- Lexikon
- Geschichte
- 6 Das Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen
- 6.2 Die Suche nach einem Seeweg nach Indien
- 6.2.1 Portugals Aufstieg zu einer Großmacht
- Vasco da Gamas erste Indienfahrt 1497–1499: Aus dem Bordtagebuch
Seine erste Indienreise führte VASCO DA GAMA von 1497 bis 1499 an der Westküste Afrikas entlang, um das Kap der Guten Hoffnung herum nach Mosambik in Südostafrika und von dort aus über den Indischen Ozean nach Calicut an der indischen Malabarküste. Von dieser Reise ist nur ein einziger Augenzeugenbericht überliefert.
ÁLVARO VELHO, ein Soldat oder Matrose höheren Ranges, der auf der „Santo Rafael“ diente, die DA GAMAS älterer Bruder PAULO befehligte, gilt als der Verfasser dieses authentischen Berichtes. Sein Original ist nicht erhalten geblieben. Vom Bericht existiert nur eine Abschrift aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. Diese Abschrift befand sich zunächst im Kloster Santa Cruz in Coimbra. Von dort kam sie in die Bibliothek der Stadt Porto. Erst 1838 wurde der Bericht über die erste Reise DA GAMAS in Lissabon gedruckt. In deutscher Sprache erschien er erstmals 1898.
Als die Flotte DA GAMAS am 8. Juli 1497 in See stach, um den Seeweg nach Indien zu suchen, konnten sich die Seefahrer auf langjährige Erfahrungen anderer portugiesischer Seefahrer und Entdecker stützen. Dazu gehörten vor allem:
Dieser hatte die Einfahrt in den Indischen Ozean am Kap der Guten Hoffnung gefunden und den Bau und die Ausrüstung der Flotte DA GAMAS beaufsichtigt.
Weitere Informationen stammten von PERO DA COVILHAN. Dieser war vom portugiesischen König im Mai 1487 losgeschickt worden, um u.a. auszukundschaften, wie in den Ländern am Roten Meer und am Persischen Golf die Lage war. Er gelangte von Ägypten aus auf dem Landweg über Aden an der Südspitze der Arabischen Halbinsel bis an die indische Malabarküste.
Dort erkundete er die Zentren des Gewürzhandels Goa, Cananor und Calicut. COVILHAN hatte seinem Auftraggeber im Jahre 1491 einen ausführlichen Bericht über seine Erkundungen gesandt, auf den sich DA GAMA auch stützen konnte.
Die Flotte DA GAMAS erreichte nach dem Umschiffen des Kaps der Guten Hoffnung Mosambik im Südosten Afrikas.
Hier lernten die Portugiesen arabische Kaufleute kennen, die viele Schätze ins Land brachten. Die Schiffe der Händler, die vor Anker lagen, waren mitGold, Silber, Gewürznelken, Pfeffer und Ingwer beladen. Ein Seemann DA GAMAS, der sprachkundig war, übersetzte, was die arabischen Seeleute über die Herkunft der Reichtümer erzählten. Im Bordtagebuch steht dazu:
„Weiter vorwärts, dort, wo wir hinführen, gebe es noch viel mehr davon; Edelsteine, andere Kostbarkeiten und Gewürze seien dort in so großem Maße zu finden, daß man sie nicht einzutauschen brauchte, sondern daß man sie nur so in Körben sammeln könne.“(S. 56).
In Mosambik lernten die Seefahrer zunächst auch die Gastfreundschaft des dort herrschenden Fürsten kennen, die aber bald ein jähes Ende fand. Das Bordtagebuch berichtet über die Gründe dafür:
„... solange er glaubte, wir wären Türken oder Mohammedaner aus irgendeinem anderen Lande, denn sie hatten uns gefragt, ob wir aus der Türkei kämen, und uns gebeten, ihnen die Bogen unseres Landes zu zeigen und unsere Gesetzesbücher. Nachdem sie erfahren hatten, daß wir Christen waren, beschlossen sie, uns verräterisch zu überfallen und zu töten, aber ihr Lotse, den wir mitgenommen hatten, entdeckte uns alles, was sie gegen uns im Schilde führen würden, wenn sich dazu eine Gelegenheit böte.“ (S. 61)
Die Flotte DA GAMAS verließ deshalb bald Mosambik und überquerte, von einem arabischen Lotsen geführt, den Indischen Ozean. Bei der Stadt Calicut erreichte sie die indische Malabarküste.
