Immanuel Kant

KANTS Leben in Königsberg

KANT besuchte zunächst von 1732–1740 das pietistische Gymnasium Fridericianum in Königsberg. 1740 nahm er ein Studium der Mathematik und Physik, der Theologie, der Philosophie und der klassischen lateinischen Literatur an der Albertina, der Königsberger Universität, auf. Das Studium beendete er 1746 mit einer Schrift über „Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“. Danach arbeitete er zunächst als Hauslehrer (Hofmeister) bei verschiedenen ostpreußischen Familien. In dieser Zeit entstanden seine ersten naturphilosophischen Schriften, u. a. die „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“.
KANT kehrte 1755 wieder in seine Geburtsstadt zurück. Er reichte seine Promotionsschrift ein, eine Meditation über das Feuer („De igne“) und erhielt den Titel Magister für Philosophie. Noch im selben Jahr erlangte er auch die Habilitation mit einer Schrift über die ersten Grundsätze der metaphysischen Erkenntnis („Nova dilucidacio“).
Daraufhin begann er, an der Universität Vorlesungen als Privatdozent in den unterschiedlichsten Fachgebieten zu halten: Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Mathematik, Physik, Geografie, Anthropologie, Pädagogik, Naturrecht, natürliche Theologie, Festungsbau. Die Geografie wurde erst von ihm als akademisches Lehrfach eingeführt. Die Vorlesungen und Publikationen machten KANT schnell als einen herausragenden Philosophen bekannt, sodass er verschiedene Rufe anderer renommierter Universitäten erhielt, u.a. von Erlangen (1769) und Jena (1770). KANT nahm diese Lehrstuhlangebote nicht an, dafür jedoch eine Professur für Logik und Metaphysik, die ihm 1770 von der Universität Königsberg angeboten wurde. An dieser Hochschule war er 27 Jahre tätig. Von 1766–1772 war er Unterbibliothekar der königlichen Schlossbibliothek. 1786 und 1788 wurde er zum Rektor der Universität ernannt.
Die Königsberger Gesellschaft beeindruckte KANT nicht allein durch Geist und umfassende Bildung, sondern auch wegen seiner Disziplin und Pedanterie. Nach seinen festgefügten Gewohnheiten, etwa jeden Abend exakt um sieben Uhr seinen Spaziergang anzutreten, konnten die Königsberger ihre Uhren stellen. Seinem Diener LAMPE befahl KANT, ihn – notfalls unter Zwang – allmorgentlich um fünf Uhr zu wecken. Damit begann für KANT ein genauestens festgelegter Tagesablauf, zu dem um ein Uhr das ausgiebige Mittagessen in Gesellschaft von drei bis neun geladenen Gästen gehörte. Als KANT seinen Diener entlassen musste, gelang es ihm zunächst nicht, diesen Verlust und die damit verbundene Veränderung seiner Lebensumstände zu verkraften. Schließlich fasste er den Entschluss, überhaupt nicht mehr an Lampe zu denken, und notierte sich zur Erinnerung an diesen Entschluss die Worte:
„Lampe muß vergessen werden!“

Sein geruhsames Leben wurde 1793 durch einen Konflikt mit der preußischen Regierung erschüttert. Nach der Veröffentlichung seiner Schrift die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ erteilte der preußische König FRIEDRICH WILHELM II. dem Philosophen ein Lehr- und Publikationsverbot für religiöse Themen. Dieses Verbot bestand bis zum Tode des Königs 1797.
1796 beendete KANT seine Vorlesungstätigkeit, fünf Jahre später legt er auch alle akademischen Ämter nieder. Er starb am 12.02.1804 in Königsberg.

KANTS Erkenntnistheorie

KANTS Werk umfasst das gesamte Spektrum der Philosophie sowie eine Reihe von naturwissenschaftlichen Abhandlungen. Zentraler Punkt seines Denkens ist jedoch die Erkenntnistheorie. KANT entwickelte die Ideen der Aufklärung weiter und beeinflusste insbesondere die Philosophen FICHTE, HEGEL und SCHELLING, doch fand er auch über philosophische Fachkreise hinaus starke Beachtung.
Lange Zeit teilte KANT allerdings die Auffassungen der rationalistischen, von LEIBNIZ und WOLFF geprägten Philosophie. Erst durch den Empirismus, die neue von LOCKE und HUME vertretene Theorie der Erfahrung, erhielt er den Anstoß, seine eigene kritische Philosophie zu entwickeln.

„Ich gestehe frei: Die Erinnerung des David Hume war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andere Richtung gab.“

