Neue Sachlichkeit

Mit der Einführung der Rentenmark am 15.11.1923 begann sich auch in Deutschland die Literatur vom Expressionismus abzuheben, da von nun an neue Fragestellungen auf der Tagesordnung standen. Die Geschehnisse in der Weimarer Republik zwangen zur Beobachtung der sich wieder etablierenden Wirtschaftsordnung und neuer politischer Bewegungen. Und so wurde auch die Frage nach dem „neuen Menschen“ des Expressionismus neu gestellt. Die Literatur äußerte sich in weiten Teilen stark politisch.

Die Neue Sachlichkeit ist wie die meisten Richtungen entstanden, weil sich Künstler von Vorangegangenem, in diesem Fall von expressionistischer Kunst – abstoßen wollten. Wenn dieser Wille auf neue Lebensstile, -gefühle und Realitäten trifft, entstehen für die jeweilige Zeit neue Formen, sich künstlerisch, philosophisch und politisch zu äußern, die die Zeitgenossen und Historiker als „Strömung“ oder neue Richtung wahrnehmen und der sie einen Namen geben. Künstlerisch im Stile der Neuen Sachlichkeit zu arbeiten, war für viele Künstler zwar eine relativ kurze Phase ihres Schaffens, jedoch nicht selten eine sehr prägende, sei es in dieser Tradition oder in ihrer Negation.
Als Geburtsort des Begriffs Neue Sachlichkeit gilt eine 1925 in Mannheim veranstaltete Ausstellung zeitgenössischer Malerei, die unter diesem Motto stattfand. Geprägt hat es GUSTAV FRIEDRICH HARTLAUB.
Das Stichwort der Neuen Sachlichkeit gehörte zu den meist diskutierten Begriffen in den Kunstdebatten der Weimarer Republik. Es war ein Schlagwort und Sammelname für verschiedene Sachlichkeitskonzepte.
Andere Bezeichnungen waren

  • „Neue Gegenständlichkeit“,
  • „Materialästhetik“,
  • im Französischen nannte man die Neue Sachlichkeit „la nouvelle objektivité“.

Neusachliche Literatur nahm in der Konstituierungsphase auf den Naturalismus Bezug und entfaltete sich in der Auseinandersetzung mit den Prozessen der Industrialisierung und Urbanisierung. Der Begriff der Neuen Sachlichkeit basierte vor allem auf dem Lebensgefühl in den großen Städten, die sich seit Anfang des Jahrhunderts entwickelt hatten. Eine neue Wirklichkeit der Technik, Wirtschaft und Gesellschaft prägten das künstlerische Bewusstsein dieser Zeit. Die Neue Sachlichkeit war keine interne Kunstangelegenheit!

Definition

Neue Sachlichkeit bezeichnet eine in allen Bereichen der Kultur auftretende Strömung und damit auch eine Kunst- und Literaturrichtung in der Zeit der Weimarer Republik (1918–1933). Sie ist ein Teil der Moderne-Bewegung des 20. Jahrhunderts und definierte sich selbst als eine der Publizistik angenäherte Gebrauchsliteratur. Eine zentrale Kategorie war die der Beobachtung. Die wichtigsten Formen der neusachlichen Literatur waren die Publizistik und der Roman.

Begriff

Der Begriff der Neuen Sachlichkeit hat wie auch die Begriffe Impressionismus und Expressionismus seinen Ursprung in der Beschreibung von Werken der bildenden Kunst, durchgesetzt hat er sich durch die Architektur, einer Kunst, die nicht mit Farbe, sondern mit dem Raum arbeitet. Für diese Richtung in der Architektur steht vor allem der Name „Bauhaus“.

Eigene Traditionen

Das Stichwort der Neuen Sachlichkeit gehörte zu den meist diskutierten Begriffen in den Kunstdebatten der Weimarer Republik. Es war ein Schlagwort und Sammelname für verschiedene Sachlichkeitskonzepte. Neusachliche Literatur hat jedoch auch ihre eigenen Traditionen. Im Unterschied zur neusachlichen Malerei hat sie konsequent auf die Entwicklung einer Gebrauchskunst für viele hingearbeitet. Sie umfasste nicht nur neue Schreibtechniken. Es ging um eine den gesellschaftspolitischen Verhältnissen gemäße Literatur und Kunst, weshalb sich für nicht wenige Autoren mit der Ästhetik auch ein Gesellschaftsmodell verband, mit dem sie – häufig in aufklärerischer Absicht – auf die bis dahin

  • einzigartige Politisierung und zugleich
  • Radikalisierung sowie
  • auf die Entstehung einer modernen Massenzivilisation

reagierten. Dass die neusachliche Poetik eine urbane und großstädtische war, wurde stillschweigend vorausgesetzt. Ihr Bezugspunkt waren umfassende gesellschaftliche Modernisierungsprozesse. Die „Kälte“ der Neuen Sachlichkeit war nicht nur ein Zeichen der „kalten Welt“, um die es ging, sondern es war auch eine ästhetische Eigenschaft infolge der Schreibpraxis, wie

  • Berichtform,
  • der Abwesenheit des subjektiven Erzählers und Kommentators.

Der Begriff der Neuen Sachlichkeit vereint in heutiger Wahrnehmung unterschiedliche, z.T. gegensätzliche Ausdrucksformen und dient damit als Sammelbegriff für verschiedene künstlerische und angewandte Formen. Im Unterschied zu anderen literarischen Strömungen ist die Neue Sachlichkeit nicht mit literarischen Gruppen verbunden, was die Zuordnung von Autoren neben unklaren Stil-Kriterien schwierig macht.
Sachlichkeit bedeutete:

  • Sachliches, realitätsbezogenes Schreiben,
  • nüchternes und emotionsloses Erzählen,
  • Verzicht auf Pathos bis zur Befreiung von allem Pathos,
  • Verzicht auf Dekoratives und Ornamentales,
  • Präzision,
  • faktenorientierte Darstellung, Konzentration auf „Tatbestände“,
  • Akzeptanz der Macht der Dinge, Sachen und Situationen
  • das Postulat der wahrheitsgemäßen Darstellung,
  • Objektivität durch Beobachtung,
  • Abkehr vom Psychologisieren, von Gefühlen der Melancholie, Trauer usw.,
  • Ablehnung von „falschem“ Poetisieren,
  • die Sache ganz aus sich heraus zu verstehen und bis zur letzten Konsequenz darstellen zu wollen.

Literatur der Neuen Sachlichkeit zeichnet sich durch „Tatsachenpoetik mit Gebrauchswert“ aus.
Die Beobachtung (Vivisektion) wird wichtiger als die Dichtung. Dazu gehörten Nüchternheit und Dokumentarismus.

Zeitschriften der Neuen Sachlichkeit waren z.B.:

  • „Der Scheinwerfer“ Essener Theaterzeitschrift (1927-1933 Hg. Hannes Küpper, Dramaturg an den Essener Bühnen),
  • „Querschnitt“,
  • „Literarische Welt“.

Neusachliche Schriftsteller waren u.a.:
KURT TUCHOLSKY, JOACHIM RINGELNATZ, ERICH WEINERT, PAUL ZECH, ERICH KÄSTNER, ANNA SEGHERS, ALFRED DÖBLIN, EGON ERWIN KISCH, LION FEUCHTWANGER, HANNS HENNY JAHNN, ÖDÖN VON HORVÁTH, CARL ZUCKMAYER, BERTOLT BRECHT, FRIEDRICH WOLF, ARNOLT BRONNEN und MARIELUISE FLEISSER.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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