Kapp-Lüttwitz-Putsch

Die politische Stimmung Anfang des Jahres 1920

In weiten Teilen der Bevölkerung herrschte Anfang des Jahres 1920 Enttäuschung über die neue Regierung, die in ihren Augen versagt hatte: Der Versailler Vertrag, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat, wurde von der öffentlichen Meinung als Demütigung aufgefasst. Außerdem wurde Anfang 1920 ein neues Einkommenssteuergesetz beschlossen, das besonders die Mittelschicht stark belastete. Die Steuerreform war notwendig geworden, weil das Kaiserreich enorme Schulden gemacht hatte, um Krieg führen zu können. Diese Schulden mussten nun bezahlt werden, aber die Verantwortung dafür wurde der Weimarer Republik angelastet.
Auch weite Teile der Arbeiterschaft waren enttäuscht, weil die Regierung die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht neu geordnet hatte, sondern auf vielen Gebieten mit den alten Eliten des Kaiserreichs zusammenarbeitete. In allen Teilen Deutschlands gehörten Streiks, Unruhen und blutige Straßenschlachten zur Tagesordnung.

Ein rechtsextremer Umsturzversuch

Am 13. März 1920 marschierte die Marinebrigade Erhardt mit Hakenkreuzemblemen am Stahlhelm in das Regierungsviertel von Berlin ein. Sie wollte die Reichsregierung unter Reichskanzler BAUER zwingen, den Auflösungsbefehl für die Einheit zurückzunehmen. Im Rahmen des Versailler Vertrages war eine Reduzierung der deutschen Streitkräfte auf 115 000 Mann festgelegt worden, davon war auch die aus Freiwilligen bestehende Brigade Erhardt betroffen. 1919 war das Freikorps an der Niederschlagung der sozialistischen Rätebewegungen in Wilhelmshaven, Braunschweig und München beteiligt gewesen.
Die Führer der Verschwörer waren der rechts stehende Politiker WOLFGANG KAPP und der antirepublikanisch gesinnte Reichswehrgeneral WALTHER FREIHERR VON LÜTTWITZ. Reichspräsident EBERT und die Reichsregierung mussten überstürzt von Berlin über Dresden nach Stuttgart flüchten, da die Reichswehr sie nicht schützen wollte. Der Chef des Truppenamtes, General HANS VON SEECKT, sagte zur Begründung: „Truppe schießt nicht auf Truppe“, und erklärte die Reichswehr für neutral. Allerdings hatte die Reichswehr bis zu diesem Zeitpunkt keine moralischen Skrupel gezeigt, wenn es darum ging, linksgerichtete Truppenverbände zu bekämpfen.
In Berlin versuchten die Putschisten eine provisorische Regierung zu errichten. KAPP ernannte sich selbst zum Reichskanzler und zum preußischen Ministerpräsidenten, VON LÜTTWITZ wurde Wehrminister. Sie erklärten die Nationalversammlung für aufgelöst und den Reichspräsident, die Reichsregierung sowie die preußische Regierung für abgesetzt.
Der Spuk war jedoch schnell wieder vorbei, denn die Verschwörer trafen auf unerwartet heftigen Widerstand: SPD und Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB) riefen bereits am 13. März zum Generalstreik auf, der auch von der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Unabhängigen SPD (USPD) unterstützt wurde. Der Erfolg war durchschlagend, die Streikfront reichte vom linksradikalen Arbeiter bis zum katholischen Angestellten und isolierte die Putschisten in Berlin. Auch die eigentlich konservative Beamtenschaft in Berlin verweigerte der Regierung KAPP-LÜTTWITZ die Zusammenarbeit und übte sich im passiven Widerstand. Zwar fand sich im Reichsgebiet hie und da Unterstützung für die Verschwörer durch einzelne lokale Reichswehrgeneräle, Behörden und Truppenverbände, aber der überwiegende Teil der Reichswehr blieb neutral oder bekannte sich zur rechtmäßigen Regierung. Innerhalb von vier Tagen brach der Putschversuch kläglich zusammen. Am 17. März 1920 erklärte KAPP seinen Rücktritt und floh nach Schweden.

Die Folgen des KAPP-LÜTTWITZ-Putsches

Obwohl der Umsturzversuch ein verhältnismäßig glimpfliches Ende genommen hatte, ging die Weimarer Republik geschwächt daraus hervor. Es hatte sich gezeigt, dass die Reichswehr weiterhin ein eigener Staat im Staate blieb und die Verfassung der Weimarer Republik nicht mit Waffengewalt verteidigen wollte. Außerdem war der Generalstreik leichter ausgerufen worden, als man ihn jetzt wieder abblasen konnte. Der ADGB führte den Streik fort und erzwang den Rücktritt von Reichskanzler BAUER (SPD). Auch Reichswehrministers NOSKE (SPD) musste zurücktreten, er wurde sogar von Teilen seiner eigenen Partei beschuldigt, er wäre im Umgang mit der Reichswehr zu vertrauensselig und nachlässig gewesen.
Auf Druck der Streikenden wurde ferner die preußische Regierung umgebildet und der Chef der Heeresleitung, General WALTHER REINHARDT, zum Rücktritt gezwungen. General REINHARDT war der einzige hohe Wehrmachtsoffizier gewesen, der den Putsch mithilfe der Reichswehr gewaltsam niederschlagen wollte. Sein Nachfolger wurde jener General VON SEECKT, der die Republik nicht hatte verteidigen wollen.
Im Ruhrgebiet kam es zu einem kommunistischen Aufstand in dessen Verlauf mehrere Großstädte von der sogenannten „Roten Ruhrarmee“ besetzt wurden. Der als Reichskommissar berufene Sozialdemokrat CARL SEVERING konnte die Aufständischen auch mit Amnestieversprechen nicht zur Aufgabe bewegen. Verbände der Reichswehr und Freikorps wurden deshalb zur Niederschlagung des Arbeiteraufstands eingesetzt. Da die Reichswehr im Zuge der Kämpfe auch in die entmilitarisierte Zone am Rhein eingedrungen war, nutzte Frankreich dies als Vorwand, Sanktionen gegen Deutschland zu ergreifen. Es besetzte vorübergehend den Raum Frankfurt-Darmstadt.
Das verheerendste Ergebnis des KAPP-LÜTTWITZ-Putsches zeigten jedoch die Reichstagswahlen vom 20. Juni 1920. Die Parteien der Weimarer Koalition, SPD, Zentrum und DDP, verloren nicht nur erheblich an Stimmen, sondern auch ihre Mehrheit im Parlament. Die SPD verließ daraufhin die Regierung, sodass nun bürgerliche und rechte Parteien die Regierung bildeten. Sie besaßen jedoch keine eigene Mehrheit im Reichstag, sodass die neue Regierung sehr instabil war. Die Weimarer Republik entwickelte sich zunehmend zur Republik ohne Republikaner. Immer mehr Bürger trieben aus der politischen Mitte an den rechten oder linken Rand des Parteienspektrums, aus Furcht vor dem jeweils anderen Extrem.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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