WERNER TÜBKE wurde am 30. Juli 1929 in Schönebeck in Sachsen-Anhalt geboren. Er wuchs als Einzelkind in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf.
Von 1939–1945 besuchte TÜBKE das Realgymnasium in Schönebeck und nebenbei unterrichtete KARL FRIEDRICH ihn privat in Zeichnen in Magdeburg. In seiner Heimatstadt absolvierte TÜBKE von 1946–1947 eine Malerlehre und die Meisterschule für das Deutsche Handwerk in der Fachrichtung Malerei in Magdeburg, parallel dazu holte er das Abitur nach. Im Anschluss nahm er das Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) u.a. bei ELISABETH VOIGT (1898–1977) und ERNST HASSEBRAUK (1905–1974) auf. Im Jahr 1950 wechselte er an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, um dort die Fächer Kunstgeschichte und Psychologie zu studieren und schloss 1952 mit dem Staatsexamen ab.
Nach dem Studium arbeitete TÜBKE zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentralhauses für Laienkunst in Leipzig. Von 1955–1957 war er Assistent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Später übte er eine leitende Funktion im Verband der bildenden Künstler (VBK) aus und unternahm als freischaffender Künstler mehrere Studienreisen in die Sowjetunion.
Im Jahr 1962 stellte man ihn erneut als Oberassistent an der HGB in Leipzig ein. Dort erfolgte zwei Jahre später seine Berufung zum Dozenten mit gleichzeitiger Übernahme der Leitung der Meisterklasse für Malerei. Die Ernennung zum Professor erfolgte 1972 und im März 1973 trat er die Nachfolge von ALBERT KARP (1918–1995) als Rektor der Kunsthochschule an. Ab 1976 war TÜBKE wieder als freischaffender Künstler tätig.
WERNER TÜBKE gehörte zusammen mit BERNHARD HEISIG (* 1928) und WOLFGANG MATTHEUER (* 1927) zu den Begründern der „Leipziger Schule“. Alle drei studierten an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dort wirkten sie seit den 1960er-Jahren als Hochschullehrer und prägten eine ganze Generation von Malern und Grafikern. Der Stil der Leipziger Malschule steht für einen hohen künstlerischen Anspruch, verbunden mit einer bewussten Analyse der Gesellschaft und mit bemerkenswertem handwerklichen Können. Seit Anfang der 1970er-Jahre machte sich dies als prägender, schulbildender Unterschied zu anderen deutschen und auch europäischen Kunstentwicklungen bemerkbar. Deutlich brachte WERNER TÜBKE die Besonderheit von Leipzig auf einen einfachen Nenner:
„... hier gab es das Primat des Zeichnerischen, die sogenannte Leipziger Schule, also nicht Berliner Vereinfachung, nicht Dresdner Halbexpressives. Das begrenzte sich aber auf einen relativ kleinen Kreis“ (LVZ, 1999).
Besonders bekannt wurde TÜBKE mit seinen zehn Wandtafeln für das Interhotel „Astoria“ in Leipzig. In dem Bildepos „Die fünf Erdteile“ (1958) offenbarte sich bereits die stilistische Eigenart des Malers, die Orientierung an altdeutschen Meistern wie
WERNER TÜBKE fand in den weltumspannenden Gesellschaftskonflikten Bildstoffe, die er in seinen Werken verarbeitete, wie
Zu Hauptwerken seines Schaffens wurden großformatige Mehrtafelbilder und Panoramen, so
1971 war TÜBKE das erste Mal nach Italien gereist, denn der Mailänder Kunsthändler EMILIO BERTONATI hatte eine Ausstellung seiner Werke organisiert, die ein voller Erfolg wurde. Den ganzen mediterranen Raum, besonders Bella Italia, betrachtete TÜBKE als seine „wahre künstlerische Heimat“, die großen Renaissance-Maler als seine „Wahlverwandten“. Die Begegnung mit den Klassikern der italienischen Malerei wurde für seine Arbeit wichtig. In seinen teilweise monumentalen Gemälden und Wandbildern sind altmeisterliche Züge unverkennbar. Seine Themen entnahm er der Geschichte.