In Calicut (Kozhikode) mussten die Portugiesen feststellen, dass sie den Entwicklungsstand im fernen Indien und den Reichtum seiner Herrscher stark unterschätzt hatten. VASCO DA GAMA ließ dem dortigen König, den man SAMORIN nannte, laut Bordtagebuch folgende Geschenke zur Begrüßung überbringen:
„... zwölf Stück gestreiften Baumwollstoffes und vier Kapuzen von scharlachfarbenem Tuch, sechs Hüte und vier Korallenzweige, ferner ein Behältnis mit sechs Metallbecken, eine Kiste Zucker, zwei Fäßchen voll Olivenöl und zwei voll Honig.“ (S. 83)
Es war Sitte im Lande, dass die für den König bestimmten Geschenke zuerst von den Haushofmeistern und von einem Edelmann im Range eines Burghauptmanns begutachtet wurden. Also schickte VASCO DA GAMA nach diesen und musste feststellen:
„... so kamen sie und fingen über diese Zusammenstellung von Geschenken zu lachen an. Sie sagten, dies wäre nichts, was man dem König schicken könne. Der ärmste Kaufmann, der von Mekka käme, ein jeder Inder gäbe mehr als das da. Wenn Vasco da Gama dem König ein Geschenk machen wolle, sollte er ihm irgendwelches Gold schicken, der König würde da s, was wir zu schenken vorhatten, nicht annehmen.“ (S. 95)
Natürlich versetzte diese Reaktion VASCO DA GAMA in Zorn. Er gab zu verstehen, dass er kein Gold mit sich führe. Außerdem bemerkte er, er sei kein Kaufmann, sondern Gesandter. Die Sachen, die er dem hiesigen König anböte, seien aus seinem eigenen mitgeführten Besitz und nicht aus dem seines Königs. Und er fügte laut Bordtagebuch noch hinzu, dass ihm der König von Portugal, sollte dieser ihn noch einmal nach Calicut schicken, noch viele andere und wertvollere Geschenke mitgeben würde. Wenn also König SAMORIN seine Geschenke nicht wolle, werde er sie wieder an Bord zurückschicken lassen. Die Haushofmeister versicherten DA GAMA, dass sie die Sachen dem König weder selbst bringen, noch zulassen könnten, dass sie diesem überhaupt überreicht würden. Als die Haushofmeister wieder gegangen waren,
„ ... kamen maurische Kaufleute von Calicut, und alle sprachen mit Verachtung von dem wertlosen Zeug, das der Kommandant dem König hatte schicken lassen wollen.“ (S. 95).
Als sich die Flotte zur Rückkehr nach Portugal rüstete, kam es, wie das Bordtagebuch weiter berichtet, zur Auseinandersetzung mit dem König von Calicut. Dieser hatte VASCO DA GAMA ausrichten lassen, dass er vor Abfahrt noch sechshundert Scherafinen (Zahlungsmittel der Inder) zahlen müsse. Nur dann könne er die Rückreise antreten. Der König ließ außerdem das Lagerhaus besetzen, in dem die Portugiesen ihre Waren untergebracht hatten, und nahm die Leute fest, die die Waren bewachten. Die Nachricht über ihre Gefangennahme rief unter den Seeleuten große Bestürzung hervor. Die Portugiesen waren aber auch darüber erzürnt, dass ein christlicher König so
„... schmählich und heimtückisch“ handelte, obwohl sie ihm doch mit der „größten Freizügigkeit und Freundlichkeit“
entgegengetreten waren.
Andererseits war in ihren Augen nicht allein der König schuld an diesem Verhalten.
Denn sie wussten laut Tagebuchbericht, dass sie:
„... den dort ansässigen Mauren, die wir kennengelernt hatten, und den Kaufleuten aus Mekka und vielen anderen Gegenden sehr unbequem waren. Diese hatten dem König gesagt, wir wären Seeräuber, und wenn wir anfingen, regelmäßig in dieses Land zu fahren, würde kein Schiff mehr von Mekka, Cambaya oder Indien oder von anderswo in sein Land kommen können, so daß er keine Geschäfte mehr mit ihnen machen und keine Gewinne mehr daraus ziehen könne. Von den Portugiesen würde er nichts bekommen. Diese würden ihn berauben und dadurch sein Land zugrunde richten. Der König hörte nicht nur diese ,Schauergeschichten', sondern erhielt von den Kaufleuten auch noch viel Geld dafür, daß er uns gefangennähme und tötete, damit wir nicht nach Portugal zurückkehren könnten“. (S. 115 f.)
