- Lexikon
- Geschichte
- 10 Demokratie und Diktatur in Deutschland
- 10.2 Nationalsozialistische Diktatur
- 10.2.3 Hitlers Außenpolitik
- Nationalsozialistische Außenpolitik
Verfolgung und Gewalt waren eine Seite der Politik, die viele in Apathie und Anpassung drängten, die andere Seite, und das war der Kern des nationalsozialistischen Erfolges, waren das Ansprechen von Gefühlen und Auslösen von Emotionen. Beides stand im krassen Gegensatz zur nüchternen, rationalistischen Demokratie.
So fand besonders der Appell an Traditionen verführerischen Anklang bei einem großen Teil der Bevölkerung. Beispiele hierfür sind der „Tag von Potsdam“ am 21. April 1933 oder die jährlich stattfindenden Erntedankfeste, wo glanzvolle Huldigungen bäuerlichen Brauchtums zelebriert wurden. Der Tag von Potsdam verband nationalsozialistisches Sendungsbewusstsein mit preußisch-konservativem militärischem Nationalismus, indem sich auf den Geist FRIEDRICHS DES GROSSEN berufen wurde. Kein Regime war bisher so perfekt in der Inszenierung von Politik, von Theatralik, von sinnstiftenden Symbolen wie das nationalsozialistische. Das zeigte sich in der Olympiade 1936 wie auch in den jährlich überwältigend choreografierten Massenaufmärschen zu den Reichsparteitagen in München.
Seit 1936 waren die Vorbereitungen auf einen Krieg endgültig angelaufen. In einer geheimen Denkschrift HITLERS zum Vierjahresplan begründet er, dass die deutsche Wirtschaft in vier Jahren kriegsfähig sein müsse. Von diesem Zeitpunkt an war die wirtschaftliche Planung und Produktion auf die Kriegsvorbereitung voll konzentriert. In seiner Rede vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, dem Kriegsminister VON BLOMBERG und dem Außenminister VON NEURATH am 5. November 1937 gab HITLER seinen „unabänderlichen Entschluss“ bekannt, die „Lebensraumfrage“ spätestens 1943/45 auf dem Wege der Gewalt lösen zu wollen. Als erste Ziele wurden Österreich und die Tschechoslowakei genannt. Niedergeschrieben wurde diese Rede im sogenannten Hoßbachprotokoll. Diese mitteleuropäische Ausdehnung sollte die strategischen Voraussetzungen für den „Lebensraum“-Krieg im Osten schaffen. Widerspruch gegen die Expansionspläne äußerten der Reichsaußenminister FREIHERR VON NEURATH, der außenpolitische Risiken sah, sowie Heeres-Oberbefehlshaber WERNER FREIHERR VON FRITSCH, der die wirtschaftliche und militärische Leistungskraft Deutschlands bezweifelte. Beide wurden ein Jahr später durch willfährige Nachfolger (RIBBENTROP wird Reichsaußenminister) ersetzt.
Am 4. Februar 1938 ernannte sich HITLER mit einem „Erlass über die Führung der Wehrmacht“ zum Führer der Wehrmacht:
„Die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht übe ich von jetzt an unmittelbar persönlich aus.“
Das bisherige Wehrmachtamt wurde unter Generaloberst WILHELM KEITEL (Oberkommando der Wehrmacht = OKW) HITLERS militärischer Stab. Damit nahm das OKW die bisherigen Aufgaben des Reichskriegsministeriums wahr.
Seine Ziele wiederholte HITLER auch in einer Geheimrede am 23. November 1937 anlässlich der Einweihung der Ordensburg Sonthofen. Er sprach von der Schaffung eines „Waffenstaates“, um das Problem „Lebensraum“ zu lösen.
Am 12. März 1938 marschierte die deutsche Wehrmacht in Österreich ein. Der Anschluss Österreichs an Deutschland zeigte, dass die Westmächte HITLER freie Hand ließen. Dadurch ermutigt, fasste HITLER bereits am 28. März 1938 den Entschluss, die Tschechoslowakei zu annektieren. Auch hier erwiesen sich die Westmächte als äußerst schwach. Auf der Münchener Konferenz am 29. September 1938 erhielt Deutschland von England, Frankreich und Italien das Sudetengebiet zugesprochen, in der Hoffnung, einen Krieg zu vermeiden. HITLER jedoch ging von seinen Plänen nun erst recht nicht ab. So wurde der Z-Plan zum Aufbau einer gegen England gerichteten Flotte zur gleichen Zeit entwickelt, in der HITLER mit CHAMBERLAIN über Frieden sprach. Für HITLER waren diplomatische Abkommen mit westlichen Demokratien wertlos, sie dienten nur als Feigenblatt für seine wahren Absichten. Das zeigte sich schon am 15. März 1939, als HITLER entgegen dem Münchener Abkommen die „Rest-Tschechei“ besetzte.
