Literatur und Kunst im Geist der Erneuerung

Naturwissenschaft und Natur

Naturwissenschaftler hatten die Natur beobachtet und sie als „vernünftig“ angesehen. Dieses Vernunftsprinzip sollte nun auch auf die gesellschaftliche Ebene des absolutistischen Staates angewendet werden: Kategorien wie

  • Moral,
  • Religion und
  • Justiz

wurden hinsichtlich ihrer „Vernunft“ betrachtet. Man besann sich der antiken Traditionen.

Anakreontik

Das literarische Rokoko kultivierte die antike Anakreontik. FRIEDRICH VON HAGEDORN, JOHANN GEORG JACOBI (1740–1814), der Zweite Hallesche Dichterkreis um

  • JOHANN PETER UZ,
  • JOHANN NIKOLAUS GÖTZ (1721–1781) und
  • JOHANN WILHELM LUDWIG GLEIM

besangen in ihren Gedichten

  • das Leben und seine Freuden,
  • sie priesen Wein und Geselligkeit,
  • zeichneten eine poetische Schäferlandschaft.

Die Hallenser wollten die Melancholie vertreiben und durch heitere Literatur eine heitere Stimmung hervorrufen.
Der heitere Mensch war gesellig und umgänglich. Dies sahen die Anakreontiker als Voraussetzung dafür, dass die Menschen ihre Arbeitspflichten mit Freude wahrnahmen.
Der Bürger selbst geriet plötzlich zum Objekt der Betrachtung

  • im bürgerlichen Trauerspiel und
  • im Bildungsroman.

CHRISTOPH MARTIN WIELANDs „Geschichte des Agathon“ (1766) schildert die Entwicklung eines jungen Menschen und gilt als Begründung des deutschen Bildungsromans.
Die schöne Literatur (Belletristik) galt seit dem Meistersang als erlernbar. Aufklärerische Literatur sollte darüber hinaus belehren und unterhalten. Zugleich entwickelten Autoren der Aufklärung eigene Poetiken, die das Besondere der Poesie herausarbeiten und ihre Einzigartigkeit unterstreichen sollten. Aus der Idee, dass Poesie prinzipiell nicht erlernbar sei, entwickelte sich der Geniegedanke des Sturm und Drang.

JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHED

Der Leipziger Professor für Poesie JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHED (1700–1766) hatte sich mit den Ideen LEIBNIZ’ und seines Schülers CHRISTIAN WOLFF vertraut gemacht. 1730 gab er seinen auf philosophisch-rationalistischen Vorstellungen der Vorbilder LEIBNIZ und WOLFF fußenden „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ in den Druck. Die letzten bedeutenden Poetiken stammten aus dem Barock (OPITZ, HARSDÖRFFER) und waren eher rhetorisch
fundiert. In seiner Poetik legte GOTTSCHED Regeln für die Produktion von lyrischen und epischen Werken und für das Drama fest. Er fasste Dichtung traditionsgemäß als erlernbar auf. Und in diesem Sinne, als Lehrbuch der Dichtkunst ist der „Versuch...“ abgefasst. Die Hauptaufgabe von Literatur war für GOTTSCHED die sittlich-moralische Erziehung des Bürgertums. Im Sinne seines Vorbildes ARISTOTELES sah er die Aufgabe des Künstlers in der Nachahmung der Natur (Mimesis):

Uberall aber gezeigt wird Daß das innere Wesen der
Poesie in einer Nachahmung der Natur bestehe.

Reform des Theaters

Als äußerst bedeutsam erkennt GOTTSCHED die Reform des Theaters. Er wollte das deutsche Theater zur Formenreinheit der Antike zurück führen. Das Theater des 18. Jahrhunderts fand vorwiegend als Volksbelustigung auf Jahrmärkten statt. Man kannte keine Textgrundlage, sondern spielte steigreifspielartig mit spontanen Texten. Die Schauspieler stellten Typen dar:

  • Liebhaber,
  • Lüstling,
  • schlaue Tochter,
  • alten Vater.

Seit dem frühen 16. Jahrhundert diente der Hanswurst (Harlekin) der Belustigung des Publikums. Ursprünglich stammte er aus der Commedia dell'arte. 1737 hat GOTTSCHED ihn gemeinsam mit der Theaterprinzipalin CAROLINE NEUBER in Leipzig von den deutschen Bühnen verbannt. Stattdessen schuf er die in fünf Akte gegliederte sächsische Typenkomödie. Sie ahmte eine lasterhaften Handlung nach, die vom Publikum verlacht wurde (Verlachkomödie). Die Ständeklausel wurde beibehalten:

Eine zweigeteilte Handlung kontrastierte den Herrn mit dem Diener.

