Thomas Müntzer – Theologe und Revolutionär

Thomas Müntzer – Theologe und Revolutionär

Werdegang von THOMAS MÜNTZER

Geboren wurde THOMAS MÜNTZER zwischen 1486 und 1490 in der kleinen Stadt Stolberg im südlichen Harz.
Über MÜNTZERS Kindheit und Jugendjahre gibt es nur wenige verlässliche Aussagen und Quellen. Das erschwert eine genauere Datierung und Beschreibung seiner Tätigkeiten. Möglicherweise ist er in Quedlinburg aufgewachsen und trat dort als Mönch in das Augustinerkloster ein. Man vermutet, dass seine Eltern nicht unvermögend waren.
Sicher ist, dass er ab 1506 das Grundstudium an der Universität Leipzig absolvierte. Danach studierte er Theologie an der neu gegründeten Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Um 1513 erhielt er dann im Bistum Halberstadt die Priesterweihe. Parallel zu seiner Ausbildung arbeitet MÜNTZER in verschiedenen Städten als Lehrer, u. a. in Aschersleben, Braunschweig, Halberstadt und Halle. Ab 1516 war er schließlich Probst im Nonnenkloster Frose bei Aschersleben.

Die Anfänge von MÜNTZERS Theologie

Während seiner Lehrertätigkeit in Braunschweig hatte MÜNTZER wahrscheinlich Kontakte zu einem gegen die Geistlichkeit der katholischen Kirche gerichteten Bibelkreis. Dessen Mitglieder strebten angesichts der immer offensichtlicher werdenden Verderbtheit vieler Geistlicher die moralische Erneuerung der Kirche an.
Unter Umständen wegen seiner Sympathien zu den reformatorischen Bestrebungen in Braunschweig wurde er offensichtlich bald der Stadt verwiesen und ging nach Wittenberg. Dort hatte er in den Jahren 1517/18 mit großer Wahrscheinlichkeit auch Kontakte zu LUTHER.
Für die Zeit nach 1519 gibt es dann über MÜNTZER glaubhafte schriftliche Quellen.
Im Frühsommer des Jahres 1519 hielt er sich in Leipzig auf. Dort verfolgte er die öffentliche Disputation (Streitgespräch) zwischen MARTIN LUTHER, seinem Wittenberger Kollegen BODENSTEIN und dem wortgewandten kirchentreuen Theologieprofessor ECK über die Missstände in der Kirche. Auf Empfehlung von LUTHER erhielt MÜNTZER 1520 auch eine Pfarrstelle im sächsischen Zwickau.

MÜNTZER in Zwickau (1520–1521)

Mit etwa 7000 Einwohnern war Zwickau damals etwa so groß wie Leipzig. In Zwickau erlebte MÜNTZER hautnah alle sozialen Probleme einer wirtschaftlich aufstrebenden Stadt. Einer dünnen Schicht wohlhabender Bürger, vor allem Kaufleute und Tuchmacher, stand die verarmte Unterschicht der Handwerker und Tagelöhner gegenüber, die die Masse der Stadtbevölkerung ausmachte.
Die Kirche rechtfertigte in Zwickau wie auch anderswo die sozialen Zustände in der städtischen Gesellschaft und profitierte nicht zuletzt auch von ihnen. So war es nicht verwunderlich, dass MÜNTZER die meist wohlgenährten und den weltlichen Genüssen des Lebens zugeneigten Pfarrer und Mönche heftig kritisierte.
Hier in Zwickau kam er auch mit den sogenannten Zwickauer Propheten zusammen. Als Anhänger der Glaubensrichtung des Chiliasmus glaubten diese, nach dem Ende unserer geschichtlichen Zeit werde auf Erden eine tausendjährige friedvolle Herrschaft Gottes anbrechen. MÜNTZER flocht häufig chiliastisches Ideengut in seine Predigten ein, mit denen er auch die herrschenden Zustände in der Stadt angriff.
Allmählich erstarkte jedoch im Rat der Stadt und bei den geistlichen Würdenträgern Zwickaus der Widerstand gegen MÜNTZER. Schließlich wurde der Druck so groß, dass dieser Mitte April 1521 heimlich die Stadt verlassen musste.

