Michelangelo Buonarroto

Ähnlich wie LEONARDO DA VINCI (1452–1519) repräsentiert MICHELANGELO BUONARROTI in idealer Weise den Typus des autonomen, rastlos-kreativen Menschen der Renaissance. Sein bildhauerisches, malerisches und zeichnerisches Werk ist eines der wesentlichsten der Kunstgeschichte. Zeitlebens war er Vertrauter von Fürsten, Päpsten, Gelehrten und Künstlern. Wenige übten einen so nachhaltigen Einfluss auf Zeitgenossen (RAFFAEL, vermutl. 1483–1520; TIZIAN, um 1488–1576) und spätere Generationen aus. MICHELANGELO war

  • der Vollender der Hochrenaissance und
  • Wegbereiter manieristischer und barocker Stiltendenzen.

MICHELANGELOs Wirken wurde fest in die europäische Kunstgeschichte eingeschrieben: „Manierismus“ nannte der italienische Kunsthistoriker GIORGIO VASARI (1511–1574) die Werke, die in der „Maniera di Michelangelo“ entstanden, also den Spätstil MICHELANGELOs nachzuahmen trachteten.

CRISTOFANO ALLORI: „Michelangelo in meditazione“ (Schwarze und weiße Kreide, auf bräunlichem Papier,395 x 268 mm), um 1620–1621, Florenz, Galleria degli Uffizi, Cabinetto Disegni e Stampe.

CRISTOFANO ALLORI: „Michelangelo in meditazione“ (Schwarze und weiße Kreide, auf bräunlichem Papier,395 x 268 mm), um 1620–1621, Florenz, Galleria degli Uffizi, Cabinetto Disegni e Stampe.

Michelangelo Buonarroto - Michelangelo in meditazione

Kindheit

MICHELANGELO BUONARROTI, eigentlich MICHELAGNIOLO DI LUDOVICO DI LIONARDO DI BUONARROTI SIMONI, wurde am 6. März 1475 als Sohn eines Florentiner Beamten im italienischen Caprese geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in Florenz.

Künstlerische Anfänge

Schon früh zeigte sich sein Interesse an der Kunst. Gegen den Widerstand seines Vaters, entschied sich der junge MICHELANGELO, Künstler zu werden. Bereits im Alter von dreizehn Jahren ging er beim Maler DOMENICO GHIRLANDAIO (1449–1494) in die Lehre und wurde in der Technik der Freskomalerei unterrichtet. Wichtig für seine Stilbildung war das Studium GIOTTOs (1267–1337) und MASACCIOs (1401–ca.1428).

Noch vor Ende seiner Lehrzeit als Maler begann MICHELANGELO 1489 unter der Protektion des Stadtpatriziers LORENZO DE MEDICI („der Prächtige“; italienisch: „il Magnifico“, 1449–1492) eine Ausbildung als Bildhauer an der Kunstschule in den Mediciischen Gärten von San Marco, wo sich auch eine Sammlung antiker Skulpturen befand. Sein Lehrmeister war BERTOLDO DI GIOVANNI (um 1420–1491), ein alter Schüler DONATELLOs (um 1386–1466).

MICHELANGELO und die Familie MEDICI

Auf das junge Talent aufmerksam geworden, holte ihn LORENZO DE MEDICI 1490 bis 1492 als Hausgast an seinen Fürstenhof, der ein bedeutendes kulturelles Zentrum des Humanismus bildete. Hier traf MICHELANGELO auf führende Philosophen, Dichter und Gelehrte, wie ANGELO POLIZIANO (1454–1494) und MARSILIO FICINO (1433–1499). Die Lehren des Neuplatonismus, die christliches und antikes Gedankengut vereinen, bildeten das weltanschauliche Fundament für sein künftiges Schaffen. Die Werke dieser Frühphase, die Reliefs

  • „Madonna an der Treppe“ und
  • „Kentaurenkampf“

(beide um 1491/1492, Casa Buonarotti, Florenz) zeigen bereits die intensive Auseinandersetzung MICHELANGELOs mit antiker Kunst.

Aufgrund der immer verworreneren politischen Lage in Florenz und dem Tod seines Gönners LORENZO DE MEDICI im Jahre 1492 ließ sich MICHELANGELO vorübergehend in Venedig und Bologna nieder. In seinen 1494 und 1495 für die Kirche San Domenico geschaffenen Marmorplastiken

  • „Knieender Engel“,
  • „Hl. Proculus“ und
  • „Hl. Petronius“

wird der Einfluss JACOBO DELLA QUERCIAs (1374–1438) deutlich, mit dessen Werk sich MICHELANGELO während seines Aufenthaltes in Bologna vertraut gemacht hatte.

