- Lexikon
- Geschichte
- 9 Aufstieg und Untergang des preußisch-deutschen Kaiserreichs
- 9.3 Die Epoche des Imperialismus
- 9.3.1 Expansionsbestrebungen der großen Mächte
- Wurzeln der Expansionspolitik der USA
Die USA betrachteten sich selbst seit ihrer Gründung als Hort des Antiimperialismus. In der nach dem damaligen amerikanischen Präsidenten JAMES MONROE benannten Monroe-Doktrin vom 2. Dezember 1823 verwahrte sich das Land nicht nur gegen weitere Gebietserwerbungen durch die Europäer in Amerika und deren Einmischung in innere Angelegenheiten der unabhängigen amerikanischen Staaten. Die Vereinigten Staaten erklärten gleichzeitig ihre Absicht, sich aus den europäischen Angelegenheiten herauszuhalten.
Das um 1840 entstandene Schlagwort der „Manifest Destiny“ brachte die Überzeugung der Amerikaner zum Ausdruck, dass die immer weiter fortschreitende Ausdehnung nach Westen ihre Bestimmung, ihr Schicksal sei. Damit verbunden war ein religiös-politisch begründetes Sendungsbewusstsein, in dem die eigenen freiheitlich-demokratischen Werte zu zukünftigen Menschheitszielen und Menschheitsidealen erklärt wurden.
Bereits im Krieg mit Mexiko 1846 bis 1848 spielten imperialistische Momente eine Rolle. 1854 wurde durch eine Marineexpedition die Öffnung Japans für den Handel erzwungen. Der Erwerb Alaskas von Russland 1867 stand bereits im Zeichen der Vision eines „neuen Reiches“, wobei der Pazifik fest als eigenes Interessensgebiet angesehen wurde.
Nach Ende des Bürgerkriegs 1865 erlebte die US-Wirtschaft einen gewaltigen Aufschwung. Ermöglicht wurde der Aufschwung durch
Nach 1873 war diese Phase des rasanten Aufschwungs vorbei. Immer wieder kam es zu kleineren Wirtschaftskrisen, die ihre Ursachen in den beträchtlichen Überkapazitäten in den Schlüsselindustrien Stahl, Eisen und Textil hatten. Als Folge kam es zu Arbeiteraufständen. Sozialistische Ideen konnten sich verbreiten. Dies führte zu einer allgemeinen Verunsicherung der amerikanischen Geschäftswelt und gipfelte in der „Panik von 1893“.
Die Erschließung neuer Märkte, besonders in Lateinanmerika und Asien, sollte Abhilfe schaffen. Dabei stand China im Mittelpunkt des Interesses. Alle, ob Kaufleute, Diplomaten, Politiker, Missionare, Militärs oder Journalisten, blickten hoffungsvoll auf das große Reich im Osten, durch das die amerikanischen Exportschwierigkeiten beseitigt werden sollten. Der Weg über den Pazifik nach China sollte durch ein Netzwerk von Marine-, Kabel- und Kohlestützpunkten gesichert werden. Das Offenhalten der Außenmärkte war dabei grundlegendes Ziel.
Die China-Vision war auch im Hintergrund die Motivation für die kurze direkte Phase des amerikanischen Imperialismus. Denn die Gebietserwerbungen im Gefolge des Spanisch-Amerikanischen Krieges 1898 wurden mit der Absicherung des Handelsweges nach China begründet.
Der Krieg begann mit der amerikanischen Intervention in Kuba. Seit 1890/91 hatte es erhebliche amerikanische Investitionen in Kuba gegeben. Aufgrund eines Aufstandes der Kubaner gegen die spanische Kolonialherrschaft schienen diese nun gefährdet zu sein. Deshalb drängten vor allem kriegswillige Geschäftsleute bei dem zögernden Präsidenten WILLIAM MCKINLEY auf ein amerikansiches Eingreifen. Gleichzeitig bewirkten die harten spanischen Unterdrückungsmaßnahmen auf Kuba eine antispanische Stimmung in der amerikanischen Öffentlichkeit.
Eigentlicher Kriegsauslöser war die Explosion des US-Kreuzers „Maine“ im Hafen von Havanna (Bild 2), bei der 260 Matrosen starben. Daraufhin brach in den USA eine regelrechte Kriegshysterie aus. Der Präsident und seine Berater begannen nun, den Konflikt zu eskalieren. Die USA überließen es aber Spanien, am 24. April 1898 formell den Krieg zu erklären.
