- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.7 Tendenzen der Kunst nach 1945
- 2.7.1 Die Nachkriegsjahre
- Erste Ausstellungen, Zeitschriften und Künstlervereinigungen 1945–1949
Gegenständliche Malerei
Die Besatzungsmächte Deutschlands übten einen mehr oder weniger offensichtlichen Einfluss auf die Kulturentwicklung im Nachkriegsdeutschland aus. Dabei sollte dieser Eindruck aber gar nicht erst entstehen. Das Schlagwort war „Reéducation“ (franz.) bzw. „Reeducation“ (engl.). Ein Weg dahin war die kulturelle Propaganda mittels des intellektuellen und künstlerischen Austauschs. Dazu wurden u. a. Kunstausstellungen organisiert.
Während die sowjetische und die französische Besatzungsmacht auf die gegenständliche Malerei orientierten, setzte man in der amerikanischen Besatzungszone auf abstrakte Maler. „Gesicht der Zeit“ hieß eine Ausstellung in den Trümmern der Stadt Frankfurt am Main, die bereits 1945 gezeigt wurde. Die Galerie Rosen in Berlin war die erste Galerie, die schon im August 1945 am Kurfürstendamm Werke moderner Kunst zeigte. In Hamburg eröffnete am 15.05.1946 die Ausstellung „Wegbereiter der modernen Kunst“ mit während des Nationalsozialismus verbotenen Werken von
und in Berlin begann am 19.05.1946 im Berliner Zeughaus die „I. Deutsche Kunstausstellung der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone“.
Die Franzosen traten an mit dem Ziel der „kulturellen Integration Deutschlands“. Sie, die sich als die kulturelle Nation Europas verstanden, zeigten zunächst die Werke, die sie als „klassisch“ verstanden: Realisten und Impressionisten. 1947 eröffnete die Schau „Moderne französische Malerei“ in München sowie 1948 die Schau „Meisterwerke der französischen Kunst“ im besetzten Rheinland. Dort wurden die den Deutschen lange vorenthaltenen Werke der Moderne von
und anderen präsentiert. Dabei vermied man es möglichst, abstrakte Kunst zu zeigen. 1949 wurde vom Maler THOMAS GROCHOWIAK (* 1914) gar eine Ausstellung „Deutsche und französische Kunst der Gegenwart – Begegnungen“ in Recklinghausen organisiert.
„Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“
Die wichtigste Ausstellung der ersten Nachkriegszeit war mit 600 Exponaten die „Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“ von 1946 in der Stadthalle Nordplatz in Dresden. Die Ausstellung wurde von der Landesverwaltung Sachsen, dem bereits im Juni 1945 gegründeten Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands und der Stadt Dresden organisiert und bot einen umfassenden Überblick über die Künstler der Vorkriegsmoderne. Die Schau sollte mit Werken von
die Freiheit des künstlerischen Gestaltungswillens vorstellen. Die „Allgemeine Deutsche Kunstausstellung“ wurde, obwohl noch die „II. Deutsche Kunstausstellung“ in Dresden 1949 ost- und westdeutsche Künstler gemeinsam zeigte, quasi die Vorläuferin für die Kunstausstellungen der DDR: Mit der „III. Deutschen Kunstausstellung“ 1953 (ab 1972 „Kunstausstellung der DDR“) versammelten sich alle ausgestellten Künstler unter der Fahne des sozialistischen Realismus.