Mit weiteren Ausstellungen in den nächsten Jahren verschaffte er sich auch über die DDR-Grenzen hinaus ein Renommee. Im Jahr 1984 unterrichtete er an der Salzburger Sommerakademie.
Im Jahr 1976 hatte der Künstler den Auftrag zu einem der größten Kunstprojekte des Jahrhunderts übernommen, die Schaffung des Bauernkriegspanoramas „Die Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ in Bad Frankenhausen.
TÜBKE wollte kein naturalistisches Bauernkriegspanorama schaffen, dass den Augenblick der Schlacht verewigte, deren Ausgang für die Bauern und THOMAS MÜNTZER (Reformator und Prediger, 1490–1525) auch nicht Anlass zum Geschichtsoptimismus gegeben hätte. Er wollte ein monumentales Kunstwerk als Bild einer ganzen Epoche schaffen.
Mit großem Kraftaufwand bannte er sein Welttheater mit mehr als 3000 realen und surrealen, grotesken und fantastischen Figuren, Allegorien und Metaphern, schließlich von historischen, geistesgeschichtlichen, ästhetischen Bezügen und Anspielungen auf eine Leinwand. Dabei kam ihm sein altmeisterlicher Malstil zu Hilfe:
„ich brauche nur so zu malen wie immer“,
äußerte der Maler. Die Leinwand wurde von einem sowjetischen Spezialistenteam „nach geheimen Rezepten alter russischer Ikonen“ grundiert. 15 Künstler, unter ihnen
übertrugen den Entwurf auf den Malgrund. Letztendlich blieben fünf Maler übrig, die die Feinarbeiten auf die Leinwand brachten, weil sie nach einem einjährigen Trainingslager, wie TÜBKE zugab, nun
„die heutzutage für Außenstehende, z.T. auch für Eingeweihte, genauso malen wie ich“ (Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 42, 1985, H. 4, S. 304).
Die Fertigstellung des 14 x 123 m großen Rundgemäldes konnte 1987 gefeiert werden. Erst im September 1989 wurde TÜBKEs bekanntestes Gesamtkunstwerk zum deutschen Bauernkrieg mit dem dazugehörigen Museum in Bad Frankenhausen eingeweiht.
Schon in den 1950er-Jahren fühlte TÜBKE sich mehr dem Studium der Natur, des Menschen und der „Alten Kunst“ verpflichtet, als das er sich mit der Moderne auseinander setzte.
Als Mitbegründer der „Leipziger Schule“ vertrat er die „sachliche Strömung“. Sein Markenzeichen ist eine hoch kultivierte Malweise, verbunden mit einer bewussten Gesellschaftsanalyse und mit einem präzisen handwerklichen Können.
Mit seinem Malstil, der Orientierung an altdeutschen Meistern (u.a. Tafelmalerei), an der italienischen Renaissance und am Manierismus sowie an Elementen des Surrealismus habe TÜBKE „den sozialistischen Realismus in die Vielfältigkeit der Kunst verwandelt“, so würdigte ihn der sächsische Ministerpräsident GEORG MILBRADT (* 1945) anlässlich des Ablebens des Künstlers.
Nach der Wende wurde es ruhiger um WERNER TÜBKE. Das erste Werk nach der deutschen Vereinigung war ein 1265 m² großes Bühnenbild (1990–1993), das von Leipziger und Bonner Künstlern nach seinen detaillierten Entwürfen für GIANCARLO DEL MONACOs (* 1943) Aufführung von CARL MARIA VON WEBERs (1786–1826) „Freischütz“ für die Bonner Oper ausgeführt wurde. Ein Bühnenbild mit sehr intimen Seelenlandschaften zwischen lyrischer Naturversenkung und dämonischer Phantasmagorie.
Mit seinen Gemälden
zeigte sich TÜBKE als der verlachte, unverstandene Narr, dessen Zeit erst noch zu kommen scheint.
In „Der alte Narr ist tot“ benutzt TÜBKE das mittelalterliche Sujet des Heiligenbildes. Es zeigt den nackten Narren auf dem Abdeckerkarren, sein rechter Arm weist gen Himmel. Umgeben ist er von zahlreichen Figuren, die seinen Tod schauen wollen. Sie zeigen sich neugierig bis desinteressiert.