Die Spanier erlitten im Krieg vernichtende Niederlagen. Im Dezember 1898 vermittelte Frankreich einen Friedensschluss. Kuba wurde unabhängig, um dann 1901 unter amerikanisches Protektorat zu kommen. Spanien musste den Vereinigten Staaten
abtreten. Für diese zahlten die USA 20 Millionen Dollar Entschädigung.
Bereits während des Krieges hatten die USA sich Hawaii einverleibt.
1899 einigten sich die Amerikaner mit Großbritannien und dem Deutschen Reich über die Teilung Samoas. Einen Aufstand auf den Philippinen gegen ihre Verwaltung unterdrückten die USA mit einer Armee von 70.000 Mann und einer bis dahin ungekannten Schonungslosigkeit.
Gegen diesen kolonialistischen Imperialismus kam es in den USA selbst zu starken Protesten. Sie führten dazu, dass nach 1901 wieder die Formen wirtschaftlich-indirekter Einflussnahmen vorherrschten. Die Amerikaner waren zwar auch an der Niederschlagung des Boxeraufstands in China beteiligt, verpflichteten aber alle Mächte auf eine Politik der offenen Tür in China.
Mit dem Sieg über Spanien 1898 begann der Aufstieg der USA zur Großmacht. Weite Teile der amerikanischen Öffentlichkeit wurden nun von traditionellem Sendungsbewusstsein und Missionierungsdrang erfasst, basierend auf der Manifest Destiny aus den frühen 40er-Jahren. Darin wurde zum Ausdruck gebracht, dass die USA vom Schicksal dazu auserwählt worden sei, die demokratische Gesellschaftsordnung über den ganzen amerikanischen Kontinent zu verbreiten. Diese Mission rechtfertigte auch territoriale Expansion. Damit wurden der Krieg gegen Mexiko und die Westwanderung begründet.
Nun wurde die Manifest Destiny weitergeführt und internationalisiert. Ein neuer, aggressiver Nationalismus griff in den USA um sich. Er äußerte sich
Hauptsächlich Journalisten und Wissenschaftler trugen zu einer Wiederbelebung des Sendungsbewusstseins der Manifest Destiny bei. Sie propagierten die Überlegenheit der „angelsächsischen Rasse“, deren Berufung es sei, andere Völker politisch zu erziehen. Dieser „Anglo-Saxonism“ der amerikanischen Eliten erleichterte auch die politische Übereinkunft mit Großbritannien, das schließlich die Vorherrschaft der USA in der westlichen Hemisphäre akzeptierte.
Nach der kurzzeitigen Phase des kolonialistischen Imperialismus bis 1901 erlangte dieses christlich-zivilisatorische Sendungsbewusstsein wieder stärkeren Einfluss auf die amerikanische Politik.
Aus dem Glauben an die überlegene Rolle der USA heraus leitete Präsident THEODORE ROOSEVELT eine aktive Verantwortlichkeit seines Landes gegenüber den vermeintlich rückständigen Völkern ab. Auch glaubte er, dass die Vereinigten Staaten die Verpflichtung hätten, diese Völker auf eine Zivilisationsstufe zu heben, die sich an der amerikanischen orientieren sollte.
In der „Roosevelt Corollary“ von 1904, einer Ergänzung der Monroe-Doktrin von 1823, beanspruchte er für die USA das Recht, in Lateinamerika und der gesamten westlichen Hemisphäre die Rolle einer internationalen Polizeimacht zu übernehmen, die für Ordnung, Stabilität und Sicherheit sorgte. Neben den lateinamerikanischen Regierungen waren die europäischen Staaten die eigentlichen Adressaten dieser Erklärung. Besonders die Deutschen sollten von einem weiteren Ausbau ihrer militärischen Präsenz in der westlichen Hemisphäre abgehalten werden.
Die praktische Anwendung der „Roosevelt Corollary“ folgte auf dem Fuß. 1905 übernahmen die USA die Finanzverwaltung der bankrotten Dominikanischen Republik. Immer mehr wurde die Karibik im Verständnis der Amerikaner zum „Hinterhof“ der USA, besonders seit der Fertigstellung des Panamakanals 1914. Politische Einflussnahme und ökonomische Durchdringung marschierten hier Hand in Hand.
Diese Polizistenrolle reklamierten die Vereinigten Staaten bis in die 20er-Jahre hinein für sich. Erst 1928 wurde die „Roosevelt Corollary“ widerrufen.
Aber auch heute noch dient den USA diese Ideologie in abgewandelter zeitgenössischer Form zur Rechtfertigung ihrer interventionistischen Politik.
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