Erster Romaufenthalt

Von 1496 bis 1501 hielt sich MICHELANGELO BUONARROTI erstmals in Rom auf. Dort entstanden

  • die überlebensgroße Marmorstatue des Bacchus (1496–1498, Museo di Bargello, Florenz) und
  • die 1501 vollendete „Pietà“, die sich heute in der Peterskirche in Rom befindet.

In diesen beiden kontrastierenden großformatigen Skulpturen zeigen sich das Ausdrucksvermögen und die technischen Fertigkeiten des Florentiner Künstlers voll entwickelt. Das verbindliche Formenrepertoire der Frührenaissance bleibt insgesamt noch bestimmend, doch in Teilen kündigt sich bereits die Monumentalität späterer Schaffensphasen an.

Der „David“

1501 kehrte MICHELANGELO nach Florenz zurück und erhielt dort den öffentlichen Auftrag für seine später berühmt gewordene, marmorne Monumentalskulptur des „David“, an der er bis 1504 arbeitete (Florenz, Kopie auf der Piazza della Signoria, Original in der Galleria dell’Accademia). Dieses kolossale Standbild (4,34 m) wurde aus einem riesigen Marmorblock gehauen, den der Bildhauer AGOSTINO DI DUCCIO (1418–1481) vierzig Jahre zuvor erfolglos zu bearbeiten begonnen hatte, und der seitdem nutzlos in der Florentiner Dombauhütte herumgelegen hatte.

MICHELANGELO gibt seinem David eine an antiken Idealen geschulte Gestalt. Er zeigt den biblischen Helden aus dem Alten Testament als geschmeidigen, muskulösen Athleten in kontrapostischer Haltung, im Augenblick höchster Konzentration unmittelbar vor seinem Kampf gegen Goliath. Die Überproportionierung von Kopf und Händen widerspricht dem antiken Stilideal und unterstreicht den heroischen Charakter der Skulptur. Diese ikonografisch neuartige Darstellung des David wurde schon von Zeitgenossen MICHELANGELOs als Sinnbild republikanischer Freiheit verstanden.

Zur selben Periode gehören andere Bildhauerarbeiten, wie

  • die um 1503 geschaffene Gruppe „Maria mit Kind“, die sich in der Kirche Notre-Dame zu Brügge befindet und daher auch „Madonna zu Brügge“ genannt wird,
  • die Rundreliefs „Madonna Pitti“ (Museo Nazionale, Florenz) sowie
  • die „Madonna Taddei“ (Royal Academy, London) und
  • ein unvollendet gebliebener „Hl. Matthäus“ für die Kathedrale von Florenz.

Von den Gemälden dieser Zeit ist einzig das Rundbild der Heiligen Familie mit Johannes dem Täufer erhalten, die sogenannte „Madonna Doni“ (1504, Uffizien, Florenz). Unvollendet blieb der Karton für das nicht ausgeführte Fresko „Die Schlacht von Cascina“, welches im Herbst 1504 bei MICHELANGELO in Auftrag gegeben wurde. Dieser Entwurf entstand im Wettstreit mit LEONARDO DA VINCIs „Schlacht von Anghiari“ für den Großen Rathaussaal des Palazzo Vecchio. MICHELANGELO hatte einen großen Teil des Kartons bis zur Vollendung gebracht, als er Anfang des Frühjahrs 1505 die Arbeit abbrach, um einer Berufung nach Rom zu folgen.

Mit 30 Jahren wurde MICHELANGELO vom neu gewählten Papst JULIUS II. (1443–1513) aufgefordert, dessen Grabmahl zu gestalten. Dieses Projekt sollte BUONARROTI mit Unterbrechungen über vier Jahrzehnte beschäftigen. Der reizbare Künstler fühlte sich bei der Arbeit an dem Projekt nicht ausreichend unterstützt. Finanzschwierigkeiten und vermutete Intrigen seiner Künstlerrivalen führten zu einem Zerwürfnis mit dem Papst, woraufhin MICHELANGELO seine Arbeit abbrach und nach Florenz reiste.

Die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle

Nach einem Zwischenaufenthalt in Bologna kehrte BUONARROTI 1508 nach Rom zurück, wo ihn der Papst bewegte, den Auftrag zur Deckenbemalung der Sixtinischen Kapelle des päpstlichen Palastes im Vatikan anzunehmen.