Die Handlung des Dramas sollte nach dem Vorbild der Wirklichkeit, der Natur dargestellt werden.
GOTTSCHED bewertete die Tragödie als die höchste Gattung der Poesie und hielt die Bühne für das geeignete Medium zur moralischen Belehrung des Publikums. In seinem Drama „Der Sterbende Cato“ (Uraufführung 1731) hat er seine theoretische Position in die Praxis umgesetzt.
In seiner „Deutschen Schaubühne nach den Regeln und Exempeln der Alten“ veröffentlichte GOTTSCHED Übersetzungen aus dem Französischen, eigene Stücke und die seiner Frau, der GOTTSCHEDIN, sowie Werke von Freunden, ganz nach dem Prinzip „prodesse et delectare“ („nützen und erfreuen“) aus der „Ars poetica“ des HORAZ.
Einen wirklichen Erfolg auf dem Theater war aber erst LESSING mit dem ersten bürgerlichen Trauerspiel „Miss Sara Sampson“ beschieden.

GOTTSCHEDS Gegner
JOHANN CHRISTOPH GOTTSCHEDs Ideal einer reinen Verstandesdichtung musste seine Gegner finden. Seine Schüler GOTTLIEB WILHELM RABENER (1714–1771), CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT, JOHANN ELIAS SCHLEGEL u.a. gründeten 1744 in Bremen „Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes“, in denen sie sich deutlich von den Theorien ihres Lehrers distanzierten. Die Autoren strebten empfindsame und gefühlvolle Unterhaltung mit lehrhafter Tendenz an. Diese Tendenz der Aufklärung wird deshalb auch Empfindsamkeit genannt. GELLERT war Vertreter der comédie larmoyante, des „lehrhaft-rührenden Lustspiels“, das GOTTSCHEDs sächsische Typenkomödie von der Bühne verdrängen sollte. Er probte das aus Frankreich kommende Rührstück u.a. in „Die zärtlichen Schwestern“ (1747) aus und untermauerte seine Theatertheorie 1751 in „Pro comoedia commovente“, einer Programmschrift über das rührende Lustspiel.
Auch aus Halle erfolgten Angriffe gegen den „Literaturpapst“ GOTTSCHED durch FRIEDRICH GEORG MEIER (1718–1777) in dessen Schrift „Beurtheilung der Gottschedschen Dichtkunst“ (1747). Massiv setzten die schweizerischen Aufklärer JOHANN JACOB BODMER und JOHANN JAKOB BREITINGER in ihren Poetiken „Critische Abhandlung von dem Wunderbaren in der Poesie“ bzw. „Critische Dichtkunst“ (beide 1740) Gegenakzente zu GOTTSCHED. BODMER und BREITINGER, die das Emotionale und die Phantasie in der Dichtung forderten, orientierten sich stark an den literarischen und philosophischen Tendenzen in England (Empirismus), während GOTTSCHED sich an die französische Aufklärung (Rationalismus) angelehnt hatte.

Literarische Zentren der Aufklärung

  • Zürich
  • Halle
  • Leipzig
  • Hamburg
  • Bremen
  • Berlin
  • Königsberg
  • Göttingen

Lessings Argumente gegen Gottsched

Ähnliche Angriffe erfuhr GOTTSCHED durch GOTTHOLD EPHRAIM LESSING (1729–1781, ). Dessen „Briefe, die neueste Literatur betreffend“ (1759–1765) und die „Hamburgische Dramaturgie“ wurden zur eigentlichen theoretischen Grundlegung des deutschen Dramas. In seinem 17. Literaturbrief griff LESSING GOTTSCHED persönlich an und warf ihm vor, mit seiner Theaterreform eher Verschlimmerungen als Verbesserungen bewirkt zu haben. GOTTSCHED habe verabsäumt zu untersuchen, ob das französische Theater für das deutsche als Vorbild tauge. Hingegen wird SHAKESPEARE und das englische Theater, weit entfernt von rationalistischen Tendenzen, zum Vorbild für ein deutsches Nationaltheater erhoben. SHAKESPEAREs Theater sei natürlich und ursprünglich, auch sei das zeitgenössische englische Theater geeigneter, weil

„das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte“.

Mit der Hervorhebung der Bedeutung des englischen Theaters und insbesondere SHAKESPEAREs leitete LESSING eine lang anhaltende, vor allem für den Sturm und Drang und die Romantik bedeutende Shakespeare-Rezeption ein.
LESSING strebte die Wandlung des Theaters vom Hoftheater zum Nationaltheater an. Er nahm deshalb begeistert eine Stellung als Dramaturg am Hamburger Nationaltheater an, kehrte aber der Hansestadt bald enttäuscht den Rücken. Jedoch wurden seine Vorstellungen Jahrzehnte später verwirklicht und bürgerliche Stadttheater gegründet.

