- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.5 Das 19. Jahrhundert
- 2.5.3 Malerei
- Francisco de Goya y Lucientes
Der spanische Maler und Grafiker wurde als FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES am 30. März 1746 in Fuendetodos bei Saragossa geboren. Seine künstlerische Lehrzeit verbrachte er in seiner Heimat Saragossa bei JOSÉ LUZÁN und bemühte sich bereits in diesen Jahren um eine Karriere am Hof in Madrid.
1763 und 1766 beteiligte er sich erfolglos an Malwettbewerben der königlichen Akademie. Anschließend ging er nach Italien. 1763 heiratete er JOSEFA BAYEU, die Schwester seines Lehrmeisters, und arbeitete weiterhin vor allem in Saragossa.
Nach seiner Rückkehr 1771 trat er in das Atelier FRANCISCO BAYEUS in Madrid ein und bezeichnete sich als dessen Schüler. 1774 übersiedelte er nach Madrid, wo er an die königliche Teppichmanufaktur von Santa Bárbara berufen wurde; bis 1791 entwarf er für sie 63 Kartons, maßstabgerechte Entwurfzeichnungen für Wandteppiche.
Dank seiner Genreszenen und Porträts erlangte er nun endlich die Aufmerksamkeit Madrids und des Hofes und es begann sein Aufstieg in die höchsten Ämter, die damals für einen Maler in Spanien überhaupt erreichbar waren.
1780 wurde er als Mitglied in der königlichen Akademie (Real Academia de S. Fernando) in Madrid aufgenommen, 1785 zu ihrem zweiten, 1795 zu ihrem ersten Direktor für Malerei gewählt. 1786 erhielt er den Status „Maler des Königs“, 1789 wurde er von KARL IV. zum Maler der königlichen Kammer ernannt, 1799 wurde er Erster Hofmaler.
1792 erkrankte GOYA schwer. Die Krankheit führte schließlich zur völligen Taubheit. Dies mag Einfluss auf Stil und Themen des Künstlers gehabt haben, nicht aber auf seine Schaffenskraft. Er war und blieb der begehrteste Porträtist des Hofes.
Als sich nach der Machtübernahme FERDINAND VII. die restaurativen Tendenzen verstärkten und die Liberalen Verfolgungen ausgesetzt waren, sah sich GOYA veranlasst, 1824 nach Bordeaux zu emigrieren, wo er 1828 starb.
FRANCISCO GOYA Y LUCIENTES: Folge der »Caprichos«, Blatt 01:, „Maler“ (Selbstporträt Goyas);1797–1799, Aquatinta-Radierung;Madrid, Biblioteca Nacional.
Bis zu Beginn der 1790er-Jahre pflegte GOYA in seinen Gemälden Stilarten, die noch geprägt sind von der Heiterkeit des Rokoko wie die Genreszene „Der Sonnenschirm“ (1777) und auch seine Porträts der Mitglieder des Hofes strahlen eine Leichtigkeit aus.
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: Entwürfe für die Wandteppiche zur Ausschmückung der königlichen Paläste El Pardo und El Escorial, Szene: „Der Sonnenschirm“;1777, Öl auf Leinwand, 104 × 152 cm;Madrid, Museo del Prado.
Nach 1792 änderte sich sein Malstil grundlegend. In jenem Jahr 1792 brach bei dem Künstler eine schwere Erkrankung aus, die schließlich zu seiner völligen Taubheit führte. In einer Reihe von Werken erscheinen jetzt imaginäre, bedrohliche und gespenstische Wesen. Ein genereller Stilwandel ist unübersehbar. Sein künstlerischer Schaffenswillen erlitt dadurch jedoch keine Einbußen.
1797/98 schuf er die 80 Blätter umfassende Radier- und Aquatintafolge „Los Caprichos“, in der er die menschlichen Laster und Irrtümer aufzeigt. „Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer“ ist die wohl bekannteste Arbeit aus dieser Serie.
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: Folge der »Caprichos«, Blatt 43: „Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer“;1797–1799, Aquatinta-Radierung;Madrid, Biblioteca Nacional.
Mit „Die nackte Maja“, dem Gegenstück zu „Die bekleidete Maja“ (beide 1797–1805) revolutionierte er die Aktmalerei in Spanien um 1800.
Beide Gemälde entstanden nach einem Aufenthalt GOYAs bei der HERZOGIN VON ALBA in Sannlúcar bei Cádiz. Die Herzogin war eine Gönnerin GOYAs und gestaltete nach dem Tode ihres Mannes recht freizügige Gesellschaften und Feste. GOYA hat die Herzogin aufgrund ihrer attraktiven Erscheinung mehrmals in Rokokohaften Zeichnungen festgehalten.
