Die Vorfahren - aramäische Kleintiernomaden

Israel hat in einem seiner alten Glaubensbekenntnisse die Erinnerung daran bewahrt, dass seine Vorfahren in der Frühzeit „umherirrende Aramäer“ waren (5. Buch Mose 26, 5). Tatsächlich bildete sich das Volk Israel aus den Nachfahren nomadischer Gruppen, die zur westsemitischen Sprachfamilie der Aramäer zählten. Die ursprüngliche Heimat der Aramäer waren Wüsten und Steppen im Norden der arabischen Halbinsel. Von dort brachen sie in zwei Wanderwellen in das von Ackerbauern bewohnte Kulturland des fruchtbaren Halbmonds ein. Die erste Welle führte von ca. 2000–1800 v. Chr. zu aramäischen Landnahmen in Syrien und Mesopotamien. Die zweite Welle führte von ca. 1400 - 1200 in zwei Phasen die Vorfahren der späteren Israeliten, Ammoniter, Moabiter und Edomiter in das Land westlich und östlich des Jordan.

Wirtschaft

Die nomadischen Vorfahren der Israeliten betrieben Transhumanz, eine Form der Weidewirtschaft, bei der die Herden auf festen Routen zwischen den weit entfernten Winterweiden und Sommerweiden ihrer Besitzer wechseln mussten.

  • Man wohnte in Zelten,
  • Bogen und Speer stellten die leichte Bewaffnung dar.
  • Die Nutztierherden jener Wanderhirten bestanden aus Ziegen und Schafen.
  • Als Last- und Reittiere dienten Esel, keine Pferde.

Dromedare waren noch nicht gezähmt. In der winterlichen Regenzeit hielten sich die Herden in den spärlich, aber ausreichend begrünten östlichen und südlichen Steppen, Halbwüsten und Wüsten des Negev, Sinai und Arabiens auf. Den trockenen Sommer verbrachten die Herden im westlich bzw. nördlich gelegenen Kulturland von Kanaan. Der Aufenthalt dort erfolgte in der Regel in Übereinkunft mit den ackerbautreibenden Bewohnern der das Land beherrschenden kanaanäischen Stadtstaaten. Mit ihnen schlossen die Nomaden Verträge über Wasser- und Weiderechte. Als Weiden dienten dort u.a. die abgeernteten Getreidefelder. Bei extremen Dürren oder anderen wirtschaftlichen Notlagen zog es die Kleintiernomaden z.T. - wie ägyptische Quellen verbürgen - auch in die Flussoase des Nil, wo sie gegen entsprechende Arbeitsleistung mit Versorgung durch den ägyptischen Staat rechnen konnten. Mindestens einer der Verbände, dessen Mitglieder zu den Vorfahren der Israeliten zählten, hat sich längere Zeit in Ägypten aufgehalten, und zwar unter RAMSES II. (1279–1213 v. Chr.)

Gesellschaft

Die Nomadengruppen waren in festen patriarchalisch verfassten Großfamilien und Sippen- sowie lockeren Stammesverbänden organisiert. Ein Volk waren Israels nomadische Vorfahren noch nicht. Sie besaßen keine festen, staatsähnliche Strukturen. An den Spitzen der Verbände standen Scheichs, wie sie in den „Erzvätern“ des biblichen Buches Genesis (1. Buch Mose) begegnen. Diese besaßen Autorität, aber keine formale Macht. Ihr Rat wog im Kreis der führenden Familienoberhäupter schwer, besaß aber keinen Weisungs- oder Befehlscharakter. Sie führten in der Regel das Stammesaufgebot, besaßen aber kein Aufgebotsrecht. Sicherheit beruhte in der locker organisierten Stammesgesellschaft auf dem Schutz, den einzig die zur Blutrache verpflichtete Sippe bot. Die Sippe war der am festesten verschweißte Verband der Nomadengruppen.

Religion

Die nomadischen Vorfahren Israels verehrten größtenteils Vätergottheiten wie

  • den „Schrecken (verbreitenden Gott) Jakobs“,
  • den „Gott Abrahams“ oder
  • den „Starken (Gott) Jakobs“,

deren Kultstiftungen auf besonders prominente „Scheichs“ zurückgingen. Z. T. wurden Teraphim, kleine leicht transportable Götterfigurinen, mitgeführt und verehrt. Teile der im Negev und Sinai überwinternden Gruppen waren dort zu Verehrern des in der Nähe des Roten Meeres verehrten Berggottes Jahwe geworden.

Das wichtigste Fest der nomadischen Vorisraeliten war das Frühlingsfest, das von den Sippen nach der Geburt der ersten Lämmer in der Vollmondnacht vor dem Beginn des Weidewechsels gefeiert wurde. Es ist der Ursprung des jüdischen Festes Pessach. Das Fest sollte den „Verderber“, einen der gefährlichen Wüstendämonen, abwehren und das Überleben der erstgeborenen Lämmer sicherstellen. Dazu wurde ein Lamm oder Zicklein geopfert. Mit seinem Blut bestrich man die Pfosten an den Zelteingängen.
Ein Relikt aus der nomadischen Vorzeit Israels stellte das „Zelt der Begegnung“, ein transportables Heiligtum dar. Es stand jeder zur Kultgemeinschaft gehörenden Person offen und diente auch als Orakel. Ein anderes Heiligtum aus der Nomadenzeit gewann für Israels spätere Religion zentrale Bedeutung.