74 000 Besucher hatte die erste Kunstausstellung in Dresden. Sie wurde von einem Künstlerkongress begleitet. Der sowjetische Kulturoffizier, Major ALEXANDER DYMSCHITZ, formulierte auf diesem Kongress das Ziel der Schau:
„...das Wesen der Kunst besteht darin, daß sie euch zur Besinnung und zu einer Verinnerlichung führt, die es euch überhaupt erst möglich macht, mit den großen Problemen des Lebens fertig zu werden. Ich sagte, die Künstler schaffen für euch, aber es werden sehr oft einseitige Forderungen an die Künstler gestellt, und die Künstler stellen einseitige Forderungen an das Publikum. Wollen wir uns doch bemühen, daß der Künstler von der einen Seite und die große Masse unseres Volkes von der anderen Seite immer mehr sich entgegenkommen. Zum Wohle der Kunst! – Zum Wohle unseres deutschen Volkes!“
„Gegenstandslose Malerei in Amerika“
In der amerikanischen Besatzungszone fand 1948 schließlich die Wanderausstellung „Gegenstandslose Malerei in Amerika“ statt, die u. a. in Karlsruhe, Düsseldorf, Mannheim und München Station machte. Die Schau hatte HILLA VON REBAY (1890–1967) organisiert, eine Vertraute und Mitarbeiterin von SOLOMON R. GUGGENHEIM (1861–1949) sowie die Gründungsdirektorin der Solomon R. Guggenheim Foundation in New York.
HILLA VON REBAY – die Pionierin der Moderne –, hatte bereits 1939 ihre erste Schau unter dem Titel „Art of Tomorrow“ mit Werken von
im New Yorker „Museum of Non-Objective-Painting“ präsentiert. Die Bilder stammen von Reisen, die sie und GUGGENHEIM in den 1930er-Jahren in Europa kauften. REBAY war es auch, die gemeinsam mit FRANK LLOYD WRIGHT, 1869–1959) das neue Gebäude des Guggenheim Museums konzipierte.
Die Leidenschaft für die Ungegenständlichkeit brachte die Baronin (ihr eigentlicher Name war HILDEGARD ANNA AUGUSTA ELISABETH BARONIN REBAY VON EHRENWIESEN) nach dem Kriegsende nach Deutschland zurück und ebenso, wenn auch nur temporär, die dort kurz zuvor erworbenen Gemälde. Sie half dort jedoch nicht nur bei der Organisierung von Ausstellungen, sondern half auch aktiv den einstmals verfemten Künstlern.
Ungegenständlichkeit der Kunst und „Formalismus“
In der Kunst vor allem westdeutscher Maler konnte nach 1945 eine Tendenz zur Ungegenständlichkeit beobachtet werden, die sicherlich nicht völlig, aber zu einigen Teilen, diesen Kunstausstellungen geschuldet scheint. Vor allem
dominierten die Kunst der Bundesrepublik über Jahre. Auch die Arbeiten von amerikanischen Malern (JACKSON POLLOCK, 1912–1956) prägten die Kunstlandschaft stark. Allerdings stellten auch die deutschen Abstrakten, wie WILLI BAUMEISTER, nach Krieg und Berufsverbot erstmals wieder in Deutschland aus. Sie kamen ebenso der Tendenz entgegen, der Abbildfunktion der Kunst zu entsagen.
Dieser Tendenz wurde in der sowjetischen Besatzungszone allerdings unter dem Stigma behafteten Begriff „Formalismus“ entgegen gewirkt, sodass hier vor allem eine gegenständliche Kunst beheimatet war. Der gegenständliche „sozialistische Realismus“, diese so propagierte „volksnahe Kunst“, kam auch den Kunstauffassungen der (russischen) Besatzer entgegen. Dafür spricht u. a. der von ALEXANDER DYMSCHITZ am 24. November 1948 in der „Täglichen Rundschau“ veröffentlichte Artikel „Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei. Bemerkungen eines Außenstehenden“, der die Formalismus-Debatte in Ostdeutschland einleitete.
