VINCENT WILLEM VAN GOGH entstammte einer niederländischen Pastoren- und Kunsthändlerfamilie und wurde am 30. März 1853 in Groot-Zundert bei Breda geboren.
Nach Lehrjahren und recht erfolgloser Tätigkeit in der Den Haager, Londoner und Pariser Filiale der Kunsthandlung GOUPIL in den Jahren 1869 bis 1876, einem vergeblichen Anlauf, Theologie zu studieren, und dem missglückten Versuch, im belgischen Kohlerevier Borinage als Prediger zu wirken (1887–1880), wandte er sich ganz der künstlerischen Tätigkeit zu.
Von seinem Bruder THEO VAN GOGH, einem Kunsthändler, wurde er finanziell unterstützt. Der Briefwechsel zwischen den Geschwistern ist wesentliches Dokument über Leben und künstlerische Anschauungen VINCENTs. Als Autodidakt schulte VAN GOGH seine Malweise an Werken der niederländischen Künstler FRANS HALS und REMBRANDT sowie an der sogenannten Haager Schule.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: Selbstporträt vor Staffelei;1888, Öl auf Leinwand, 65,5 × 50,5 cm;Amsterdam, Van Gogh Museum.
Wesentlichen Einfluss auf sein Frühwerk hatte VAN GOGHs Begegnung mit den Arbeiten des französischen Künstlers JEAN-FRANÇOIS MILLET, die er während eines Frankreichaufenthaltes 1879/80 kennen lernte. 1880 reiste er nach Brüssel und studierte an der Königlichen Kunstakademie Anatomie und Perspektive.
1882–1885 malte er, vorwiegend in Den Haag und in Nuenen (dem Wohnort seiner Eltern), dunkle, tonige Bilder von düsterer Grundstimmung, auf denen meist Bauern und Arbeiter dargestellt sind, wie in „Die Kartoffelesser“, 1885.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: „Die Kartoffelesser“;1885, Öl auf Leinwand, 81,5 × 114,5 cm;Amsterdam, Van Gogh Museum.
Während eines kurzen Aufenthaltes in Antwerpen (1885/86), wo sich VAN GOGH an der Akademie einschrieb und sich mit Bildern von PETER PAUL RUBENS und EUGÈNE DELACROIX beschäftigte, hellte sich die Farbgebung seiner Palette auf. Doch das Zentrum der europäischen Kunst in jenen Jahren war Paris, und so ging VAN GOGH 1886 in die französische Metropole. In der Auseinandersetzung mit dem Impressionismus setzten sich nun helle und reine Farbtöne in seiner Malerei durch. Auch Einflüsse des Pointillismus zeigen die Arbeiten dieser Zeit.
Im Februar 1888 übersiedelte VAN GOGH in das südfranzösische Arles, wo er in einem künstlerisch außerordentlich fruchtbaren Jahr seine bekanntesten Werke schuf:
VINCENT WILLEM VAN GOGH: „Fischerboote am Strand von Saintes-Maries“;1888, Öl auf Leinwand, 64,5 × 81 cm;Amsterdam, Van Gogh Museum.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: „Stilleben mit Sonnenblumen“;1888, Öl auf Leinwand, 93 × 73 cm;London, Tate Gallery.
Anfang des Jahres 1888 hatte VINCENT VAN GOGH das „Gelbe" Haus in Arles gemietet. In Arles hat VAN GOGH in seinen Gemälden zu einer Synthese aus flächenhaften, linear umgrenzten Formen und komplementär gesetzten, reinen Farben gefunden. Das Licht des Südens hatte auf die Farbpalette des Niederländers große Auswirkungen. Und so war für ihn die Idee, ein „Atelier des Südens“, eine Künstlerkolonie oder Ateliergemeinschaft zusammen mit PAUL GAUGUIN und möglicherweise auch ÉMILE BERNARD zu gründen, nahe liegend. Doch das Zusammenleben der beiden charakterlich gegensätzlichen Maler VAN GOGH und GAUGUIN endete rasch in einem heftigen Streit und dem psychischen Zusammenbruch VAN GOGHs im Dezember 1888.