Das „Prager Manifest“

Im Juni 1521 ging MÜNTZER nach Prag. Hier setzte er sich mit den Lehren des tschechischen Reformators JAN HUS auseinander. HUS war ein Jahrhundert zuvor vom Konzil in Konstanz als Ketzer verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Im November 1521 veröffentlichte MÜNTZER sein Prager Manifest. In dieser Schmähschrift schrieb er über „Pfaffen und Affen“. Er beklagte, dass die Pfaffen bisher den Gläubigen das Wort Gottes von der Kanzel herunter nicht richtig vermittelt hätten. Die Kernaussage der Schrift war, dass die Auserwählten Erleuchtung nur durch den Heiligen Geist erfahren konnten, unabhängig von den Worten in der Heiligen Schrift.
Diese Schrift und seine aufrührerischen Predigten veranlassten auch die Obrigkeit in Prag, MÜNTZER schon nach wenigen Wochen aus der Stadt zu vertreiben.

Pfarrer in Allstedt

Von März 1523 wirkte MÜNTZER als Pfarrer in Allstedt. Hier setzte er sich vor allem für die Neugestaltung des Gottesdienstes ein. Nicht nur der Geistliche, sondern alle Kirchenbesucher sollten mit Gesang und Gebet in den Gottesdienst eingebunden werden. Die Sprache des Gottesdienstes sollte deshalb auch nicht mehr wie bisher Latein sein. Vielmehr sollte während der Messfeier das allen verständliche Deutsch gesprochen und gesungen werden.
MÜNTZER erläuterte seine Vorstellungen zur neuen Gottesdienstordnung in zwei Schriften. Sie trugen die Titel „Deutsch Evangelische Messe“ und „Deutsch Kirchenamt“. Beide Schriften waren in gewisser Weise auch für MARTIN LUTHER Vorbild seiner Überlegungen zur Neugestaltung der kirchlichen Messfeier.
In Allstedt entwickelte MÜNTZER auch seine religiösen Vorstellungen weiter. So sprach er in einem an die Glaubensbrüder in seiner Geburtsstadt Stolberg gerichteten Brief schon von der kommenden weltumfassenden Herrschaft Gottes. Zur Vorbereitung auf diese Zeit der Gottesherrschaft gründete er in Allstedt den revolutionären „Bund getreulichen und göttlichen Willens“. Dessen Mitglieder sollten im Geist des Urchristentums u. a. ein sittenstrenges Leben in völliger Gleichheit und in Besitzlosigkeit führen.
Grundlage des Glaubens sollten nicht mehr die Worte der Heiligen Schrift sein, sondern die Erleuchtung, die der gläubige Mensch durch den Heiligen Geist selbst erfährt. Da die kommende Gottesherrschaft allumfassend sein sollte, forderte MÜNTZER des Weiteren auch die herrschenden Fürsten auf, seinen Vorstellungen entsprechend zu leben und zu handeln.

MÜNTZER und LUTHER

MÜNTZERS Vorstellungen, insbesondere seine Angriffe auf die Zwei-Reiche-Lehre , führten bald zum Bruch mit LUTHER.

LUTHER unterschied zwischen zwei Reichen:

  • dem Reich der Welt, in dem das Schwert für Ruhe und Ordnung sorgen sollte,
  • und dem Reich Gottes, in dem Christen gemeinschaftlich zusammenleben sollten.

Beide Reiche waren nach Überzeugung LUTHERS von Gott so gewollt. Deshalb war es den im Gottesreich lebenden Gläubigen auch nicht gestattet, gewaltsam gegen das weltliche Reich, gegen die weltliche Obrigkeit, vorzugehen. Christen hatten folglich kein Recht auf Widerstand. Sie mussten vielmehr lernen, Unrecht und Unterdrückung leidend zu erdulden.
MÜNTZERS umfassendes Gottesreich auf Erden schloss aber mit den Fürsten und dem herrschenden Adel auch das Reich der Welt mit ein, verwischte also die Grenzen zwischen beiden Reichen. Da es bei ihm überdies so etwas wie ein Widerstandsrecht gab, setzte er sich vollends in Widerspruch zu LUTHER.
Auch in weiteren Positionen gab es erhebliche Unterschiede zwischen LUTHER und MÜNTZER. Da die Auffassungen von MÜNTZER meist viel radikaler und unversöhnlicher waren, als die von LUTHER, bezeichnete er diesen in seinen späten Schriften spöttisch als „Vater Leisetritt“ oder auch als das „geistlose sanft lebende Fleisch zu Wittenberg“.
Auch die Unterschiede in der Lebensweise der beiden waren beträchtlich: Während der radikale MÜNTZER von einer Stadt zur anderen flüchten musste und häufig in Armut lebte, hatte LUTHER eine gute Anstellung und stets ein festes Dach über dem Kopf.