Die neue, in der „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) eingeschlagene Richtung bezeichnet KANT auch als seine „kopernikanische Revolution“. Um die widerstreitenden Positionen von Rationalismus und Empirismus in Einklang zu bringen, kehrte KANT das Verhältnis von Subjekt und Objekt um. Die Erkenntnis soll sich nicht mehr nach den Dingen, sondern die Dinge sich nach dem menschlichen Erkenntnisvermögen richten. Daraus folgt, dass sich die Dinge nur so beurteilen lassen, wie sie uns (bzw. dem Subjekt) erscheinen.
Der Empirismus HUMES hat laut KANT zwar zu Recht alle Erfahrung auf die Sinne zurückgeführt, denn wir können nur das erkennen, was wir in Raum und Zeit wahrgenommen haben. Allerdings sind solche Erfahrungen nur dann objektiv gültig oder wahr, wenn sie durch allgemeine Verstandesbegriffe (die Kategorien) bestimmt werden. Weil die Formen der Anschauung (Raum und Zeit) und die Verstandesbegriffe als subjektive Bedingungen die Erfahrung erst ermöglichen, können sie nicht selbst aus Erfahrung gewonnen werden. Deshalb gehören sie als Vermögen a priori (im vorhinein) zum transzendentalen Subjekt.
Indem KANTS Transzendentalphilosophie die Erkenntnis der Natur auf dem Subjekt und dessen Erkenntnisvermögen gründete, begrenzte er den Bereich möglicher Erfahrung. Bloße Begriffe, denen nichts in der Anschauung entspricht, können zwar gedacht, aber nicht erkannt werden. Dies gilt insbesondere für die metaphysischen (jede Erfahrung überschreitenden) Begriffe von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit (der Seele).

Politische Schriften

In seiner 1784 veröffentlichten „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ entwarf KANT Grundzüge einer Geschichtsphilosophie, um zwischen den Naturgesetzen und der menschlichen Freiheit zu vermitteln. KANT wagte die später vom Deutschen Idealismus aufgegriffene These, dass die Menschheit durch eine List der Natur zur Vernunft und damit über den Naturzustand hinaus gelangt.

„Der Mensch will Eintracht; aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung gut ist: sie will Zwietracht.“

Auf diesem – schon für THOMAS HOBBES zentralen – Konflikt gründet laut KANT der menschliche Hang zur „ungeselligen Geselligkeit“, durch den sich der Einzelne gegenüber der Gesellschaft abheben, aber ebenso wieder von ihr anerkannt und aufgenommen werden will. Darin sah KANT die treibende Kraft der Menschheitsentwicklung, die auf das Ziel einer weltbürgerlichen Gesellschaft zusteuert. Denn die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Staaten befördern – als Ausdruck der „Ungeselligkeit“ – den Aufbau einer Staatengemeinschaft (Völkerbund), in der jeder Bürger über die Freiheit verfügt, sich nach den sittlichen Maßstäben der Vernunft zu entwickeln.

„Man kann die Geschichte der Menschengattung im Großen als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur ansehen, um eine innerlich – und zu diesem Zwecke auch äußerlich vollkommene Staatsverfassung zu Stande zu bringen, als den einzigen Zustand, in welchem sie alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann.“

1795 verfasste KANT die staatsphilosophische Schrift „Zum ewigen Frieden“, praktisch der Entwurf für einen Weltfriedensvertrag.
Der erste von KANTS sechs Eingangsartikeln lautet:

„Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“

Daran anknüpfend entwarf KANT in weiteren Artikeln die Bedingungen für einen echten, also ewigen Frieden, der kein bloßer Waffenstillstand ist. Er setzte sich für das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein und forderte die Abschaffung stehender Heere.
Im zweiten Teil dieser Schrift sprach sich KANT für die republikanische Staatsverfassung aus, weil in ihr die Gewaltenteilung zwischen dem Gesetzgeber und der Regierung verwirklicht ist. Die Demokratie lehnte er dagegen in aristotelischer Tradition als despotisch ab, da in ihr alle Gewalt vom Volk (als Gesetzgeber und Vollstrecker seines Willens) ausgehe. Sein Eintreten für die politische Repräsentation des Volkes mündete in die Rechtfertigung der Monarchie. Denn umso weniger Personen einen Staat regieren, desto mehr Bürger werden durch sie vertreten (repräsentiert). Die Beziehung der Staaten untereinander soll laut KANT völkerrechtlich geregelt werden, wobei die Souveränität der Staaten zu erhalten sei (Völkerbund, aber kein Völkerstaat). Als Weltbürgerrecht sei jedem Menschen ein Gastrecht einzuräumen.
In einem Anhang untersuchte KANT schließlich das Verhältnis von Politik und Moral.

Moral und Ästhetik

Seine Moralphilosophie legte KANT in den Schriften „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785) und „Kritik der praktischen Vernunft“ (1788) dar. Kernpunkt ist die Ansicht, dass die Vernunft die höchste und letzte Autorität der Moral ist. KANT entwickelte seine formalistische Ethik aus dem Begriff der Freiheit, die er als Freiheit zur Selbstbestimmung definierte. Frei ist der menschliche Wille, sofern er nicht von Neigungen, Bedürfnissen und Interessen bestimmt ist, sondern sich allein aus Vernunft das Gesetz seines Handelns ergibt (Autonomie). KANTS berühmte Formel dafür ist der kategorische Imperativ:

„Handle so dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“

In seiner „Kritik der Urteilskraft“ (1790) definierte KANT das Schöne als Resultat eines „interesselosen Wohlgefallens“ an einem zweckfreien Gegenstand. Damit griff er den ästhetischen Ansatz von ALEXANDER GOTTLIEB BAUMGARTEN auf, der in seinem Buch „Aesthetica“ die Ästhetik als eigenständige philosophische Disziplin begründete und demzufolge Schönheit keine Eigenschaft der Dinge ist, sondern im Bewusstsein des Betrachters entsteht.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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