Nach einer Selbstverstümmelung – VAN GOGH schnitt sich einen Teil seines linken Ohres ab – und wiederholten Anfällen, die lange Zeit als Zeichen geistiger Verwirrung gedeutet wurden, nach neueren Erkenntnissen aber Folgen einer Erkrankung des Innenohrs oder einer epileptischen Erkrankung waren, ließ sich der Künstler im Mai 1889 in die Heilanstalt Saint-Rémy-de-Provence einliefern.
Hier entstanden Gemälde von ekstatischer Ausdruckskraft, die von einem rhythmischen Duktus bestimmt sind, wie „Sternennacht mit Zypressen“, 1889.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: „Sternennacht“;1889, Öl auf Leinwand, 73,7 × 92 cm;New York, Museum of Modern Art.
Im Mai 1890 begab sich VAN GOGH nach Auvers-sur-Oise in die Obhut des Arztes und Kunstliebhabers PAUL GACHET, den er auch malte: „Porträt Dr. Paul Gachet“ (1890).
VINCENT WILLEM VAN GOGH: „Porträt des Dr. Gachet“;1890, Öl auf Leinwand, 68 × 57 cm;Paris, Musée d'Orsay.
Am 7. Juli 1890 starb VAN GOGH an den Verwundungen, die er sich mit einem Revolverschuss beigebracht hatte.
In einer populären Betrachtung gilt VAN GOGH als der verkannte, missverstandene Künstler, der an den harten alltäglichen Lebensumständen scheiterte. Zuweilen kippte diese Sicht in die völlig verfehlte Einschätzung des Künstlers als „der Irre, der malt“. Doch hinterließ VAN GOGH in den wenigen intensiven Schaffensperioden ein beeindruckendes künstlerisches Œuvre, das die Anerkennung vieler Künstler des 20. Jahrhunderts, insbesondere der Expressionisten, fand, und das auf dem Kunstmarkt bis heute Höchstpreise erzielt.
Wie sieht ein Mann aus, der sich in höchster Erregung einen Teil seines Ohres abgeschnitten hat? Wie malt sich ein Künstler, der sich aufgrund einer angeblichen Geisteserkrankung in einer Heilanstalt befindet?
VINCENT VAN GOGH, über dessen Krankheitsbild man sich bis heute streitet, malte 1889 in der Heilanstalt von Saint-Remy-de-Provence mehrere Selbstporträts.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: Selbstporträt mit abgeschnittenem Ohr;1889, Öl auf Leinwand, 51 × 45 cm;Chicago, Sammlung Mr. und Mrs. Leigh B. Block.
Hatte er sich in dem „Selbstbildnis mit verbundenem Ohr“ schonungslos mit der sich selbst zugefügten Verwundung gezeigt, so begegnet er uns in einem späteren Selbstporträt in einer gediegen wirkenden Kombination aus grüner Jacke, Weste und weißem Hemd. Die Haare sind sorgfältig zurückgekämmt, der Bart gestutzt.
VINCENT WILLEM VAN GOGH: Selbstporträt;1889, Öl auf Leinwand, 65 × 54 cm;Paris, Musée d'Orsay.
Wie schon oft zuvor sandte VINCENT die Bilder zusammen mit Erläuterungen an seinen Bruder THEO in Paris:
„Ich hoffe, du siehst, dass mein Gesichtsausdruck viel mutiger geworden ist, obwohl der Blick haltloser ist als früher, wie mir scheint.“
Statt einer Fotografie sollte das gemalte Bildnis dem besorgten Bruder die Genesung vor Augen führen. Denn ein Gemälde könne, davon war VINCENT VAN GOGH überzeugt, viel mehr als bloß einen äußeren Befund mitteilen. Und so versinnbildlichte er mit den wirbelnden Pinselzügen im Bildhintergrund seine psychische Überreizung, mit dem „kühlen Blau des Südens“, welches das Grün im Bild ergänzt, jedoch auch die Beruhigung seiner Nerven.
Gleichwohl sind alle diese Selbstbildnisse forschende, zweifelnde Selbstbefragungen eines Malers in krisenhafter Situation, der die Anerkennung seiner Kunst und den weltweiten Ruhm nicht mehr erlebt hat.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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