- Lexikon
- Kunst
- 2 Kunstgeschichte
- 2.1 Vor-und Frühzeit, Altertum
- 2.1.2 Kunst des Altertums
- Ägypten – Plastiken und Malerei
Die besondere Bedeutung und Anerkennung der Skulptur im Alten Ägypten ergab sich aus ihrer Verwendung für den kultisch wichtigsten Ort. Nach ägyptischen Vorstellungen wurde die Lebenskraft „ka“ als geistige Verkörperung des Verstorbenen in einer Statue verewigt. Diese Statuen hatten die magische Funktion eines Ersatzkörpers.
Im Alten Reich ist das „ka“ des Toten als lebensgroße Statue im sogenannten Serdab¹ – einer besonderen Statuenkammer – anwesend.
Im Mittleren und Neuen Reich thront die „ka-Statue“ in der Mittelachse des Grabes. Daneben gab es unzählige Götter- und Königsstatuen in den Tempeln.
¹ Serdab, arab. Sirdab = Keller; unzugänglicher kleiner Raum für die Statue des Verstorbenen im Oberbau von Mastabas bzw. Pyramidentempeln. Er war mit den anderen Kulträumen nur durch einen Mauerspalt in Augenhöhe verbunden.
Meist haben die ägyptischen Plastiken eine Grund- und eine Rückenplatte, die den plastischen Raum festlegten. Zwei Typen von Statuen sind zu unterscheiden: Sitzfiguren symbolisieren eine Sonderstellung in der Gesellschaft. Sie thronen und sind damit herausgehoben aus der Masse und zu einem ewigen Dasein verklärt (CHEOPS, um 2600 v.Chr.; CHEFREN, um 2550 v.Chr.). Im Unterschied dazu symbolisieren die Stand-Schreit-Figuren die Fähigkeit zur Bewegung.
Unabhängig vom Lebensalter oder Zufälligkeiten des Augenblickes meißelte man die Skulptur frontal aus dem Steinblock. Arme und Beine blieben meist eng mit dem Körper und dem Steinblock bzw. der Rückenplatte verbunden. Bei den Schreitfiguren wurde immer das linke Bein vorgestellt. Trotz strenger und blockhafter Formen gestaltete man im Alten Reich fast porträthaft.
Bemalung und aus Steinen eingelegte Augen sollten diese Wirkung unterstützen. Auch im Mittleren Reich fanden sich Königsstatuen, die durch individuelle Charakterisierung über den vorgeschriebenen Idealtypus hinausgingen.
Um die Lebenskraft des „ka“ zu verwirklichen, mussten die Skulpturen Porträtähnlichkeit aufweisen. Gleichzeitig hatten sie aber auch die gottähnlichen Eigenschaften des Pharaos sichtbar zu machen. So entstand die für das pharaonische Ägypten typische Synthese von Idealbild und Porträt.
In der Amarnakunst kulminierte der Stil zur Individualisierung. Der „Ketzerkönig“ ECHNATON hatte einen ausgewählten Gott zum Reichsgott erhoben: Aton, die Sonne. Außerdem ließ er die neue Residenz Amarna in Mittelägypten bauen. Auch wenn diese „Revolution“ unter seinen Nachfolgern TUTENCHAMUN und HAREMHAB rückgängig gemacht wurde, sind die Kunstwerke aus dieser Zeit international berühmt geworden.
Realistische und sehr intime Skulpturen entstanden, die durch naturgetreue Wiedergabe bestimmter, auch hässlicher Persönlichkeitsmerkmale expressiven Porträts nahe stehen.
(Amarna: von Pharao AMENOPHIS IV., ECHNATON, „Seele des Aton“ 1356–1340 v.Chr. und NOFRETETE gegründete Residenz zur Verehrung einer einzigen Gottheit – des Sonnengottes Aton. Weil dieser Pharao seinen Untertanen eine monotheistische Religion aufzwang, mit den religiösen und einigen kulturellen Traditionen brach, wurde er von der Geschichtsschreibung auch als „Ketzerkönig“ bezeichnet.)
Unter RAMSES II. kam es im Neuen Reich auch im Zusammenhang mit umfangreicher Bautätigkeit zur massenhaften Herstellung von Königs- und Götterdarstellungen, die wegen ihrer riesigen Ausmaße als Kolossalstatuen bezeichnet werden. Als Fassadenskulptur oder Osirispfeiler ragten sie über mehrere Meter hoch und sollten schon durch die Größe Rang und Bedeutung von Göttern und Herrschern betonen.
3000 Jahre gestalteten die Ägypter in Skulptur und Malerei außerdem Götter und Pharaonen als „Mischwesen“. Wesen und Charakter eines Herrschers wurden im Menschenkopf ausgedrückt, Größe und Stärke aber im unbezwingbaren Leib des Löwen (Sphinx von Giseh, um 2550 v.Chr.). Die Statuen der Götter dagegen wurden mit Tierköpfen auf Menschenkörpern dargestellt: z. B. Anubis mit einem Schakal-, Bastet mit einem Katzen-, Amun und Chnum mit einem Widder- und Horus mit einem Falkenkopf.