Die Wände dieser Kapelle waren von den berühmtesten Künstlern der vorangegangenen Generation, von

  • SANDRO BOTTICELLI (1445–1510),
  • GHIRLANDAIO,
  • PERUGINO (um 1445/48–1523),
  • LUCA SIGNORELLI (1445–1523),
  • PINTURICCHIO (um 1454–1513) und
  • COSIMO ROSELLI (1439–1507).

ausgemalt worden. Das bisher leer gebliebene große Gewölbe der Decke sollte nun MICHELANGELO gestalten.

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond)“,(1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond)“,(1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

Michelangelo - Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond

Vier Jahre arbeitete er unter höchstem körperlichem Einsatz an den 13,7 x 39 m großen Deckenfresken der Kapelle, die er rückwärts gelehnt mit dem Gesicht nach oben anfertigte. Durch eine gemalte Architekturgliederung schaffte MICHELANGELO ein System unterschiedlicher Bildträger.

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle, Hauptszene:„Ursünde und Vertreibung aus dem Paradies“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle, Hauptszene:„Ursünde und Vertreibung aus dem Paradies“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni - Ursünde und Vertreibung aus dem Paradies

Das Deckengemälde zeigt neun Episoden aus der Schöpfungsgeschichte und der Geschichte Noahs:

  1. Das Teilen des Lichts von der Dunkelheit
  2. Die Schöpfung von Sonne, Mond und Sternen
  3. Die Schöpfung der Wasser
  4. Die Schöpfung des Menschen
  5. Die Schöpfung der Frau
  6. Die Versuchung und Vertreibung
  7. Das Opfer Noahs
  8. Die Sintflut
  9. Die Trunkenheit Noahs
MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Die Sintflut“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Die Sintflut“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

Buonarotti, M. - Die Sintflut

Vielleicht die berühmteste und eindrucksvollste dieser Szenen ist „Die Erschaffung Adams“ auf einem der großen Felder, wie er auf dem Boden liegend durch die bloße Berührung von Gottes Hand zum Leben erweckt wird.

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Der Schöpfergott erschafft Adam“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

MICHELANGELO BUONAROTTI: Deckenfresko zur Schöpfungsgeschichte in der Sixtinischen Kapelle,Hauptszene: „Der Schöpfergott erschafft Adam“ (1508–1512, Fresko; Rom, Vatikan, Sixtinische Kapelle).

M. di Lodovico Buonarroti Simoni - Der Schöpfergott erschafft Adam

An den Seiten dieses Mittelfelds lässt MICHELANGELO gewaltige Bilder alttestamentarischer Propheten mit Fresken der Sibyllen abwechseln. Diese machtvollen Männer und Frauen sitzen in Gedanken versunken, schreiben, lesen oder diskutieren. Darunter in den Stichkappen und Lünetten zugeordnet sind die Vorfahren Christi, wie sie in den Evangelien verzeichnet sind. Das Rahmenwerk all dieser Darstellungen füllt MICHELANGELO mit einer überwältigenden Menge an Figuren, die Medaillons mit den Szenen aus dem Buch der Könige halten. In den vier Eckzwiebeln schließlich sind Episoden der Befreiung des Volkes Israel abgebildet.

An Allerheiligen 1512 weihte Papst JULIUS II. die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle mit einer feierlichen Messe ein.

Grabmahl für Papst JULIUS II.

Nach Vollendung der Deckenausmalung nahm MICHELANGELO die Arbeit an dem Grabmahl für Papst JULIUS II. wieder auf. Es entstanden in der Zeit von 1513 bis 1516 ein

  • „Moses“ (Rom, San Pietro in Vincoli) und
  • zwei Sklavenfiguren (Paris, Louvre),
  • ab 1519 die vier „Boboli-Sklaven“ (Florenz, Galleria dell’Accademia).

Im selben Jahr ernannte die Akademie in Florenz MICHELANGELO zu ihrem Mitglied. 1545 wurde das nicht zum Abschluss gebrachte Wandgrab in San Pietro in Vincoli aufgestellt.

Der MEDICI-Papst LEO X. betraute MICHELANGELO 1516 mit der Fassadengestaltung von San Lorenzo in Florenz. Die Ausführung dieses Vorhabens scheiterte jedoch. Zeichnungen überliefern eine opulente Skulpturen geschmückte Front, die sich vom traditionellen Querschnitt der Basilika abgrenzt und mit der Formenvielfalt der Hochrenaissance spielt.