Bürgerliches Trauerspiel

LESSING entwickelte in theoretischen Schriften und am praktischen Beispiel sein bürgerliches Trauerspiel. Diese dramatische Form ist eine während der Aufklärung im 18. Jahrhundert entstandene dramatische Gattung. Sie stellt das Schicksal des Bürgers ins Zentrum der Betrachtung.
Die in den Renaissance-und Barockpoetiken festgelegte Ständeklausel im Drama wurde überwunden. Die Ständeklausel sah vor, dass in der Tragödie ausschließlich Mitglieder höherer Stände (Adel) Handlungsträger sein durften.
LESSING gelang mit „Miß Sara Sampson“ (1755), in nur vier Wochen niedergeschrieben, und „Emilia Galotti“ (1771), das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland zu etablieren.

Aufklärung in der Kunst

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden in Mitteleuropa naturnahe Gärten nach englischem Vorbild (englische Gärten). Sie lösten die nach französischem Vorbild streng symmetrisch gestalteten Gärten ab, vermittelten Naturnähe: Die Natur wurde selbst zum Mittel der Kunst. Bekannt wurde der Wörlitzer Park des Fürsten FRANZ von Anhalt-Dessau (1740–1817), der die größte und bedeutendste Kulturlandschaft des europäischen Kontinents schuf.
Die Architektur jener Zeit war durch den Klassizismus geprägt. Profanbauten und Kirchen wurden nach griechisch-römischem Vorbild errichtet. In Berlin schuf KARL FRIEDRICH SCHINKEL

  • Neue Wache (1816–18)
  • Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (1818–21) und
  • Altes Museum (1822 geplant, 1824–30 ausgeführt)

FRANZ KARL LEO VON KLENZE gestaltete die

  • Königsplatz,
  • Ludwigstraße,
  • Odeonsplatz,
  • große Teile der Brienner Straße,
  • Leuchtenberg-Palais (1816–21),
  • Glyptothek (1816–30),
  • Alte Pinakothek (1826–36),
  • Ruhmeshalle (1843–54),

in München und erbaute die Walhalla in Donaustauf, Landkreis Regensburg.
FRIEDRICH WEINBRENNER schuf

  • Markgräfliches Palais (1803–14),
  • evangelische Stadtkirche (1807–16),
  • katholische Stadtkirche (1808–14),
  • Rathaus (1805–25)

in Karlsruhe.

Auch Malerei, Grafik und Plastik orientierte sich am griechischen Schönheitsideal. Auftraggeber von Kunstwerken waren seit Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr nur begüterte Adlige und vermögende Kaufleute. Durch neue Vervielfältigungstechniken konnten sich auch Angehörige mittlerer Schichten Kunst leisten. Die Kunst hielt Einzug in den Alltag: Zeichnungen bebilderten die moralischen Wochenschriften, die seit 1750 verbreitet wurden. Erste Tageszeitungen suchten die Massenbasis. Hier begann die Illustration als eigenständige Kunstform ihren Siegeszug. Auch Malereien konnten nun vervielfältigt werden. „Mechanical Paintings“ waren Farbdrucke auf Leinwand. Inhaltlich war diese Kunst durch antike Motive bestimmt.

Die Malerei kannte vor allem

  • Genre- und Sittenmalerei
  • Porträtmalerei
  • Landschaftsmalerei
  • Historienmalerei

Die bekanntesten Malerinnen der Aufklärung waren ANGELICA KAUFFMANN (1741–1807) und ANNA DOROTHEA THERBUSCH (1721–1782). Bekannte Maler waren:

  • ANTON GRAFF(1736–1813)
  • JOHANN-FRIEDRICH-AUGUST TISCHBEIN (1750–1812)
  • JOHANN-HEINRICH-WILHELM TISCHBEIN (1751–1829)
  • PHILIPP OTTO RUNGE (1777–1810)

Auch Schriftsteller betätigten sich in der Malerei/Grafik. JOHANN WOLFGANG VON GOETHE illustrierte seine Reisetagebücher, SALOMON GESSNER war ausgebildeter Maler.
Im 19. Jahrhundert kopierte man im sogenannten Historismus frühere Epochen (Gotik, Barock u.s.w.). Während der Romantik (ab 1792) bevorzugte man Ruinenlandschaften, die Darstellung des Unfertigen. Neben RUNGE waren die bekanntesten romantischen Maler:

  • KARL FRIEDRICH SCHINKEL(1781–1841)
  • JOSEPH STIELER (1781–1858)
  • PETER VON CORNELIUS (1783–1867)
  • GEORG FRIEDRICH KERSTING (1785–1847)
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