Erst jetzt erkannten die Briten, dass Gegenmaßnahmen notwendig wurden. Sie garantierten Polen die Unabhängigkeit und versuchten mit Russland eine Allianz zu schließen. Dem kam jedoch HITLER zuvor, indem RIBBENTROP am 23. August 1939 mit STALIN den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt (Hitler-Stalin-Pakt) schloss.
Am 1. September 1939 marschierten deutsche Truppen in Polen ein – damit begann der Zweite Weltkrieg, der verheerendste Krieg des 20. Jahrhunderts.
Die innenpolitischen Maßnahmen waren immer den außenpolitischen Zielen, der Schaffung eines großdeutschen Reiches, untergeordnet.
13.12.1933 | Das „Gesetz über die Übernahme von Garantien zum Ausbau der Rohstoffwirtschaft“ garantiert der Industrie Preise und Absatz. Einen Tag später wird der sogenannte „Benzinvertrag“ zwischen dem Reichswirtschaftsministerium und der I.G. Farben über den Aufbau einer deutschen Mineralölindustrie für wehrwirtschaftliche Zwecke mit staatlicher Unterstützung abgeschlossen. Ziel ist die Produktion von synthetischem Treibstoff. |
18.12.1933 | Memorandum der Reichsregierung zur Rüstungsfrage: Es enthält die Forderung nach Gleichberechtigung und den Vorschlag einer Umwandlung der Reichswehr in ein kurz dienendes Heer von 300 000 Mann sowie Einzelvorschläge zur allgemeinen „Rüstungsbeschränkung“. |
06.06.1934 | HITLER gibt die geheime Anweisung, die baldige Verdreifachung der Mannschaftsstärke der Reichswehr vorzubereiten. |
24.09.1934 | SCHACHTS „Neuer Plan“ führt ein Wirtschaftsprogramm der völligen Außenhandelssteuerung durch zentrale Devisenbewirtschaftung ein. Um die Rüstungsexpansion sicherzustellen, wird der Import nach einer Dringlichkeitsskala auf rüstungswirtschaftlich notwendige Rohstoffe und wichtige Nahrungsmittel beschränkt. |
13.01.1935 | Volksabstimmung zur Rückgliederung der Saar in das Deutsche Reich. Am 01.03. erfolgt die formale Eingliederung. |
26.02.1935 | Das „Gesetz über die Einführung eines Arbeitsbu“ dient der Kontrolle von Arbeitsverhältnissen und -kräften, um „die zweckentsprechende Verteilung von Arbeitskräften in der deutschen Wirtschaft“ zu gewährleisten. |
14.03.1935 | Die Luftwaffe wird durch einen Erlass HITLERS zum selbstständigen Wehrmachtteil. |
16.03.1935 | Das „Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht“ führt die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Damit werden die Bestimmungen des Versailler Vertrages von HITLER aufgehoben. Bis 1939 soll die Wehrmacht auf 36 Divisionen mit 580 000 Mann anwachsen. |
21.05.1935 | Ein geheimes Reichsverteidigungsgesetz verpflichtet die Wirtschaft zur Rüstungsproduktion. |
Februar 1936 | Der Deutschen Industrie gelingt die Entwicklung synthetischer Produkte (Benzol, Buna, Chemiefasern). |
29.03.1936 | Die „SS-Wachverbände“ (3500 Mann) werden in „SS-Totenkopf-Verbände“ umbenannt. Sie sollen als rücksichtslos gehorchende, mitleidlose Vollstrecker des Führerwillens Dienst in den Konzentrationslagern tun. Teile der Totenkopf-Verbände gehen später in die Waffen-SS über. |
26.07.1936 | Aufstellung der Legion Condor, um an Francos Seite am Spanischen Bürgerkrieg teilzunehmen – HITLERS erste Probe für den Luftkrieg. |
Sommer 1936 | Aufgrund der Fett-Krise wird die Parole herausgegeben „Kanonen statt Butter“. Ende August bezeugt HITLER in einer geheimen Denkschrift zum Vierjahresplan, dass im Zeichen der Aufrüstung die Wirtschaft auf eine „Kriegswirtschaft im Frieden“ umgestellt werden müsse. HITLER forderet: Auf dem Reichsparteitag in Nürnberg (8.–14.9.) wird der Vierjahresplan verkündet, der eine systematische Aufrüstung zum Ziel hat. |
25.11.1936 | „Antikominternpakt“ mit Japan, dem 1937 Italien und bis 1941 Mandschukuo, Ungarn, Spanien, Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Finnland, Nanking-China, Rumänien und die Slowakei beitreten. |
20.–26.09. 1937 | Erprobung der Blitzkriegstrategie während eines Wehrmachtmanövers in Mecklenburg. Gleichzeitig findet eine Luftschutzübung nördlich der Linie Mannheim–Leipzig mit Verdunklung usw. statt. |
05.11.1937 | Die sogenannte Hoßbach-Niederschrift über das Treffen HITLERS mit Oberbefehlshabern der Wehrmacht, Kriegsminister und Außenminister über die gewaltsame Lösung des Problems „Lebensraum“-Krieg im Osten. |