Grabkapelle der MEDICI

Im Dienste der MEDICI begann MICHELANGELO 1520 mit der Errichtung und Ausgestaltung einer Grabkapelle der MEDICI für die verstorbenen Mitglieder dieser Familie, ein Pendant zur Alten Sakristei FILIPPO BRUNELLESCHIs (1377–1446) und deshalb „Neue Sakristei“ genannt.

Trotz jahrelanger Arbeit (mit Unterbrechungen bis 1534) kam auch dieses Projekt nicht zum Abschluss. Die ausgeführten Statuen für das MEDICI-Monument zählen zu den bedeutendsten Werken aus MICHELANGELOs mittlerer Phase der Bildhauerei. Neben einer Madonna mit Kind stellte der florentinische Künstler die Grabmäler der Herzöge GIULIANO und LORENZO DE MEDICI fertig. In gegenüberliegenden Nischen angeordnet, widerspiegeln die beiden Sitzstatuen in allegorischer und symbolischer Form die unterschiedlichen Charaktere der porträtierten Verstorbenen. Flankiert werden sie von Allegorien der vier Tageszeiten (LORENZO: „Der Tag“ und „Die Nacht“, GIULIANO: „Der Morgen“, „Der Abend“) in voluminösen Liegefiguren.

Das zweite große Projekt dieser Zeit war der 1524 begonnene Bau an der benachbarten Biblioteca Medicea Laurenziana, in der MICHELANGELO die Wendung zum Manierismus auch architektonisch vollzog. Erst nach Ende der Arbeiten an der Bibliothek im Oktober 1526 widmete er sich wieder der Arbeit an der MEDICI-Kapelle.

Als im Jahre 1527 Rom von der Armee Kaiser KARLs V. (1500–1558) belagert wurde, sollte MICHELANGELO den Ausbau der Verteidigungsanlagen überwachen. Die Angst vor Verrat trieb ihn allerdings zur Flucht nach Venedig.

Das Jüngste Gericht

Seit 1496 hatte MICHELANGELO abwechselnd in Florenz. Rom und in den Marmorbrüchen von Carrara gearbeitet, ehe er im Herbst 1534 endgültig und für den Rest seines Lebens nach Rom übersiedelte.

20 Jahre nach Vollendung der Deckenmalereien in der Sixtinischen Kapelle wurde er von Papst CLEMENS VII. (1478–1534) beauftragt, weitere Veränderungen an der Dekoration der Kapelle vorzunehmen. An der Altarwand, die bis dahin Fresken von PERUGINO schmückten, sollte die Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ entstehen.

Zum Obersten Baumeister, Bildhauer und Maler des Vatikanischen Palastes ernannt, begann MICHELANGELO 1536 unter dem Pontifikat PAULs III., der CLEMENS VII. nach dessen Tod gefolgt war, mit der Ausmalung des Freskos und vollendete es im Herbst 1541. Auf über 200 Quadratmetern sind in dem monumentalen Kunstwerk etwa 390 Figuren vereint, davon viele überlebensgroß.

Anstelle der für die Renaissance typischen Perspektive setzt MICHELANGELO seine dynamisch-unruhige Raumauffassung um. Steigend und fallend bewegen sich die Seligen und Verdammten um die kraftvolle Zentralgestalt des richtenden Christus. In der massigen Körperlichkeit, der schier unerschöpflichen Formenvielfalt und den illusionistischen Trompe-l’oeil-Effekten aus gemalten Architekturteilen, Bildererzählungen und Skulpturen, wurde das „Jüngste Gericht“ zusammen mit der Decke der Sixtinischen Kapelle Vorbild für die Malerei des Barock.

„Ohne die Sixtinische Kapelle gesehen zu haben, kann man sich keinen anschauenden Begriff machen, was ein Mensch vermag“
(GOETHE).

VITTORIA COLONNA

Drei Jahre vor der Vollendung des „Jüngsten Gerichts“ lernte MICHELANGELO die Dichterin VITTORIA COLONNA (um 1492–1547) kennen. Mit dieser hoch kultivierten Frau verband den Künstler eine langjährige intime Freundschaft. Ihr widmete er etliche seiner Sonette.

An Vittoria Colonna.

Des besten Künstlers herrlichsten Gedanken,
Ein einz'ger Marmor kann ihn ganz enthalten,
Doch muss, will ihn der Meister uns entfalten,
Die Hand dem Geist gehorchen ohne Wanken.

