Axiomensysteme

Derartige mathematische Axiomensysteme genügen folgenden Bedingungen:

  • Axiome sind Grundannahmen, die meist aus bereits vorhandenen Vorstellungen über den zu definierenden Begriff resultieren, von deren Gültigkeit man ausgeht und die deshalb auch nicht bewiesen werden müssen.
  • Axiome sollen zu keinem Widerspruch führen.
  • Weitere gewünschte Eigenschaften des zu definierenden Begriffs sowie alle übrigen Sätze der entsprechenden Theorie sollen aus diesen Festlegungen mit den Regeln der Logik bewiesen werden können.
  • Keines der Axiome soll aus den anderen Festlegungen des Axiomensystems hergeleitet werden können.

Im Folgenden werden drei Beispiele für mathematische Axiomensysteme angegeben.

Peanosches Axiomensystem (Beispiel 1)

Der italienische Mathematiker GIUSEPPE PEANO (1858 bis 1932) hat im Jahre 1891 nachgewiesen, dass sich die Eigenschaften der natürlichen Zahlen aus fünf Axiomen ableiten lassen (wobei die einzelnen Axiome in der Literatur in verschiedenen Fassungen bzw. Formulierungen angegeben werden):

  • Axiom 1: 0 ist eine Zahl.
  • Axiom 2: Jede Zahl hat genau einen Nachfolger.
  • Axiom 3: 0 ist nicht Nachfolger einer Zahl.
  • Axiom 4: Jede Zahl ist Nachfolger höchstens einer Zahl.
  • Axiom 5: Von allen Mengen, die die Zahl 0 und mit der Zahl n auch deren Nachfolger n' enthalten, ist die Menge der natürlichen Zahlen die kleinste.

Auf der Basis dieser Axiome wären die natürlichen Zahlen mit 0; 0', 0"; ... zu bezeichnen. Diese Schreibweise ist aber sehr unübersichtlich und beansprucht viel Zeit und Raum. Deshalb verwendet man für die natürlichen Zahlen das dekadische Positionssystem und symbolisiert sie mit 0; 1; 2; ...; 9; 10; 11; ...

Definiert man für die natürlichen Zahlen die uns bekannten Rechenoperationen, so müssen deren Rechenregeln nur mittels der peanoschen Axiome und logischer Schlüsse bewiesen werden können.

Definiert man etwa Addition ( + ) und Multiplikation ( ) für natürliche Zahlen m, n mittels
m + 0 = 0 + m = m , m + n ' = ( m + n ) ' , m 0 = 0 m = 0, m n ' = m n + m ,

so lassen sich aus den peanoschen Axiomen beispielsweise die Kommutativgesetze
a + b = b + a und a b = b a ,

die Assoziativgesetze
( a + b ) + c = a + ( b + c ) und ( a b ) c = a ( b c )

sowie das Distributivgesetz
a ( b + c ) = a b + a c
herleiten.

Das dabei benutzte Beweisverfahren der vollständigen Induktion wird durch das Axiom 5 gerechtfertigt.

Axiomensystem der euklidischen Geometrie (Beispiel 2)

Auch die euklidische Geometrie beruht auf einfachen Grundannahmen, die so anschaulich und plausibel waren, dass man kein Bedürfnis verspürte, diese auf den griechischen Mathematiker EUKLID VON ALEXANDRIA (etwa 365 bis etwa 300 v.Chr.) zurückgehenden Axiome zu beweisen. Nur eine Ausnahme gab es, das fünfte Axiom, das Parallelenaxiom:

In der Ebene gibt es zu einer gegebenen Geraden und einem gegebenen Punkt, der nicht auf dieser Geraden liegt, genau eine Gerade, die durch den gegebenen Punkt hindurchgeht, ohne die gegebene Gerade zu schneiden.

Etwa 2000 Jahre lang hat man immer wieder, aber vergeblich versucht, dieses Parallelenpostulat aus den anderen Axiomen herzuleiten. Erst durch die Arbeiten von CARL FRIEDRICH GAUSS (nicht veröffentlicht) in Göttingen, NIKOLAI IWANOWITSCH LOBATSCHEWSKI (veröffentlicht um 1829) in Kasan, JANOS BOLYAI (veröffentlicht um 1832) in Budapest wurde bewiesen, dass

  • das Parallelenaxiom nicht aus den anderen euklidischen Axiomen abzuleiten ist und
  • die Negation des Parallelenaxioms (d.h. die Annahme, dass es mehrere derartige Parallelen gibt) nicht im Widerspruch zu den anderen euklidischen Axiomen steht, sondern zu einer neuen Theorie, der nichteuklidischen Geometrie, führt.

Kolmogorowsches Axiomensystem (Beispiel 3)

Die Wahrscheinlichkeitsrechnung axiomatisch zu begründen galt lange Zeit als ein aussichtsloses Unterfangen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war unter Wissenschaftlern die Meinung verbreitet, dass keine weitere mathematische Disziplin auf so unklaren und schwankenden Grundlagen aufgebaut sei wie diese.
Erst als es gelang, Zusammenhänge zwischen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der scheinbar weit von ihr entfernt liegenden Mengentheorie herzustellen, indem zufällige Ereignisse als Mengen definiert wurden, bekamen die Bestrebungen, die Wahrscheinlichkeitsrechnung axiomatisch zu begründen, eine feste Grundlage. Das von dem russischen Mathematiker ANDREJ NIKOLAJEWITSCH KOLMOGOROW (1903 bis 1987) im Jahre 1933 veröffentlichte Axiomensystem stellt einen gewissen Abschluss in diesem Prozess dar.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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