in Teppichfirmen auf zwei verschiedenen Produktionsanlagen I und II – zu gleichen Anteilen – her. Die modernere Anlage I produziert erfahrungsgemäß 5 % Ausschuss, die veraltete Anlage II produziert 10 % Ausschuss. Das Garn wird in Containern zu je 1000 Garnrollen verpackt. Dabei etikettiert ein Automat die Garnrollen der Anlage I als erste Qualität (QI), die Garnrollen der Anlage II als zweite Qualität (QII). Die Container werden nach Sichtkontrolle anschließend von Hand ebenso mit QI bzw. QII etikettiert.
Durch zeitweiligen Ausfall des Etikettierungsautomaten ist die Qualität der Garnrollen in einem Container nicht erkennbar. Es lässt sich auch nicht mehr nachvollziehen, von welcher der beiden Produktionsanlagen der Container bestückt worden ist. Ein Wirtschaftsmathematiker des Unternehmens erhält daher den Auftrag, einen Vorschlag zu erarbeiten, als welche Qualität Container mit zunächst nicht etikettierten Garnrollen an Teppichfirmen verkauft werden können, so dass die Wahrscheinlichkeit für Imageschäden des Unternehmens möglichst gering ist.
Lösung:
Der Container besitzt entweder die Qualität QII (: ) oder die Qualität QI (: ). Unter dieser Sicht – und bei häufigerem Auftreten derartiger Etikettierungsprobleme – ist die Entscheidung für einen Alternativtest angebracht.
Wegen der möglicherweise erheblichen Imageschäden bei einem irrtümlichen Verkauf als QI wird „QII“ als Nullhypothese mit dem Bestreben gewählt, die Nullhypothese mit einer sehr geringen Irrtumswahrscheinlichkeit – Fehler 1. Art – abzulehnen.
Die Zufallsgröße X beschreibe die Anzahl der Ausschuss-Garnrollen in einer Stichprobe vom Umfang n. Die Zufallsgröße X darf als binomialverteilt angenommen werden:
Um die Prüfkosten niedrig zu halten, wird ein relativ geringer Stichprobenumfang von n = 50 gewählt.
Testkonstruktion:
Nullhypothese: : ;
[Alternativhypothese: : ];
Stichprobenumfang n: n = 50;
gewählte Irrtumswahrscheinlichkeit : ;
Zufallsgröße X: (bei wahrer Nullhypothese)
Da (sehr) kleine Werte von X gegen die Nullhypothese sprechen, wird der Alternativtest als (einseitiger) linksseitiger Test konstruiert.
Nach dem Satz über das Ermitteln des kritischen Werts X = k bei solchen Tests gilt:
Der Tabelle der summierten Binomialverteilung entnimmt man k = 1 und erhält somit als Ablehnungsbereich .
Interpretation/Schlussfolgerung:
Enthält die Stichprobe höchstens eine Ausschuss-Garnrolle, so wird der „Problem-Container“ als QI verkauft (Ablehnung von ), ansonsten erfolgt der Verkauf als QII (Annahme von ).
Durch die bei dem vorliegenden Alternativtest gewählte Irrtumswahrscheinlichkeit ist der akzeptierte Höchstwert für den Fehler 1. Art mit bereits bekannt.
Nach dem Satz über die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 1. Art gilt und damit ist im vorliegenden Fall der „genaue Wert“ dieses Fehlers gemäß Tabelle der summierten Binomialverteilung .
Analog erhält man nach dem Satz über die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art :
Die berechneten Wahrscheinlichkeiten für den Fehler 1. Art und den Fehler 2. Art belegen:
Nur in etwa 3,4 % aller Fälle würde man (bei dieser Testkonstruktion) irrtümlich Garnrollen zweiter Qualität als Garnrollen erster Qualität verkaufen. Umgekehrt würde man in etwa 72,1 % aller Fälle irrtümlich Garnrollen erster Qualität als Garnrollen zweiter Qualität verkaufen. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Unternehmen Imageschäden entstehen, äußerst gering. Geprüft werden müsste ggf. noch, wie sich (auf lange Sicht) bei dieser Entscheidung die finanziellen Verluste entwickeln.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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