Daneben existierten eigenständige, sehr gut beobachtete Tierdarstellungen, die häufig im Zusammenhang mit der betreffenden Gottheit zu sehen waren.
Auch Malerei und Relief waren fast ausschließlich für Gräber und Tempel bestimmt. Im Sinne dieses sakralen Charakters dienten die Reliefs und Malereien nicht als Wanddekoration, sondern sie waren Bedeutungsträger für Götterglauben, Jenseitsvorstellungen, Kult und Königsverehrung.
Im Alten Reich schildern die bemalten Reliefs der Mastabas das irdische Leben des Grabherren als verklärte Wirklichkeit. Erfahrungen des eigenen Lebens und des Alltags mit seiner Familie wurden in idealisierter Form ins Jenseits übertragen.
Ab dem Mittleren Reich kamen neue Inhalte hinzu: der siegreiche Pharao, der seine Feinde unterwirft, und, vor allem in den Tempelreliefs, König-Gott-Szenen. Der Pharao stand der Gottheit nun als Betender oder Opfernder in gleicher Größe auf der gleichen Standlinie gegenüber – sozusagen gleichberechtigt. Segnend spendete die Gottheit Lebens- und Glückssymbole.
Bei den Malereien in den Felsengräbern des Neuen Reiches beschrieben die Bilder die Reise des Pharaos zu Osiris, dem Gott der Unterwelt, Gefahren und Schwierigkeiten, die auf dem Weg ins Paradies zu überwinden waren, und Totenrituale, z. B. die symbolische Mund- und Augenöffnung.
Wie in Architektur und Skulptur blieb auch in Reliefkunst und Malerei die Gestaltung fast 3 000 Jahre unverwechselbar. Es gab Regeln und Normen, die jeder ägyptische „Künstler“ und Handwerker beherrschen musste. Dazu gehörten:
Wandflächen und später auch die Papyri wurden z. B. mithilfe von sogenannten Registern (Bildzonen) in verschieden breite Standlinien für Figuren oder Textspalten für Hieroglyphen gegliedert. Bei Menschen und Tieren sollte das Wesentliche der Körperteile unverzerrt in typischer Form hervorgehoben werden. Das führte dazu, dass Figuren „aperspektivisch“ dargestellt wurden: der Kopf im Profil, Auge, Schultern, Arme und die Brust frontal, aber vom Nabel abwärts wieder im Profil.
Die ausführenden Handwerker bedienten sich dabei eines Proportionskanons. Mithilfe eines Quadratnetzes, das auf Grundmaßen des menschlichen Körpers – abgeleitet von Handbreite, Fingerbreite und Elle – beruhte, wurde die Figurendarstellung vorbereitet. Eine stehende Figur war z. B. 18 Quadrate hoch, 6 bis zum Knie, 9 bis zum Gesäß, 12 bis zum Ellenbogen. Einer sitzenden Figur fehlten die 4 Quadrate vom Knie bis zum Gesäß. Durch den Bedeutungsmaßstab konnte die soziale Stellung von Personen ausgedrückt werden.
Hieroglyphentexte und die Kartusche³ vervollständigten die Wanddekorationen.
Neben Flachreliefs (Basrelief), bei denen die Wandfläche um die Figuren abgetragen wurde, gab es vor allem für die Außenwände versenkte Reliefs, bei denen die Figuren tief in die Wand eingeschnitten wurden. So entstanden starke Licht-Schatten-Wirkungen.
Die Reliefs waren wie die Skulpturen nach festgelegten Farbsystemen bemalt. Männliche Figuren charakterisierte man mit braunroter, weibliche mit gelber Hautfarbe. Außerdem hatte jede Farbe ihre besondere Bedeutung: z. B. symbolisierte Blau den Himmel und die Götter; Gelb stand für Gold – das Fleisch der Götter; Rot für Feuer und Blut; Grün für Wiederherstellung und Schwarz für Tod.
In der Amarnakunst wurden vorübergehend die überlieferten Inhalte außer Kraft gesetzt. Die reale Welt mit einmaligen, sogar intimen Szenen, wurde gestaltet. Individuell geprägte Darstellungen ECHNATONs, NOFRETETEs bzw. der Königsfamilie geben den Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf, so sehr widersprachen die fast karikierenden Darstellungen der Tradition.
² Bedeutungsmaßstab: Unterscheidungen der Größenverhältnisse der Figuren vor allem bei Skulptur, Malerei und Relief in Abhängigkeit von ihrer sozialen Stellung und ihrer Bedeutung für das Dargestellte: z. B. Pharao und Götter am größten und an hervorragender Stelle der Komposition, Königinnen z. B. als Standfigur so groß wie eine königliche Sitzfigur, Diener wesentlicher kleiner, oft zwischen den Beinen der großen Figuren dargestellt.
³ Kartuschen sind in ägyptischen Hieroglyphentexten die ovale Umrahmung des Königsnamens (auch „Königsring“ oder „Namensring“). Hieroglyphen (griech. hieros = heilig, glypho = gravieren; altägyptische Bilderschrift, um die Wende des 4. zum 3. Jahrtausend v.Chr. entstanden. Sie enthielt Laut-, Silben- und Wortzeichen und wurde vor allem für Monumentalzwecke verwendet.
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