Architektur des Jugendstil

Merkmale des Jugendstils – ein variantenreicher Stil des 19. Jahrhunderts

Am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in ganz Europa ein sehr variantenreicher Stil, der in Frankreich „L'Art Nouveau“, in Deutschland „Jugendstil“, in Österreich „Sezessionsstil“, in England und Russland „moderner Stil“ genannt wurde, eine eigenwillig-moderne Mischung aus Elementen von Historismus und Ingenieurbaukunst.

Es werden die florale und die geometrische, auch abstrakte Richtung unterschieden. Dabei legten die Künstler Wert auf die Dekoration von Flächen, auf Ornamente, wertvolle Materialien und feine Rahmen. Von der Natur abgeleitete Formen wurden zu einem wichtigen Stilmittel. Typisch sind solche pflanzlichen Formen, wie Gräser, Zweige und Ranken.

Ziel des Jugendstils war die Verbindung von Architektur, Kunsthandwerk und Kunst zu einem einheitlichen Gesamtkunstwerk. Dabei soll dekorative Schönheit in den Vordergrund treten.

Der Kunstarchitekt HECTOR GUIMARD (1867–1942)

Einer der führenden Entwerfer war HECTOR GUIMARD (1867–1942), der sich selbst „Kunstarchitekt“ („architect de l'art“) nannte. Seine Bauten sind Zwitter, Kreuzungen aus Architektur und Kunstgewerbe, aus Skulptur und Dekoration. Sein Hauptwerk sind die Eingänge zur Pariser Untergrundbahn, der Metro(politaine), die um 1900 entsteht. Grün gestrichene Elemente aus Gusseisen schwingen in orchideenhaften Formen, stoßen nervös in den Raum. Ihre Lineamente haben etwas Pflanzliches, gewinnen dem technischen Werkstoff florale Natürlichkeit ab.

Das „Haus der Sezession“ in Wien

Wien war ein bedeutendes Zentrum des Jugendstils. Hier entstand 1887 unter Führung von GUSTAV KLIMT die Wiener „Secession“ als eine Verbindung bildender Künstler Österreichs. Vorbilder waren die Münchener und die Berliner Secession. Secession bedeutet Abspaltung einer Künstlergruppe von einem Künstlerverband. Der Protest gegen den Historismus drückte sich in dem Leitmotiv „Der Zeit die Kunst, der Kunst die Freiheit“ aus. Damit stellte die Secession eine Alternative zu den traditionellen Kunstvorstellungen dar.

Das „Haus der Sezession“ von 1898 in Wien, von JOSEPH MARIA OLBRICH (1867–1908) gebaut, wurde das Kunstausstellungshaus.

Das Haus der Sezession ist ein Gebäude aus den Elementen Quader, Kubus und Dreiviertelkugel, die scharfkantig nebeneinander und übereinander gestellt sind, ohne sich zu durchdringen. Die sich nach oben verjüngenden Baukörper und Pylone (turmartiger Aufbau) wirken ägyptisierend. Sparsam eingesetzte florale Ornamente akzentuieren die blendend weißen Wandflächen. Über dem Eingang eine Inschrift, das Leitmotiv: „Der Zeit ihre Kunst / Der Kunst ihre Freiheit“. Darüber wölbt sich eine feingliedrige Dreiviertelkugel von Lorbeerblättern aus vergoldetem Metall. Damit klingt noch einmal das Motiv von BOULLÉEs Kenotaph für NEWTON an – hier übertragen von der Verehrung für einen einzelnen genialen Menschen in einen allgemeinen Kunst-Kultus. Die Wiener Bevölkerung belächelte das Gebäude und bezeichnete es spöttisch als „goldenes Krauthappel“.

Die Künstler des Jugendstils schlossen sich häufig in Gruppen zusammen, z. B. die „Darmstädter Künstlerkolonie“.

Die Künstlerkolonie Darmstadt

Großherzog ERNST LUDWIG VON HESSEN hatte auf mehreren England-Reisen die dortige „Arts-and-Crafts“-Bewegung kennen gelernt und sich sogar in seinem Darmstädter Neuen Palais von Künstlern dieser Bewegung Räume einrichten lassen.

Er beabsichtigte sowohl die heimische Industrie zu fördern als auch sich als Kunstmäzen zu profilieren und Darmstadt zu einem kulturellen Mittelpunkt zu machen. Sieben Künstler ließ er in seine Residenzstadt kommen und gründete mit ihnen im Herbst 1899 die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, wo man sich der Architektur, dem Kunsthandwerk, dem Design sowie der Bildhauerei und der Malerei widmete.

Zu den Förderern der Kunstgewerbereform gehörte auch der Darmstädter Verleger ALEXANDER KOCH, dessen Kunstzeitschriften „Innendekoration“ und „Deutsche Kunst und Dekoration“ zu Sprachrohren des neuen Stils wurden.
Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie fand im Jahre 1901 auf der Mathildenhöhe statt. Zu dieser Ausstellung entwarfen die Mitglieder neun Häuser im Jugendstil, die vom Keller bis zum Speicher ebenso im Jugendstil eingerichtet waren und als Beispiele modernen Bauens und Wohnens dienen sollten. Die Ausstellung wurde ein internationaler Erfolg, auch wenn durchaus Kritik an manchen ausgefallenen Formen laut wurde. Darmstadt wurde neben Nancy, Paris, Wien und Glasgow zu einem Zentrum europäischer Stilkunst, und drei weitere, Aufsehen erregende Ausstellungen fanden in den Jahren 1904, 1908 und 1914 statt.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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