In dir auch birgt sich Glück und Pein; verdanken
Könnt’ ich dir höchstes Heil, doch zu gestalten
Dies Glück, es zu gewinnen, zu erhalten,
Fehlt mir die Kunst; so muss an Gram ich kranken.

Nicht trägt denn Liebe Schuld an meinen Leiden,
Nicht darf das Schicksal ich zu schmähen wagen;
Kann Heil ich oder Tod von dir erwerben,

Trägst du im Busen sie und ward von beiden
Mir Tod zuteil, muss ich mich selbst verklagen;
Mein schwacher Geist verschuldet mein Verderben.

(Übersetzung: SOPHIE HASENCLEVER)

An Vittoria Colonna.

Wenn Kunst, im Stein gestaltend,
Erschaffend und erhaltend,
Dir dauernd Leben gibt durch Menschenhände
Bis an der Zeiten Ende,
Wie könnte erst der Himmel dich verklären,
Der Himmel, göttlich waltend,
Der höh’rer Schönheit Spende
Als Menschenkunst verleiht, wollt’ er dir Hehren
Auf Erden schon Unsterblichkeit gewähren!
Doch ach, dein Bild besteht, und du musst sterben?
Wer rächt hier dein Verderben?
Dich räche die Natur, denn sieh, es bleibet
Der Menschen Werk, indes ihr Werk zerstäubet.

(Übersetzung: HANS GRASBERGER)

VITTORIA COLONNA und das florentinische Multitalent tauschten über mehrere Jahre ihre Sonette aus. Allein im Jahr 1541 erhielt MICHELANGELO 103 Sonette von ihr. Der Briefwechsel zwischen beiden Künstlern wurde 1542 abrupt abgebrochen, weil COLONNA fürchtete, ins Visier der Inqusition zu geraten.

Thema der Pietà

Um 1535 wandte sich BUONARROTI erneut dem Thema der Pietà zu (1535–1550 Pietà im Florentiner Dom, um 1555 Pietà Palestrina). Von 1555 bis unmittelbar vor seinem Tod arbeitete der inzwischen 80-jährige Künstler an der „Pietà Rondanini“ (Castello Sforzesco, Mailand). Die letzten, im Auftrag Papst PAULs III. (1468–1549) geschaffenen Fresken, die „Bekehrung des Saulus“ und die „Kreuzigung Petri“ malte MICHELANGELO zwischen 1541 und 1549/1550 für die Capella Paolina im Vatikan.

Letzte Bauprojekte: Bauleitung der Peterskirche in Rom

In der restlichen Schaffenszeit widmete sich der geniale Künstler fast ausschließlich Bauprojekten in Rom. Ab 1538 wirkte er an der Neugestaltung des römischen Kapitolsplatzes. 1546 wurde er mit der Vollendung des Palazzo Farnese betraut. Papst PAUL III. übertrug MICHELANGELO im gleichen Jahr die bedeutendste Bauaufgabe seiner Zeit: Die Bauleitung der Peterskirche in Rom, deren gewaltige Kuppel, in Anregung an die Florentiner Domkuppel BRUNELLESCHIs entstanden, MICHELANGELOs größte Leistung als Baumeister ist. Die Fertigstellung des Bauwerkes erfolgte erst nach MICHELANGELOs Tod. Er starb im Alter von 89 Jahren am 18. November 1564 in Rom. Bestattet wurde er in der Kirche Santa Croce in Florenz.

Werke

Wichtige Werke MICHELANGELOs sind:

Plastik

  • Pietà in St. Peter (1497–1500)
  • David (1501–1504, Bild 2)
  • Moses (1513–1516)
  • Skulpturen für die Medici-Kapelle in Florenz (1524–1534)
  • Sklaven für das Grabmal Papst JULIUS II.
  • Pietà im Florentiner Dom (1550–1555)
  • Pietà Rondanini (1555–1564)

Malerei

  • Gewölbefresko in der Sixtinischen Kapelle (1508–1512)
  • Jüngstes Gericht an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle (1536–1541)

Architektur

  • Grabkapelle der Medici in der Neuen Sakristei von San Lorenzo in Florenz (ab 1520)
  • Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz (ab 1524)
  • Neugestaltung des Kapitolsplatzes in Rom (ab 1538)
  • Vollendung des Palazzo Farnese in Rom (ab 1546)
  • Kuppel der Peterskirche in Rom (ab 1546)

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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