Diese Debatte fand ihren Höhepunkt im Beschluss des 5. Plenums des Zentralkomitees (ZK) der SED: „Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kunst“ im März 1951, in dem man die „bürgerliche“ Kunst als „imperialistische Kulturbarbarei“ und „dekadent“ ablehnte. Das führte dazu, dass sogar eine erst im Dezember 1951 eröffnete Ausstellung mit Werken ERNST BARLACHs (1870–1938) bereits im Februar 1952 geschlossen werden musste, weil in der Einschätzung des „Neuen Deutschlands“
„Barlach ein auf verlorenem Posten stehender, in seinem Grundzug rückwärts gewandter Künstler“ war, der das Leid mystifiziere.
Kunst, die noch 1945 in Dresden in der „Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung“ gezeigt werden konnte, verschwand bald schon in den Depots bzw. blieb in den Ateliers der Künstler. Das Werk von GERHARD ALTENBOURG (1926–1989) z. B. wurde in der DDR erst in den 1980er-Jahren zur Kenntnis genommen; da hatte er 1959 bereits an der „Documenta 2“ in Kassel teilgenommen, seine meisten Ausstellungen in Westberlin bzw. Westdeutschland gehabt (so 1969 in Baden-Baden, Berlin und Hannover) und 1967 den Preis der II. Internationale der Zeichnung in Darmstadt erhalten.
Nicht nur Malerei und Grafik unterschiedlichster Handschriften und Malschulen wurden nach 1945 gezeigt: Am 01.09.1949 eröffnete auch die erste deutsche Bauausstellung in Nürnberg.
Das kulturelle Leben begann bereits kurz nach der Kapitulation Deutschlands
So durfte die „Tägliche Rundschau“ als erste Tageszeitung Nachkriegsdeutschlands schon am 15. Mai 1945 erscheinen. Chefredakteur war A. W. KIRSANOW (1903–1985). Als „Zeitung für die deutsche Bevölkerung mit Verlautbarung der Sowjetischen Militärverwaltung zum Erlassen von Gesetzen und Verordnungen und Berichten zur internationalen Politik“ wurde sie direkt von der SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) herausgegeben.
Die Tageszeitungen im Osten wie im Westen Deutschlands wurden bald schon zu wichtigen Medien der Kultur- und Kunstkritik. So diffamierte man in Halle den jungen Maler WILLI SITTE (* 1921), im Zuge der Formalismus-Debatte
„als Jünger der amerikanischen Unkultur“. Er leiste mit seiner Kunst den „Kriegstreibern einen großen Gefallen“.
Auch erste kulturpolitische („Heute und Morgen“, 1947) bzw. literarische („Der Ruf“, 1946–1947) Zeitschriften erreichten ihre Leser schon rasch nach dem Krieg. 1945–1950 erschien als erste satirische Zeitschrift, oder besser als „Zeitschrift für Literatur, Kunst und Satire“, der „Ulenspiegel“. Herausgeber waren der bekannte Grafiker HERBERT SANDBERG (1908–1991) sowie sein Schriftstellerkollege GÜNTHER WEISENBORN (1902–1969). Zwischen 1947 und 1949 erschien die „Bildende Kunst“ unter der Federführung von CARL HOFER (1878–1955) und OSKAR NERLINGER (1893–1969), deren Gründung auf dem „Sächsischen Künstlerkongress“ in Dresden vom 26.–31.10.1946 beschlossen worden war. In Baden-Baden gaben LEOPOLD ZAHN (1890–1970) u. a die Zeitschrift „Das Kunstwerk“ (1946/47–1991) heraus.
Auch diese Zeitschriften wurden zu einem wichtigen Feld der Kultur- und Kunstkritik, z. B. innerhalb der Auseinandersetzungen um Gegenständlichkeit und Abstraktion in der Kunst. So führten CARL HOFER und OSKAR NERLINGER 1948/1949 unter dem Schlagwort „Kunst und Politik“ eine Debatte in der Zeitschrift „Bildende Kunst“. Man kam nicht uneinhellig zu der Einsicht, dass der „sozialistische Realismus“ jener in den Westbesatzungszonen vorherrschenden „bürgerlichen“ Kunst vorzuziehen sei. NERLINGER warf HOFER Formalismus vor. Dieser war jedoch nicht bereit, die Freiheit der Kunst zugunsten des engen Realismus-Begriffs, wie ihn der sozialistische Realismus formulierte, aufzugeben. Der Streit gipfelte (in der DDR) 1950/1951 in der sogenannten Formalismus-Debatte (s. o.) und darin, dass der sozialistische Realismus zur dominierenden Kunstströmung in der DDR avancierte.
