- Lexikon
- Geschichte
- 5 Mittelalter
- 5.1 Das Mittelalter als geschichtliche Epoche
- 5.1.1 Periodisierung des Mittelalters in Europa
- Die Wikinger, Siedler und Seefahrer
Das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Wikinger – im Westen wurden sie Nor(d)mannen genannt, in Osteuropa und Russland als Waräger oder Rus bekannt – war Dänemark, Südschweden und Südnorwegen, wo sie im frühen Mittelalter als Bauern ihren Lebensunterhalt bestritten. Als hervorragende Seefahrer überfielen sie ab dem 8. Jahrhundert n.Chr. die Küstengebiete westeuropäischer Länder, vor allem Englands und Frankreichs.Bald fuhren sie auch über die großen Flüsse, wie die Seine oder den Rhein ins Landesinnere, bedrohten z. B. Paris oder plünderten 881 Köln und Trier.
Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts tauchten sie an den Küsten Süd- und Mittelitaliens auf, sogar an denen des westlichen Nordafrikas. Im Vergleich hierzu waren die Fahrten im Nordatlantik, nach Island und schließlich nach Grönland, schon aufgrund des Wetters und der Entfernungen, die ohne Zwischenstopp bewältigt werden mussten, weitaus gefährlicher.
Es gibt eine große Sammlung isländischer und norwegischer Sagas, in denen über einzelne Personen (Könige und Bischöfe), die Landnahme auf Inseln und Inselgruppen, sogar die Fahrten nach Nordamerika berichtet wird. Die Angaben in diesen Quellen, vor allem diejenigen über die Fahrten nach Nordamerika, sind höchst unsicher, denn sie wurden erst zwischen dem 12. und dem 14. Jahrhundert niedergeschrieben.
Man kann sich gut vorstellen, dass bei der vorangegangenen mündlichen Überlieferung, vor allem, wenn es sich um abenteuerliche und gefährliche Unternehmungen handelte, oft übertrieben wurde, um die Taten der Vorfahren als besonders großartig erscheinen zu lassen.
Relativ gesicherte Erkenntnisse haben wir über die Unternehmungen in Westeuropa dann, wenn dort die in Klöstern aufgeschriebenen Chroniken, Annalen oder Berichte mit den Schilderungen in den Sagas mehr oder weniger übereinstimmen.
Einer der wagemutigen Seefahrer war der um 950 in Südnorwegen geborene ERIK THORVALDSSON, wegen seiner rötlichen Haare ERIK DER ROTE genannt. Vermutlich wegen Totschlags musste er sich ins Exil nach Island begeben, von wo aus er das noch weiter westlich gelegene Grönland erkundete und dort einige Jahre lebte. Er nannte es ‚grünes Land' (englisch: Greenland).
ERIK DES ROTEN Sohn, LEIF EERIKSSON, wurde um das Jahr 975 wahrscheinlich auf Island geboren, wuchs dann aber in einer der auf der Südwestseite Grönlands gelegenen Wikingersiedlungen auf und zählte bald zu den erfolgreichsten Seeleuten. Angeblich hat er auf Wikingerschiffen Handelsgüter nach Schottland und Norwegen gebracht, angesichts der oft rauen See und der beträchtlichen Entfernung eine hervorragende Leistung.
Die Entdeckung Amerikas
Zur Entdeckung Amerikas durch LEIF ERIKSSON gibt es zwei Thesen.
Die eine besagt, dass LEIF ERIKSSON auf einer Fahrt nach Grönland von seinem Kurs abgekommen und zufällig an der Nordostküste Amerikas gelandet sei.
Nach der als relativ glaubwürdig angesehenen Grönland Saga soll der Händler BJARNI HERJOLFSSON 986 durch einen Sturm von seinem Kurs abgekommen sein und habe in der Ferne hügeliges und dicht bewaldetes Land gesichtet, ohne dies betreten zu haben.
LEIF ERIKSSON brach dann um das Jahr 1000 mit einem Schiff und 30 oder 35 Begleitern nach Westen auf, um dieses Land zu erkunden. Bei den Wikingerschiffen, die für solche Fahrten benutzt wurden, handelte es sich um bis zu 24 Meter lange und etwa 5 Meter breite hochseefähige Ruderschiffe, bei denen man an einem Mast auch ein rechteckiges Segel setzen konnte. Diese Schiffe sollen 60 und mehr Seeleuten Platz geboten haben.
