- Lexikon
- Geschichte
- 10 Demokratie und Diktatur in Deutschland
- 10.3 Der Zweite Weltkrieg
- 10.3.3 Widerstand in Deutschland und den besetzten Ländern
- Liselotte Herrmann – ihr antifaschistischer Kampf
LISELOTTE HERRMANN, von Freunden und Eltern stets Lilo genannt, wurde in Berlin, Petersburger Str. 177, am 23. Juni 1909 geboren und wuchs in einer humanistischen bürgerlichen Familie auf. Als 17-jährige Lyzeumsschülerin las sie bereits Bücher von KARL MARX, FRIEDRICH ENGELS und LENIN.
Nach Ablegen des Abiturs 1929 studierte LILO in Berlin und dann in Stuttgart Chemie und Biologie. Während ihrer Stuttgarter Studienzeit wurde sie Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands. LILOS Eltern waren mit dem politischen Engagement der Tochter nicht einverstanden, aber tolerant genug, es zu akzeptieren.
ADOLF BUTZ, ein Studienfreund, schilderte LILO HERRMANN als
„Stets hilfsbereit, schweigsam und zurückhaltend, dabei aber konsequent. Ihr Prinzip war es, gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen, und sie war eine große Idealistin.“
Unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 wurde LILO HERRMANN gezwungen, aus politischen Gründen ihr Studium zu beenden. Nach dem Universitätsausschluss blieb sie zunächst in Berlin und beteiligte sich am illegalen Widerstand der KPD. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich als Kindermädchen.
Im Frühjahr 1934 brachte LILO ihr Wunschkind, einen Sohn, dem sie den Namen Walter gab, zur Welt. Nach der Geburt des Sohnes übersiedelte LILO HERRMANN wieder zu den Eltern nach Stuttgart. Hier fand sie Kontakt zur illegalen KPD. Sie beschaffte über ihre Kampfgefährten Unterlagen über die Aufrüstung des NS-Regimes, die in der Schweiz publiziert werden konnten. Fieberhaft suchte die Gestapo nach den Illegalen, die die geheimen Kriegsvorbereitungen entlarvten und die Menschheit vor den Absichten Hitlerdeutschlands warnten.
Am 7. Dezember 1935 verhaftete die Gestapo LILO HERRMANN. Die Nazijustiz benötigte eineinhalb Jahre, um den Prozess gegen ARTHUR GÖRITZ, ALFRED GRÖZINGER, LILO HERRMANN, STEFAN LOVASZ und JOSEF STEIDLE vorzubereiten.
Am 20. Juni 1938, drei Tage vor dem 29. Geburtstag Liselotte Hermanns, wurde das am 12. Juni 1937 gefällte Todesurteil an der jungen Mutter vollstreckt. Ein Jahr wurde die junge Antifaschistin gequält, um noch nach der Verkündung des unmenschlichen Urteils von ihr Aussagen über nicht ermittelte Freunde zu erpressen. LIESELOTTE HERRMANN schwieg standhaft, selbst als die Peiniger ein fremdes Kind im Vorzimmer als ihren angeblichen Sohn nach der Mutter rufen ließen.
Weltweiten Protest löste das Flugblatt „Hilfe!!! Einer jungen Mutter droht das Henkerbeil“ aus.
Zutreffend wird in dem Flugblatt festgestellt:
„Der Fall Lilo Herrmann ist nur einer von vielen. …Über 200 000 sitzen in den Zuchthäusern und warten in den Todeszellen auf den Henker. Hunderttausende von Zuchthausjahren wurden in den 4 ersten Hitlerjahren über politische Gefangene verhängt, ungerechnet die unzähligen Schutzhaft-Jahre.
…Man ermordet nicht nur die wehrlosen politischen Gefangenen bei den 'Verhören', sondern läßt sie auch durch die legalen Gerichte wegen Hoch- oder Landesverrat zum Tode verurteilen und hinrichten. 1936 fanden 9 solche Hinrichtungen statt, 1937 bis jetzt 22 und schon greift der Henker nach neuen Opfern.
…Das ist das erste Mal in der deutschen Geschichte, daß eine Frau aus rein politischen Gründen hingerichtet werden soll!!
Rettet die vom Beil Bedrohten!
Fallt dem Henker in den Arm!“
Der beabsichtigte Justizmord an LISELOTTE HERRMANN löste eine breite internationale Protestwelle aus. Die damalige Reichsfrauenführerin GERTRUD SCHOLTZ-KLINK fühlte sich bemüßigt, an HEINRICH HIMMLER (Chef der deutschen Polizei, hatte die Kontrolle über die gesamte Polizei und Kriminalpolizei, über die Einheiten der SS und über den Nachrichtendienst des SD) folgende Bitte zu richten:
„Sehr geehrter Parteigenosse Himmler!
Die Zuschriften aus dem Ausland in der Angelegenheit Lilo Herrmann werden von Tag zu Tag zahlreicher. In der Anlage lasse ich Ihnen wieder zur weiteren Verwendung zugehen, was bei uns in der letzten Woche eingegangen ist. Ich habe den Eindruck, daß es vielleicht doch nötig wäre, in der Zeitung einmal eine kurze Notiz zu bringen, die über den Fall aufklärt und dieser ganzen Schreiberei ein Ende macht. …“
Die unerbittliche Härte der Nationalsozialisten gegen LISELOTTE HERRMANN resultierte aus der Tatsache, dass sie und ihre Freunde das streng gehütete Geheimnis der Wiederaufrüstung mit aufdeckten und versucht hatten, im Ausland die Weltöffentlichkeit vor den Kriegsabsichten Hitlerdeutschlands zu warnen.
LILO HERRMANN starb als erste Widerstandskämpferin und Mutter unter dem Fallbeil im Gefängnis in Berlin-Plötzensee am 20. Juni 1938.
Im Stadtbezirk Berlin-Prenzlauer Berg ist eine Straße nach ihr benannt, um sie zu ehren.
Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.
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