In den Westzonen wurden die Diskussionen u. a. in den „Darmstädter Gesprächen“ mit
geführt. Aber auch nach 1950 rissen die Diskussionen nicht ab. Und ausgerechnet CARL HOFER, der sich 1948 so erfolglos gegen NERLINGER zur Wehr gesetzt und sich danach aus der Redaktion der „Bildenden Kunst“ zurückgezogen hatte, geriet mit WILL GROHMANN (1887–1968) und anderen in der Zeitschrift „Der Monat“ (finanziert von der amerikanischen Militärregierung und der CIA, Herausgeber war MELVIN JONAH LASKY, 1920–2004) in einen Streit um die Vorherrschaft der Abstrakten in der Bundesrepublik.
Auch die Universitäten und Hochschulen nahmen bald nach dem Kriegsende ihren Lehrbetrieb wieder auf. Man trennte sich in der Regel von den alten Lehrern, wenn sie nationalsozialistische Funktionsträger gewesen waren bzw. unterzog sie einem Entnazifizierungsverfahren. An den Kunsthochschulen wurden die teilweise mit Berufsverbot belegten bzw. die aus dem Exil heimgekehrten Künstler mit der Lehre beauftragt.
Erste Künstlervereinigungen wurden bereits 1945 mit „Der Ruf“ in Dresden gegründet. Mitglieder waren
Sie organisierten ihre erste Ausstellung vom 11. bis 30.11.1945 unter dem Titel „Der Ruf. Befreite Kunst“.
Eine Gruppe Dresdner Künstler traf sich unter dem Namen „Das Ufer“ ab 1947 in Dresden, ihre erste Ausstellung wurde 1947 im Kunstgewerbemuseum Dresden gezeigt. Mitglieder waren
Mit
u. a. fanden sich unter dem Namen „Hallesche Künstlervereinigung Die Fähre“ seit 1948 einige Zeit später berühmte Maler zusammen.
Gruppe „Cobra“
Die Gruppe „Cobra“ wurde 1948 in Paris gegründet, Mitglieder waren
Der Name der Gruppe ergab sich aus den Anfangsbuchstaben von COpenhagen, BRüssel und Amsterdam. Sie organisierte Ausstellungen 1949 im Stedelijk in Amsterdam und 1951 in Lüttich. Ihre Inspirationen erhielten die Künstler
Gruppe der Gegenstandslosen „ZEN 49“
Der Vater der deutschen Abstraktion WILLI BAUMEISTER, dessen Werke in der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert worden waren und der seit 1941 Mal- und Veröffentlichungsverbot hatte, gründete 1949 in München gemeinsam mit
die Gruppe der Gegenstandslosen „ZEN 49“. Sie existierte bis 1958 und hatte sich zum Ziel gesetzt, die abstrakte Kunst stärker ins Bewusstsein der Kunstliebhaber zu bringen, sie „verständlicher“ zu machen. Ihre erste Ausstellung hatte die Gruppe 1950 unter dem Titel „Kunstschaffen in Deutschland“ im Central Art Collecting Point in München. HILLA VON REBAY war bereits vor dem Gründungsakt mit RUPPRECHT GEIGER bekannt und unterstützte die Abstrakten in den Popularisierungsversuchen. Sie stellte, zusammen mit GEIGER, eigene Arbeiten aus und wurde sogar Ehrenmitglied der Münchner Künstlergruppe.
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