Die kürzeste Entfernung zwischen Westgrönland und der nordamerikanischen Insel Baffinland beträgt ca. 900 Kilometer. Wo die Mannschaft LEIF ERIKSSONs das neu entdeckte Land betreten hat, ist nicht bekannt. In verschiedenen Sagas ist von ‚Helluland' (Steinland), vielleicht das heutige Labrador, Markland'(Waldland), möglicherweise Neufundland und Vinland (Weinland), ebenfalls Neufundland die Rede. Manche Historiker vermuten, LEIF ERIKSSON sei an der festländischen Küste entlang noch weiter nach Süden gesegelt, bis in die Gegend von Boston. Weiter entfernt gelegene Ziele wie New York oder gar der Mississippi gehören eher zum Bereich des Wunschdenkens.
Angesicht eines im Vergleich zu Grönland wie auch Island milden Klimas und der dortigen Vegetation wird das neue Land überschwänglich beschrieben: Zu ihrem Erstaunen sahen die Wikinger saftige Wiesen, ausgedehnte Wälder und kleine Flüsse, in denen es von Lachsen nur so wimmelte. Ein Seemann aus LEIFs Mannschaft, angeblich ein Deutscher, habe auf einer Erkundungstour wilden Wein entdeckt, woraufhin diese Gegend, in der die Wikinger an Land gingen, Vinland genannt wurde.
LEIFund seine Mannschaft verbrachten den Winter in diesem so wundersamen Land, um dann im darauffolgenden Frühjahr nach Grönland zurückzusegeln. Auf der Rückfahrt sollen sie neben Weintrauben vor allem Holz für den Schiffbau mitgebracht haben, das es in Grönland nicht gab, sieht man einmal von Birken und den Stämmchen verschiedener Buscharten ab.
LEIF ERIKSSON starb ca. 1020.
In den ersten Jahrzehnten nach der Entdeckung von Küstenstreifen des nordöstlichen Nordamerika gab es noch eine Reihe weiterer Expeditionen von Wikingern zu dem neu entdeckten Land. An einer von diesen soll auch LEIFs Bruder THORNWALD teilgenommen haben. Die Siedlungen sind schließlich nach Konflikten mit den Einheimischen aufgegeben worden.
1961 gab es eine aufsehenerregende Entdeckung an der Nordspitze Neufundlands. Von den norwegischen Archäologen HELGE und STINE INGSTADT wurden die Überreste einer Wikingersiedlung aus dieser Zeit ausgegraben.
Neben den Fundamenten einiger Häuser fanden sie auch eine kleine Schmiede. Dies war der Beweis, dass ‚Fremde', wenn auch nur für wenige Jahre, hier gelebt haben mussten, kannten doch die Einheimischen die Verarbeitung von Eisen nicht. Offenbar wurde diese Siedlung als eine Art Basislager für die Erkundung der näheren und weiteren Umgebung benutzt. 1968 wurde L'Anse aux Meadows von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und ist heute eine Touristenattraktion.
Verständlicherweise waren viele der in der Neuzeit nach Nordamerika ausgewanderten Skandinavier, die vornehmlich in Wisconsin und Minnesota siedelten, schon immer davon überzeugt und stolz darauf, dass ihr Vorfahre LEIF ERIKSSON den nordamerikanischen Kontinent einst entdeckt hatte. Im Jahr 1964 erklärte der Kongress in Washington den 9. Oktober einstimmig zum „Leif Ericson Day". (Allerdings gibt es schon seit langem in der Woche des 12. Oktober in den USA als staatlichen Feiertag einen „Columbus Day").
In vielen Orten Islands und Grönlands findet man Statuen, die den Entdecker Amerikas zeigen, bzw. ihm gewidmet sind. Auf dem Flughafen von Kevlavik (Island) empfängt den Reisenden das „Leifur Eriksson International Air Terminal".
Auch in den USA gibt es in zumindest 15 Städten, darunter so bekannten wie Boston, Chicago, Milwaukee oder Philadelphia, Statuen und Gedenksteine, die an LEIF ERIKSSON, den ersten europäischen Entdecker Nordamerikas, erinnern.
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