Einer der einheimischen Mauren hatte die Kapitäne VASCO DA GAMAS darüber informiert und sie gewarnt, die Schiffe zu verlassen und an Land zu gehen. In besonderer Gefahr, meinte er, sei VASCO DA GAMA.
Der Verfasser des Bordtagebuches beschrieb auch den Weg der Gewürze von ihren asiatischen Anbaugebieten bis zu den europäischen Verbrauchern.
„Von diesem Lande Calicut, das Hochindien heißt, kommen die Gewürze her, die im Osten und Westen, in Portugal und in allen anderen Ländern der Welt verzehrt werden. Desgleichen kommen von der Stadt Calicut mit Namen viele Edelsteine aller Art; das heißt, von eigenen Erzeugnissen gibt es in dieser Stadt nur folgende Gewürze: viel Ingwer, Pfeffer und Zimt, obwohl letzterer nicht so fein ist wie der von einer Insel, die Ceylon heißt. Diese ist von Calicut acht Tagereisen entfernt, und all ihr Zimt geht nach Calicut und nach einer Insel, die sie Malakka nennen, von wo die Gewürznelke nach Calicut kommt. Dort nehmen die Schiffe aus Mekka die Gewürze an Bord und bringen sie zu einer Stadt, die in der Gegend von Mekka liegt und Judeà [Dschidda] heißt. Von dieser Insel Malakka bis dorthin brauchen sie vor dem Wind fünfzig Tage, weil die Schiffe dieses Landes nicht mit Seitenwind fahren. Dort angekommen, löschen sie die Ladung und zahlen dem Großsultan ihren Zoll. Dann werden die Gewürze in kleinere Schiffe geladen, die sie durch das Rote Meer zu einem Ort bringen, der ... Suez heißt. Und auch hier bezahlen sie wieder Zoll. Dort laden die Kaufleute die Gewürze auf Kamele um, die sie für vier Cruzados pro Kamel mieten, und bringen sie in zehn Tagen nach Kairo, wo sie erneut Zoll zu bezahlen haben. Auf diesem Weg nach Kairo werden sie oft von Räubern überfallen, die es hierzulande in großer Anzahl gibt; diese sind Beduinen und andere. Dort laden sie die Gewürze von neuem in Schiffe um, die auf einem Fluß fahren, der Nil heißt und aus dem Land des Erzpriesters Johannes in Niederindien [Äthiopien]kommt; auf diesem Fluß fahren sie zwei Tage, bis sie zu einem Ort kommen, der Rosette genannt wird, und hier zahlen sie wieder Zoll. Nun lädt man die kostbare Fracht von neuem auf Kamele und bringt sie in einer Tagereise nach einer Stadt, die Alexandria heißt und eine Seestadt ist. Dorthin kommen die venezianischen und genuesischen Galeeren, um diese Gewürze zu kaufen. Und der Großsultan in Kairo bekommt von den Gewürzen, wie man errechnet hat, sechs mal hunderttausend Cruzados Zoll.“ (S. 126)
Die geschilderten Schwierigkeiten des Gewürzhandels machen die Bedeutung der Entdeckung des Seeweges nach Indien durch VASCO DA GAMA für Portugal deutlich:
Ausschaltung der arabischen Händler und Zwischenhändler sowie direkter Zugang zum Markt unter Vermeidung des unsicheren Landweges.
Die zitierten Ausschnitte aus dem Bordtagebuch DA GAMAS stammen aus:
Vasco da Gama: Die Entdeckung des Seewegs nach Indien. Ein Augenzeugenbericht 1497-1499. Herausgegeben von Gernot Giertz. Verlag Neues Leben Berlin, 2. Auflage 1990 (Lizenzausgabe der Edition Erdman in K. Thienemanns Verlag Stuttgart).
Ein Angebot von