Konflikte mit der Obrigkeit

Dem GRAFEN ERNST VON MANSFELD, zu dessen Territorium auch die Gegend um Allstedt gehörte, wurde MÜNTZERS Wirken bald zu viel. Im Spätsommer des Jahre 1523 verbot er seinen Untertanen den Besuch der Predigten.
Unabhängig davon suchte MÜNTZER unermüdlich weiter, seine religiösen Vorstellungen in die Wirklichkeit umzusetzen. Neben der Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden wollte er aber auch die bedrückende Lage der unteren Schichten verbessern. Dazu hielt er im Juli 1524 auf dem Schloss zu Allstedt vor Herzog JOHANN VON SACHSEN und dessen Sohn die sogenannte Fürstenpredigt. Darin bezeichnete er sich als von Gott gesandt und forderte die Fürsten auf, sich an seine Seite zu stellen.

Mühlhausen

In Allstedt kam es im Sommer 1524 zu Unruhen. Dabei wurden ein Kloster und eine Marienkapelle zerstört. Nun schaltete sich LUTHER ein. In einem Brief an die sächsischen Fürsten forderte er, dem Aufruhr gewaltsam zuvor zu kommen. Da MÜNTZER vom Rat der Stadt als einer der Rädelsführer des Aufruhrs betrachtet wurde, musste er auch Allstedt bei Nacht heimlich verlassen.
MÜNTZER floh zunächst nach Mühlhausen. Dort predigte ein Mönch ebenfalls von der Errichtung des Gottesreich. Nach einigen Wochen wurden allerdings auch hier beide aus der Stadt vertrieben. MÜNTZER trieb es nun an den Oberrhein, wo er mit aufständischen Bauern in Kontakt kam. Danach zog es ihn erneut nach Mühlhausen. Die Bevölkerung stand inzwischen seinen religiösen Reformbestrebungen aufgeschlossener gegenüber.
MÜNTZER errichtete daher in Mühlhausen eine radikal-demokratische Herrschaft. Sie stützte sich auf die besitzlose und politisch rechtlose Unterschicht, die knapp die Hälfte der Bevölkerung ausmachte. Die Klöster der Stadt wurden aufgelöst und ihr Besitz in Gemeineigentum überführt.

Schlacht bei Frankenhausen

Im Frühjahr 1525 breitete sich der Bauernkrieg, von Südwestdeutschland ausgehend, bis nach Thüringen aus. MÜNTZER sah die Stunde gekommen, im religiösen Endkampf endlich Gottes Strafgericht zu vollziehen. Mit einem kleinen Bauernhaufen zog er nach Frankenhausen am Fuße des Kyffhäusers.
Hier stellte er sich an die Spitze des versammelten Bauernheeres von 7000 bis 8000 Mann. Ihm gegenüber stand ein Söldnerheer unter Führung des Landgrafen PHILIPP I. VON HESSEN und des Herzogs GEORG VON SACHSEN. Am 15. Mai 1525 kam es zum sehr ungleichen Kampf. In der Schlacht bei Frankenhausen töteten die besser bewaffneten Söldner Tausende von Bauern. MÜNTZER konnte zunächst fliehen und versteckte sich in einem Bauernhaus, wo er jedoch aufgestöbert wurde. Nachdem man ihn gefoltert hatte, wurde er wenige Tage später enthauptet. Diese Niederlage besiegelte nicht nur das Ende von MÜNTZER, sondern auch das Ende des Bauernkrieges auf deutschem Boden.

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