30.05.1938 | Die Wehrmacht wird angewiesen, alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um „die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen“. |
Juni 1938 | Der Reichsarbeitsdienst (RAD) und die neu gegründete Organisation Todt (OT) beginnen mit dem Bau des 630 km langen, militärisch überschätzten „Westwalls“, einer Verteidigungslinie von der Schweizer Grenze bis in den Raum Aachen. Bis September 1939 entstehen etwa 14 000 Bunker, Kampfanlagen sowie die charakteristischen „Drachenzähne“ zur Panzerabwehr. |
26.08.1938 | Im Reichsgesetzblatt wird die Kriegssonderstrafrechtsverordnung veröffentlicht. Sie sieht drakonische Strafen für Vergehen und Verbrechen in Kriegszeiten vor. Unter anderem wird der neue Straftatbestand der „Wehrkraftzersetzung“ eingeführt, auf den die Todesstrafe steht. |
November 1938 | HITLER fordert in einer Geheimrede vor etwa 400 Journalisten und Verlegern die Deutschen auf, den Krieg vorzubereiten. Um eine Standardisierung voranzutreiben, wird die „Schaffung neuer Typen von Lastkraftwagen“ von einer Genehmigung des „Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen“ abhängig gemacht. |
20.01.1939 | HJALMAR SCHACHT wird als Reichsbankpräsident entlassen und durch Reichswirtschaftsminister Funk ersetzt, weil er gegen die Rüstungsfinanzierung Einspruch erhoben hat. |
10.02.1939 | In einer geheimen Ansprache vor Truppenkommandeuren äußert sich HITLER zu den ideologischen Motiven seiner Außenpolitik. Es gehe um
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März 1939 | Eine Verordnung über die Typenbegrenzung in der Kraftfahrzeugindustrie wird erlassen. Sinn dieser Maßnahme ist die Kriegsvorbereitung: Vom 1. Januar 1940 werden nur noch 30 von bisher 52 PKW-Typen und nur noch 19 von bislang 113 LKW-Typen gebaut. Die Ago-Flugzeugwerke in Oschersleben stellen das 1000. Flugzeug fertig. |
April 1939 | Die Howaldtswerke in Kiel gehen in den Besitz der Kriegsmarine über und werden mit dem Kriegsmarinearsenal zur Kriegsmarinewerft Kiel vereinigt. |
Mai 1939 | HITLER erläutert der Generalität seine Angriffspläne („Schmundt-Protokoll“). Hier bekräftigt er seine Absicht, bei passender Gelegenheit Polen anzugreifen. Danzig allein sei
Jedes Einzelgebäude im Reich (Luftschutzgemeinschaft) hat für Selbstschutzgeräte (Einreißhaken, Handfeuerspritzen, Feuerpatschen, Hausapotheken, Wassereimer, Sandkisten, Äxte usw.) zu sorgen. Im ganzen Reich sind Verdunklungsmöglichkeiten vorzubereiten. |
August 1939 | Die Einrichtung behelfsmäßiger Luftschutzräume wird angeordnet. Ab 27.08.1939 wird die Rationierung von Lebensmitteln und anderen Waren durch die Bezugsscheinpflicht eingeführt. Es geht zunächst um: Brot und Mehl, Kartoffeln, Fleischwaren, Milch, Öle und Fette, Eier, Zucker und Marmelade, Hülsenfrüchte, Graupen, Grütze, Grieß, Sago und sonstige Nährmittel, Kaffee, Kaffee-Ersatzmittel, Tee und Kakao, Seife und Waschmittel, Hausbrandkohle, Spinnstoffwaren sowie Schuhwaren. Höchstabgabemengen pro Tag bzw. Woche sind z. B.: 700 Gramm Fleisch/Woche, 0,2 Liter Milch/Tag, 63 Gramm Kaffee/Woche, 20 Gramm Tee/Monat. Am 30.08. wird der Generalinspekteur für Straßenwesen, FRITZ TODT, mit der Leitung der Munitionserzeugung beauftragt. |
Alle wirtschaftlichen, politischen, Bildungs- und Erziehungsaufgaben liefen darauf hinaus, das deutsche Volk auf einen Krieg vorzubereiten. Da nach HITLERs Motivation es sich um einen Weltanschauungskrieg handelte, müsste auch im deutschen Volk dieser „Krieg“ geführt werden.
Neben den genannten Aktivitäten und Maßnahmen arbeitete eine Terrormaschinerie im Innern des Landes, die Andersdenkende wie Kommunisten, Sozialdemokraten, bürgerlich-humanistisch Gesinnte, aber auch Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Freimaurer aufs grausamste verfolgte, quälte und vernichtete. Besonderer Repression waren die Juden und Sinti und Roma ausgesetzt. Die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und ihre spätere grausame Ermordung bleiben ein nie zu vergessendes Verbrechen deutscher Geschichte.
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