Die Bundeslade diente einem Teil der nomadischen Vorfahren Israels, wahrscheinlich den später eingewanderten Rahel Stämmen, bei religiösen Prozessionen und auf Kriegszügen als Gottesthron. Sie wurde lange nach der Landnahme zum wichtigsten Kultgegenstand im späteren Jahwe Tempel von Jerusalem.

Sesshaftwerdung und Landnahme

Der regelmäßige Kontakt mit dem Kulturland weckte bei vielen Nomaden den Wunsch sesshaft zu werden. Die Stammes- und Sippenverbände liessen sich auf den weitgehend unbewohnten Gebirgen Kanaans nieder. Das Kulturland der Ebenen blieb in der Hand der Kanaanäer mit ihren befestigten Städten und Streitwagentruppen. Diese „Landnahme“ war ein langsamer und insgesamt eher friedlicher Infiltrationsprozess. Er verlief nicht organisiert oder gesteuert. Die Einnahme von Städten gelang nur in wenigen Ausnahmefällen. Die einzelnen Stämme oder Verbände operierten für sich. Einige Stämme wie Juda und Ephraim, die ihre Namen von geografischen Bezeichnungen, nämlich den Gebirgen, auf denen sie wohnten, erhielten, bildeten sich erst nach der Sesshaftwerdung. Die militärisch schwachen Nomaden mussten mit dem weniger komfortablen Gebirgsland vorlieb nehmen. Dort betrieben sie Waldrodung, zunächst um Ackerland für den Getreidebau zu gewinnen. Später lernten sie auch die Kultur des Oliven- und Weinbaus. Sie vertauschten die Zelte gegen Steinhäuser. Die Grundrisse ihrer frühen Dörfer glichen noch weitgehend um einen Mittelplatz gruppierten Nomadenlagern. Neben ihren traditionellen „wüsten- und wandertauglichen“ Kleintierbeständen gewannen nun Rinderherden immer mehr an Bedeutung. Den archäologischen Beweis für eine kulturell-religiöse Sonderentwicklung der Eingewanderten stellt das Fehlen jeglicher Schweineknochen in ihren Siedlungen dar. Offenbar praktizierten die sesshaft gewordenen Nomaden bereits sehr früh das religiös begründete Schweinefleischverbot, das Israel von seinen Nachbarvölkern deutlich unterschied.

Eine erste, vermutlich die späteren Lea Stämme umfassende Einwanderungswelle übernahm im Land den Kult des kanaanäischen Götterkönigs El. Z.T. übernahm sie vorhandene Heiligtümer Els, z.T. gründete sie neue lokale Kultstätten auf Berghöhen. Diese erste Gruppe wuchs zu einer stämmeübergreifenden Einheit zusammen und begann vermutlich schon bald nach der Sesshaftwerdung sich Israel (Gott El kämpft) zu nennen. Der ägyptische Pharao MERENPTAH, der am Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. einen Feldzug nach Palästina unternahm nennt unter den Besiegten Gegnern neben etlichen Stadtstaaten einen Verband namens Israel und berichtet:

„Kanaan ist geplündert ... Israel ist verwüstet und hat keinen Samen mehr“.

Vieles deutet darauf hin, dass die Lea Stämme tatsächlich eine Katastrophe ereilt hat und drei der Stämme (Levi, Simeon, Ruben) ihr Gebiet völlig oder fast verloren.
Die zweite Einwanderungswelle der Rahel Stämme (Ephraim, Manasse, Benjamin) besetzte das von den Lea Stämmen geräumte Mittelpalästina. Sie dürften den in Palästina bis dahin unbekannte Jahwe Kult eingeführt haben. Die Übernahme dieses Kultes mit seinen gemeinschaftstiftenden Festen auch durch alle übrigen sesshaft gewordenen Nomaden stellte wahrscheinlich den entscheidenden Katalysator beim bald nach der Landnahme einsetzenden Prozess des Zusammenwachsens der Stämme zum Volk Israel zusammen. Gemeinsame erfolgreiche stammesübergreifende Kriegsaktionen gegen die Kanaanäer verstärkten diesen Vorgang.

Stammesgruppen des frühen Israel

Lea-StämmeRahel-StämmeSilpa-Stämme°Bilha-Stämme°
Ruben*
Simeon*
Levi**
Juda
Issachar
Sebulon
Haus Joseph
(Ephraim + Manasse)
Benjamin
Gad
Asser
Dan
Naphtali

Legende:

* in staatlicher Zeit Untergliederungen Judas
> Folgen von Niederlagen in der frühen Zeit
** in staatlicher Zeit ohne Landbesitz
° von untergeordneter Bedeutung bei der Entstehung Israels

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