Sein letztes großes Werk war der Flügelaltar für die evangelisch-lutherische Kirche St. Salvatoris zu Clausthal-Zellerfeld (Niedersachsen), den er in dreieinhalbjähriger Arbeit anfertigte und der 1997 eingeweiht wurde. Ein Opus der Versöhnung und des inneren Friedens, das in höchstem Grade vergeistigt und distanziert erscheint. Dazu kamen immer wieder sehr private Sujets, Harlekinaden etwa, Einzelfiguren oder Porträts.
Mit „Junge Leute aus Plascassier-Provence“ von 1999, „Begräbnis im Gebirge“ (2002) und anderen zeigt TÜBKE auch überlängte Figuren im Stile des Manierismus, die allerdings nicht so fein in der Malweise sind und eher Karikaturen ähneln.
Der Kunsthistoriker EDUARD BEAUCAMP, der noch bis kurz vor TÜBKes Tod mit dem Künstler zusammen eine Ausstellung vorbereitet hatte („Werner Tübke. Meisterblätter und ausgewählte Gemälde“), würdigte ihn mit den Worten:
„Aus dem bunten Panorama der Gegenwartskunst hebt sich das Werk des Leipziger Malers und Zeichners Werner Tübke durch beispiellose Extravaganz heraus. Als es vor etwa dreißig Jahren im Westen bekannt wurde, diskutierte man es als Phänomen der Postmoderne. Tübke konterte schon damals ironisch, er könne schlechthin nicht postmodern sein, da er nie modern gewesen sei“ (2004).
TÜBKE emanzipierte sich ohne große Mühe von den Dogmen des Fortschritts, von den Denkverboten der Gegenwart und ihrer Selbstzensur. Er malte ein Geschichtsbild, das keine Brüche kennt und in dem die alten Formen und Deutungsmuster fortleben. Aus der Entfernung der Zeiten wies er auch den Begriff der DDR-Kunst von sich:
„Der Begriff DDR-Kunst ist bei mir negativ besetzt. Ich verstehe darunter etwas nicht zu Definierendes: nicht ganz modern, nicht ganz altmodisch, ein bisschen plakativ, ein bisschen optimistisch, sehr vereinfacht gemalt, aber nicht expressiv, und ohne Substanz. Die Anfangsjahre waren dabei am schlimmsten. Und: Ich zähle mich nicht zur DDR-Kunst. Wenn man an die denkt, denkt man bestimmt nicht an meine Bilder“ (LVZ, 1999).
Dennoch greifen seine Bilder nicht selten hinein in das politische Geschehen. Nach der Wende gab es kritische Vorwürfe, TÜBKE sei Staatsmaler gewesen. Er habe mit Werken, wie dem Zyklus zur „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ (1960/1961) über „Arbeiterklasse und Intelligenz“ (1973) bis zum monumentalen Bauernkriegspanorama in den 1980er-Jahren das DDR-Regime gestützt. Später wies er Vorwürfe, er sei „Staatsdiener“ der DDR gewesen, zurück. TÜBKE selbst sah seine Rolle als politischen Menschen in der DDR in Zusammenhang mit seiner Kunst auch zwiespältig. 1991 äußerte er:
„Ich habe im Grunde als Zeichner begonnen, und ich werde wohl als Zeichner auch aufhören. Was dazwischenliegt – die Masse der Bilder, das Hauptwerk – wird erst später eingeschätzt werden können. Da hängt auch im Augenblick zu viel Mensch, Person dran. Mensch, Person, das muss erst weg, verschwinden hier oben samt der leidigen Politik – dann erst kann das Werk richtig Wirkung machen, wird man es auch klarer sehen: nackt.“
Am 27.05.2004 starb Prof. Dr. WERNER TÜBKE im Alter von 74 Jahren in Leipzig. Er hinterlässt seine Frau, BRIGITTE TÜBKE-SCHELLENBERGER, und fünf Kinder.
Auszeichnungen (Auswahl)
Ausstellungen (Auswahl)
Werke und Bildfolgen (Auswahl)
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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