Mancher Betrachter wähnte in den Gesichtszügen der „nackten und bekleideten Maya“ eine Ähnlichkeit mit der Herzogin zu erkennen, wodurch die Gemälde einen Skandal provozierten. Viele Spekulationen, sogar Romanstoffe ranken sich seither um diese angebliche Identität und eine Liaison zwischen der Herzogin und GOYA.
In der Porträtmalerei löste er sich von der Steifheit der konventionellen Darstellung und zeigte auch die Mitglieder des Hofes nicht mehr in der anmutigen Leichtigkeit des Rokoko, sondern in schonungsloser Offenheit, die bis an die Grenze der Karikatur reicht, wie in „Karl IV. und seine Familie“ (1800).
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: Porträt der Familie Karls IV.;1800–1801, Öl auf Leinwand, 280 × 336 cm;Madrid, Museo del Prado.
1820–1823 malte er das von ihm erworbene Landhaus bei Madrid, die Quinta del sordo (Haus des Tauben), mit Bildern in dunklen düsteren Farben aus, die als „Pinturas negras“ (Schwarze Malereien) in die Kunstgeschichte eingegangen sind. Gemälde voll visionärer hintergründiger, spukhafter Fantastik, die das Dämonische, die Nachtseite des Daseins eindringlich vergegenwärtigen, wie „Saturn verschlingt seine Kinder“ (um 1821–1823; Madrid).
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: Serie der »pinturas negras«, Szene: „Saturn verschlingt eines seiner Kinder“;1821–1823, Öl auf Leinwand, 146 × 83 cm;Madrid, Museo del Prado.
In seinem Spätwerk gelangte GOYA zu einer impressionistisch wirkenden Malweise, wie in „Milchmädchen von Bordeaux“ (1827).
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: „Milchmädchen von Bordeaux“;um 1827, Öl auf Leinwand, 74 × 68 cm;Madrid, Museo del Prado.
Die ungewöhnlichen Inhalte und die neuen Malweisen haben GOYA zu einem Maler werden lassen, der sich jeglicher stilgeschichtlichen Einordnung in der europäischen Kunstgeschichte entzieht und dessen Werke eine Modernität enthalten, die zu ihrem nachhaltigen Einfluss auf die Künstler des 19. wie auch vor allem des 20. Jahrhunderts beigetragen haben.
GOYAS engagierte Anteilnahme an Zeitereignissen hielt ihn als Hofmaler nicht davon ab, auch zu politischen und gesellschaftskritischen Zuständen in seinem Land Stellung zu nehmen. Eines seiner berühmtesten Gemälde, „Die Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808“ (1814) stellt die Exekution spanischer Patrioten dar, die am 2. Mai 1808 die französischen Besatzungstruppen in Madrid angegriffen hatten. Im Anschluss an dieses Gemetzel, deren Gräuel GOYA in einem weiteren Bild festhielt, übte die napoleonische Armee Vergeltung.
Das Erschießungskommando ist als Gruppe gesichtsloser, anonymer Rückenfiguren wiedergegeben. In paralleler Haltung, wie zu einer blindwütigen Vernichtungsmaschinerie zusammengeschweißt, haben die Soldaten die Gewehre angelegt und zielen auf die dicht vor ihnen stehenden Opfer. Bereits Erschossene liegen davor in ihrem Blut, weitere Verurteilte werden im Bildhintergrund zum Richtplatz vorangetrieben.
Der abfallende Erdhügel, auf dem das Geschehen stattfindet, und die Häuser der Stadtkulisse Madrids heben sich gegen einen bedrückenden schwarzen Nachthimmel ab. Die einzige Lichtquelle im Bild ist die Laterne zu Füßen der französischen Soldaten. Sie hebt scheinwerferartig einen mit einem weißen Hemd bekleideten Bauern hervor. Zusammen mit der christusähnlichen Gebärde der erhobenen Arme, mit der er seine Brust den Kugeln freigibt, lässt ihn die Lichtregie zum Bedeutungsmittelpunkt der Komposition werden. Die anderen Verurteilten, darunter auch ein Mönch, der Sterbegebete spricht, zeigen die verschiedenen Stadien der Verzweiflung.
GOYA ergreift in diesem monumentalen Bild Partei für die Opfer des Krieges, verzichtet dabei aber auf die Darstellung eines „Helden“, wie es in der traditionellen Historien- und Ereignismalerei üblich war und auch von offizieller Seite erwartet wurde.
FRANCISCO DE GOYA Y LUCIENTES: „Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808 in Madrid“;1814, Öl auf Leinwand, 266 × 345 cm;Madrid, Museo del Prado.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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