Futurismus

Italien

In Italien bildete sich eine Gruppe junger Künstler, die das Phänomen der Zeit selbst mit der Energie ihrer Bewegungsabläufe in ihren Bildern darstellen wollten. Maler, wie UMBERTO BOCCIONI (1882–1916), GINO SEVERINI (1883–1966) und GIACOMO BALLA (1871–1958), lösten die starren geometrischen Strukturen und festen Umrisslinien auf und entwickelten einen dynamisch wirkenden Farbauftrag aus Strichen und Farbfeldern, wie ihn schon die Neo-Impressionisten oder auch van Gogh für ihre Zwecke eingesetzt hatten.

Inspiriert durch die „Chronophotografie“, mit der EDWARD MUYBRIDGE (1830–1904) und JULES MARCY (1830–1904) schon am Ende des 19. Jahrhunderts Bewegungsabläufe in einzelne Phasenphotografien aufgelöst hatten, und angeregt durch die Erfindung der Filmtechnik, setzten die Futuristen in ihren Bildern die Konturen wie in einer mehrfach belichteten Fotoplatte ein.

MARCEL DUCHAMP (1887–1968) ironisiert die traditionelle Gattung der Aktdarstellung in seinem Bild „Akt, eine Treppe herab schreitend“ und versetzt die traditionell lasziv ruhende weibliche Gestalt in Bewegung.

Die Futuristen um TOMMASO MARINETTI (1876-1944) wollten jedoch Bewegung nicht nur abbilden, sondern empfanden die Dynamik der Zeit als Ausdruck für eine Erneuerung der gesamten Kultur.

Die Bronzeplastik „Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum“ von UMBERTO BOCCIONI stellt mit der weit ausschreitenden Gestalt aus dynamischen Formelementen anschaulich den ungebrochenen Fortschrittglauben der Futuristen dar.

Sie erhofften sich durch die Entwicklung der Technik und die Kraft der Geschwindigkeit auch eine Umwälzung erstarrter gesellschaftlicher Verhältnisse. Über den Geschwindigkeitsrausch hinaus führte die unkritische Technikbegeisterung auch zu einer Verherrlichung des Krieges als angeblicher Kraft der Erneuerung. Einige der futuristischen Künstler suchten eine Annäherung an Mussolinis faschistische Bewegung, die aber für diesen formalen Avantgardismus nur wenig Verständnis aufbringen konnte.

Die Faszination der Gleichzeitigkeit, gekoppelt mit dem Erlebnis von Energie und Geschwindigkeit, war nach der Jahrhundertwende das neue Lebensgefühl, das durch die Errungenschaften der modernen Technik vermittelt wurde.

Die Ausstrahlungskraft der Futuristen wirkte deshalb weit über Italien hinaus. In ihren Bildern wurde eine neue Zeitkonzeption sichtbar, die in der Montage-Technik des Films ihren überzeugenden Ausdruck fand.

Die Wirklichkeit wurde als eine fortwährende Bewegung begriffen, die sich weiter entwickelte und sich ständig veränderte und selbst in Bildern nicht mehr als abgeschlossen betrachtet werden kann.

Bewegung wird deshalb generell zu einem Thema der Kunst. Der Wahrnehmungsvorgang wird als dynamischer Prozess begriffen und die Blickführung des Betrachters mit den dadurch ausgelösten Bewusstseinsveränderungen kann zum Bestandteil der künstlerischen Absicht werden.

In der Plastik gibt es erste Ansätze zu einer kinetischen Kunst wie dem „Raum-Zeit-Modulator“ von LASZLO MOHOLY-NAGY (1895–1946) bis hin zu den „Mobiles“ von ALEXANDER CALDER (1898–1976), in denen ein labiles Gleichgewicht der Formelemente schon durch den kleinsten Windhauch in Bewegung gehalten wird.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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